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Coronavirus-Regeln: Bei den Ministerpräsidenten liegen die Nerven blank


Zoff um Corona-Regeln
Bei den Ministerpräsidenten liegen die Nerven blank

dpa, Von J. Blank, R. Mayr, M. Hadem und A. Hoenig

Aktualisiert am 23.03.2020Lesedauer: 4 Min.
Armin Laschet und Markus Söder: Gerieten laut Berichten bei der Telefonkonferenz von Bund und Ländern in Streit.Vergrößern des BildesArmin Laschet und Markus Söder: Gerieten laut Berichten bei der Telefonkonferenz von Bund und Ländern in Streit. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

Mit Schrecken verfolgen Kanzlerin und Ministerpräsidenten die dramatische Entwicklung in Italien. Um das Deutschland zu ersparen, verschärfen sie die Regeln – doch sie ringen auch miteinander.

Es hat ordentlich gekracht in der Telefonschalte der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin – am Ende kann Angela Merkel aber wenigstens die Einigung auf ein gemeinsames "Grundgerüst" verkünden. Ausdrücklich wiederholt sie ihren Appell an die Menschen im Land, Solidarität zu zeigen und die zwischenmenschlichen Kontakte so weit wie möglich herunterzufahren. "Bitte ziehen Sie alle mit", sagt Merkel am Sonntag nach den zweieinhalbstündigen Beratungen in Berlin in die Kameras. "Zeigen Sie Vernunft und Herz."

Schon am Mittwoch, in ihrer ersten außerplanmäßigen Fernsehansprache in fast 15 Jahren Regierungszeit, hatte Merkel die Mahnungen verschärft: "Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst." Zugleich machte sie klar: "Wir werden als Regierung stets neu prüfen, was sich wieder korrigieren lässt, aber auch: was womöglich noch nötig ist."

Diese Zeit halten Merkel und die Ministerpräsidenten auch angesichts der sich dramatisch verschlimmernden Lage in Italien für gekommen. Sie schränken die sozialen Kontakte weiter ein – diese sind ganz offensichtlich die Wege der Übertragung des oft tödlichen Virus.

Neue Beschränkungen im Alltag beschlossen

Maximal zwei Personen, die nicht miteinander verwandt sind oder zusammenleben, dürfen sich in der Öffentlichkeit noch versammeln. Familien oder Wohngemeinschaften sind ausgenommen. Restaurants werden geschlossen – ausgenommen sind die Lieferung und Abholung von Speisen für den Verzehr zu Hause. Friseure müssen ebenfalls schließen, auch Massagesalons oder Tattoo-Studios – überall dort ist die Nähe oder der Körperkontakt besonders eng.

Das "Grundgerüst" der Maßnahmen der einzelnen Länder ähnele sich sehr, sagt Merkel zu den erweiterten Maßnahmen. Manches werde in den Ländern eben noch spezifisch für die jeweilige Situation geregelt – die Kanzlerin verweist darauf, dass Länder wie das Saarland Grenzen zu Hochrisikoregionen in Nachbarländern haben.

Zwei Versionen eines Streits

Danach, dass am Ende der Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen in den Ländern dann doch einigermaßen eingerollt werden konnte, sah es zu Beginn der Schalte nicht aus. Über den Verlauf des Streits gibt es unterschiedliche Darstellungen.

Die eine besagt, Auslöser sei eine Kritik von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet am Krisenmanagement von CSU-Chef Markus Söder gewesen. Laschet, der sich um den CDU-Vorsitz bemüht, habe Söder vorgehalten, schon am Freitag, und damit zwei Tage vor der Konferenz, für Bayern eine strenge Ausgangsbeschränkung beschlossen zu haben. Gegen eine ausdrückliche Abmachung. Als Laschet ein eigenes Strategiepapier vorgelegt habe, droht Söder damit, die Konferenz zu verlassen. Am Ende bleibt der Bayer, auch weil Merkel vermittelt.

Glaubt man einer anderen Darstellung, so hat nicht Laschet, sondern die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), Söder kritisiert. Sie habe ihm vorgehalten, er sei als Chef der Ministerpräsidentenkonferenz doch eigentlich dafür zuständig, eine einheitliche Linie zu organisieren. Kritik an Söder sei auch von Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) und dessen niedersächsischem Amtskollegen Stephan Weil (SPD) gekommen. Nach dieser Darstellung soll Laschet sogar ausdrücklich Verständnis dafür geäußert haben, dass Söder seine Regeln nicht ändern wolle.

Bei der Telefonkonferenz der Länderchefs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die neuen Regeln gegen die Corona-Pandemie soll es hoch hergegangen sein. "Es war über mehrere Stunden tatsächlich eine heftige Diskussion", sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) später im Sender rbb. Aber sehr einvernehmlich sei dann vereinbart worden, dass man keine komplette Ausgangssperre wolle – weder die Bundesregierung noch die Ministerpräsidenten.

Söder zeigte sich nach der Sitzung dann doch leidlich zufrieden. "Jetzt haben wir ähnliche Regelungen in ganz Deutschland. Wir sind als besonders betroffenes Land auch stärker gefordert. Wir hätten keinen Tag länger warten dürfen", sagt er der Deutschen Presse-Agentur. Und verteidigt damit erneut seine Entscheidung, für die er von anderen Länderchefs ausdrücklich gelobt wurde. Auch aus Sicht von Virologen und Politikern aller Parteien in Bayern war der Entschluss richtig, mit den Ausgangsbeschränkungen nicht bis zum Sonntag zu warten.

Bund und Länder in der Zwickmühle

Die Nerven liegen blank bei den Ministerpräsidenten, heißt es nach der Sitzung – und das ist auch verständlich. Der Streit zeigt aber auch, dass Kanzlerin und Länderregierungschefs bis zu einem gewissen Grad in der Zwickmühle sitzen. Schränken sie die Bürgerrechte weiterhin massiv ein und provozieren den Unmut der – gesunden – Bevölkerung? Oder setzen sie die Menschen der Gefahr aus, durch zu späte drastische Beschränkungen der sozialen Kontakte immer mehr Tote zu riskieren?

Vor allem mit massiven Wirtschaftshilfen in bislang ungekannter Höhe versucht die schwarz-rote Koalition zu verhindern, dass in der Krise Unternehmen Pleite gehen und Menschen massenhaft arbeitslos werden. Deutschland wird wohl in eine Rezession rutschen – um fast jeden Preis will die Regierung einen dauerhaften Absturz vermeiden. Das kostet Milliarden. Schon an diesem Montag will das Kabinett die Notfallregel bei der Schuldenbremse ziehen, um mit einer höheren Neuverschuldung deutlich mehr finanziellen Spielraum für Maßnahmen zu haben. Konkret geht es um ein Milliardenpaket für Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständige, bei denen Aufträge und Umsätze wegbrechen.

Das Kabinett wird am Montag allerdings ohne die physische Anwesenheit von Merkel tagen müssen – sie wird wohl per Telefon- oder Videokonferenz zugeschaltet. Nach ihrer Pressekonferenz wurde die Kanzlerin davon unterrichtet, dass ein Arzt, bei dem sie am Freitagnachmittag zu einer prophylaktischen Pneumokokken-Impfung war, mittlerweile positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Merkel habe daraufhin entschieden, sich unverzüglich in häusliche Quarantäne zu begeben, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. Doch er versichert: "Auch aus der häuslichen Quarantäne wird die Bundeskanzlerin ihren Dienstgeschäften nachgehen."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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