t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikDeutschland

SPD: Skandal-Genosse pusht Olaf Scholz und Klara Geywitz bei Wikipedia


Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.

Simon Vaut äußert sich nicht
Skandal-Genosse pusht Scholz und Geywitz auf Wikipedia


Aktualisiert am 12.11.2019Lesedauer: 4 Min.
In der Stichwahl: Die Kandidatenpaare Olaf Scholz und Klara Geywitz sowie Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. Auf Wikipedia versuchte ein Nutzer, einseitig Stimmung zu machen. Dabei handelt es sich nach t-online.de-Informationen um Simon Vaut, früherer Spitzenkandidat in Brandenburg.Vergrößern des Bildes
In der Stichwahl: Die Kandidatenpaare Olaf Scholz und Klara Geywitz sowie Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. Auf Wikipedia versuchte ein Nutzer, einseitig Stimmung zu machen. Dabei handelt es sich nach t-online.de-Informationen um Simon Vaut, früherer Spitzenkandidat in Brandenburg. (Quelle: dpa)
News folgen

Der Wahlkampf um die SPD-Führung wird auch bei Wikipedia ausgetragen: Ein ehemaliger SPD-Hoffnungsträger hübscht die Darstellung bei Olaf Scholz und Klara Geywitz auf und rückt Norbert Walter-Borjans in schlechteres Licht.

In der Wikipedia-Gemeinde und Teilen der SPD wächst der Unmut über Änderungen in den Beiträgen über Kandidaten für den SPD-Vorsitz. Anhänger von Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sehen dort Versuche durch einen Nutzer, Porträts in dem Nachschlagewerk einseitig zu verändern.

Nach t-online.de-Informationen steckt hinter dem Autor "Sciman" ein tief gestürzter Hoffnungsträger der Partei: Simon Vaut. Vaut war Referent in der SPD-Bundestagsfraktion, dann Redenschreiber von Sigmar Gabriel und schließlich Spitzenkandidat der SPD Brandenburg zur Europawahl. Kurz vor der Wahl kam es im März diesen Jahres zum Skandal: Es flog auf, dass Vaut eine Freundin und einen Wohnsitz in Brandenburg nur erfunden hatte.

Auf Twitter verteilt Vaut "Likes" für Beiträge, in denen das Kandidatenduo Olaf Scholz und Klara Geywitz positiv genannt werden oder Gegenkandidat Norbert Walter-Borjans kritisch beleuchtet wird. Die SPD-Mitglieder stimmen vom 19. bis 29. November in einer Stichwahl ab, ob Scholz/Geywitz oder Borjans mit Saskia Esken an der Parteispitze stehen sollen.

"Sciman" bestreitet Agenda, Vaut schweigt

Die Vorliebe zeigt sich auch bei den Beiträgen des Wikipedia-Profils "Sciman", was sich aussprechen lässt wie die englische Variante von "Simon": Die Einträge zu Scholz und Geywitz wurden um vorteilhafte Details ergänzt. Den Beitrag zu Norbert Walter-Borjans hat er dagegen deutlich kritischer aussehen lassen.

"Sciman" antwortete auf Wikipedia zu Vorwürfen anderer Autoren: "Ich verfolge dabei keine Politische Agenda." Tatsächlich hat er auch veraltete Informationen durch neue korrigiert und auf nicht-neutrale Darstellungen aufmerksam gemacht. Zugleich waren seine Änderungen aber ebenfalls nicht neutral und zum Teil missverständlich oder falsch. Simon Vaut äußerte sich auf Anfrage von t-online.de nicht zu dem Fall.

Der Politikwissenschaftler Jens Best, ein Wikipedia-Aktivist seit den Anfängen, beklagt potenzielle Rufschädigung für Wikipedia durch das Vorgehen und das öffentlich ausgetragene Tauziehen in den Beiträgen. "Die 'Umschreibungen' im Artikel Walter-Borjans durch einen Account, der gleichzeitig die Artikel Scholz und Geywitz aufhübscht, zeigen für mich das strukturelle Versagen in der Verantwortungsfähigkeit der Wikipedia."

Anderer Nutzer nahm "Sciman" ins Visier

Der Nutzer "Sciman" hat auch einen Gegenspieler, der über alles wacht, was "Sciman" in den SPD-Profilen hinzufügt, löscht oder ändert. Er nimmt auch seinerseits Änderungen vor, die zum Teil auch rückgängig gemacht wurden. Dieser Nutzer nannte sich "Sozialdemokrat in linker Mitte", erklärte den Namen mit Transparenzgründen. Nachdem er wegen des Namens gesperrt wurde, ist er nun als "Mensch mit Interessen" aktiv. Beim Geywitz-Beitrag führte der Kampf um die Deutung zur Klage eines Wikipedia-Moderators: "Liebe KollegInnen, das ist hier kein Sozi-Forum zum parteiinternen Meinungsaustausch."

Auf die Spur zum einstigen SPD-Hoffnungsträger Simon Vaut führen Beiträge, die von dem Autor "Sciman" in der Wikipedia neu angelegt wurden. "Sciman" hatte einen Beitrag über den Verein "Global Bridge" abends nach 23 Uhr angelegt. Vaut, Vorstandsmitglied des aus der "Atlantik Brücke" hervorgegangenen Vereins, twitterte um kurz nach 1 Uhr den Link.

"Liest sich wie eine Auftragsarbeit"

Von Wikipedia Nutzer "Sciman" wurde auch ein dann gelöschter Eintrag zum SPD-Verein D64 - Zentrum für digitalen Fortschritt angelegt.* Er hat aber auch andere SPD-Beiträge editiert. Mitte September baute "Sciman" den Beitrag zu Klara Geywitz so aus, dass prompt einiger Widerspruch kam. Als "Drittmeinung" kommentierte eine Wikipedia-Autorin zu diesem Zeitpunkt: "Der Artikel liest sich wie eine Auftragsarbeit." Das sei zwar nicht verboten, "genausowenig wie Skepsis gegenüber solchen glattgebügelten Bewerbungsschreiben." Unter anderem war von dem Profil "Sciman" ergänzt worden, dass Geywitz als junge Frau aus dem Motiv "soziale Gerechtigkeit" in die SPD eingetreten war. Eine von der Wikipedia akzeptierte Quelle dafür fehlte. Auf Kritik reagiert "Sciman" meist einsichtig.

Bei Olaf Scholz hatte der Autor "Sciman" einen Textteil weitgehend neu geschrieben, in dem es um eine umstrittene 420-Millionen-Euro-Investition des Landes Hamburg unter dem damaligen Ersten Bürgermeister Scholz ging. Er hatte unter anderem eingebaut, dass "an dem damals kriselnden Unternehmen etwa 20.000 Arbeitsplätze in Hamburg hängen". Quelle für die Zahl war lediglich die Aussage eine Hapag-Lloyd-Managers.

"Sciman" merkte korrekt an, dass durch die Transaktion keine Verluste mehr für den Steuerzahler bestehen, weil der Kurs inzwischen deutlich im Plus ist. Eine von ihm genannte Zahl war jedoch irreführend.

Den Eintrag zu Walter-Borjans dagegen änderte "Sciman" so, dass der SPD-Politiker deutlich schlechter aussah. Er fügte am Montag prominent eine "Ergänzung zu den verfassungswidrigen Landeshaushalten und Anstieg der Schulden in NRW" ein. Dieser Part ist inzwischen zum Teil gestrichen und ist im Text nun weiter nach hinten gerückt.

60 Prozent tatsächlich nur 5 Prozent

Teil von "Scimans" Ergänzung war auch ein Satz, dass die Schuldenlast des Landes während Borjans Amtszeit um 60 Prozent gestiegen sei. Diese Zahl ist falsch. Als Quelle hatte "Sciman" eine Kolumne "Der Nowabofakis vom Rhein" aus dem kostenpflichtigen "Plus"-Bereich von "Spiegel online" genutzt. Darauf berief er sich auch. Die falsche Zahl war nur 26 Minuten online, dann hatte ein anderer Nutzer mit den Zahlen des Landes belegt, dass die Schulden nur um fünf Prozent gestiegen waren. Diese Zahl findet sich auch in früheren Versionen.


Nutzer "Sciman" hat mit seinen Beiträgen ausgelöst, was Politiker Vaut auf Twitter im Januar 2016 noch fast vermisst hatte: Es gebe ja kaum noch "Edit-Wars", also heftigen Schlagabtausch zu Beiträgen.

*An dieser Stelle hatten wir zum aktuellen Wikipedia-Eintrag des Vereins verlinkt. Der von "Sciman" angelegte Eintrag wurde wegen fehlender Relevanz gelöscht, der nun bestehende Eintrag von einem anderen Nutzer angelegt.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website