Corona-Lage in Deutschland RKI-Chef Wieler: "Das wird die neue Normalität sein"
Deutschland steht in der Coronavirus-Pandemie weltweit gut da. Trotzdem steigt der R-Wert zeitweise stark an. RKI-Chef Lothar Wieler erklärt, warum – und wie wahrscheinlich eine zweite Welle ist.
Die Menschen in Deutschland müssen sich wegen des Coronavirus auch für die nächsten Monate auf ein Leben mit Einschränkungen einstellen. Es seien keine gravierenden Änderungen des Infektionsgeschehen in nächster Zeit zu erwarten, erklärte das Robert Koch-Institut (RKI) am Dienstag. "Ich kann mir relativ schlecht vorstellen, dass wir gar keine Fälle mehr haben", sagte RKI-Chef Lothar Wieler. Man werde das Virus kontinuierlich im Land haben, lokale Ausbrüche werde es wohl weiter geben. Man müsse weiter wachsam sein und Abstands- und Hygieneregeln einhalten. "Das wird die neue Normalität sein für die nächsten Wochen und Monate", sagte Wieler.
Seit dem 21. Juni liege der Reproduktionswert in Deutschland zwischen zwei und drei, teilte Wieler mit. Das möge auf den ersten Blick beunruhigend hoch klingen, sage aber erst einmal nicht viel aus. Grund für den gestiegenen Wert seien vor allem einzelne, lokale Massenausbrüche.
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"Die R-Werte sind vorsichtig zu beurteilen. Die reine Zahl ist nicht aussagekräftig, man muss das Geschehen vor Ort betrachten", erklärte Wieler. Denn grundsätzlich seien aus vielen Kreisen keine oder wenige Fälle von den Gesundheitsämtern übermittelt worden – ein gutes Zeichen.
Eine zweite Welle nicht auszuschließen
Eine zweite Welle könne sich dennoch – trotz aktuell niedriger Fallzahlen – auch in Deutschland entwickeln. Aber Wieler gibt sich optimistisch: "Wir wissen inzwischen, wie wir das verhindern können. Die Menschen sind sich dessen bewusst und verhalten sich vorsichtig. Wenn wir weiterhin beispielsweise Großveranstaltungen verbieten, können wir die zweite Welle verhindern", sagt Lothar Wieler.
Neben Vorerkrankungen und Alter spielen auch Armut und eine sozial prekäre Lage eine Rolle für ein höheres Infektionsrisiko. "Armut ist die Wurzel allen Übels", sagte Ute Rexroth vom Robert Koch-Institut. Zwar würden keine sozialen Daten erhoben, dennoch können Zusammenhänge aus den Covid-19-Ausbrüchen erschlossen werden.
Daher sind Übertragungen in Haushalten, Heimen und Asylunterkünften besonders häufig. Die genauen Infektionsorte seien allerdings schwer konkret festzulegen. Alle Menschen seien auch in öffentlichen Räumen wie beispielsweise Supermärkten, Bus und Bahn oder Kneipen unterwegs. "Wir versuchen, unsere Instrumente nachzuschärfen, um den Infektionsweg noch genauer nachvollziehen zu können", so Rexroth.
- Eigene Recherche
- Robert Koch-Institut: Pressekonferenz am 23. Juni
- Mit Material der Nachrichtenagentur Reuters