Oktoberfest hat begonnen Umweltfreundlich feiern? Die Wiesn im Klima-Check
Das Oktoberfest verbraucht in gut zwei Wochen so viel Strom wie eine 21.000-Einwohner-Stadt im Jahr. Trotzdem gilt die Wiesn als ökologisch vorbildlich. Über ein Volksfest in Zeiten der Klimakrise.
Sonne, blauer Himmel und ein gelungener Anstich: Die Wiesn hat am Samstag einen Bilderbuchstart hingelegt. Mit zwei Schlägen zapfte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) – inzwischen Meister dieser Kunst – das erste Fass Bier an und stieß mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf eine friedliche Wiesn an. Dass nichts passiert, dass alle wieder heil nach Hause kommen: Das ist das Wichtigste – da sind sich alle einig.
Mehr Menschen als in den Vorjahren strömten am ersten Tag zum Volksfest, in den Gassen zwischen Zelten und Fahrgeschäften herrschte schon nachmittags Gedränge, viele Zelte waren wegen Überfüllung geschlossen. "Man hat es beim Einzug der Wirte gesehen: Es waren an den Straßen wahnsinnig viele Leute – viel, viel mehr als früher", sagte Wiesnchef Clemens Baumgärtner (CSU). "Ich glaube, die Lust auf die Wiesn ist wieder größer geworden." Das gute Wetter dürfte ein Grund sein – und es gibt weniger Sorgen um die Sicherheit. Für die ist alles getan. Hunderte Polizisten und Hunderte Ordner sind im Einsatz, fast 50 Videokameras überwachen das Gelände.
Die Wiesn gilt als ökologisch vorbildlich
Nach der Terrorangst der vergangenen Jahre gibt es heuer ein anderes drängendes Thema: das Klima. Hunderttausende hatten tags zuvor weltweit demonstriert, das Klimakabinett der Bundesregierung hatte stundenlang beraten. In New York tagt nächste Woche der UN-Klimagipfel mit Staats- und Regierungschefs vor der UN-Generalversammlung.
Die Klimafrage hat längst das größte Volksfest der Welt erreicht, das zwar weltweit als Vorbild in der umweltschonenden Organisation gilt, aber dennoch mit sechs Millionen Besuchern auch künftig kaum zur Energiespar-Veranstaltung mutieren wird. Das Fest verbraucht an den gut zwei Festwochen so viel Strom wie eine Kleinstadt mit 21.000 Einwohnern pro Jahr, 2,93 Millionen Kilowattstunden waren es 2018. Dazu wurden 200.937 Kubikmeter Erdgas verbraucht. Durch Ökostrom und Ökogas spart das Fest etwa 1.000 Tonnen CO2 ein.
Gasgrills stoßen viel Methan aus
Forscher der Technischen Universität München (TUM) hatten 2018 allerdings einen erhöhten Methanausstoß gemessen. Sie fanden auf dem Wiesngelände im Schnitt sechsfach erhöhte Methanwerte verglichen mit der Zeit vor oder nach dem Volksfest. Wahrscheinlich liegt das an den Gasgrills.
Eine Handvoll Zelte, darunter der Schottenhamel, in dem der Oberbürgermeister das erste Fass anzapfte, haben Solarzellen fürs heiße Wasser. LED-Lampen erleuchten die Zelte. Spülwasser der Bierkrüge wird in den Zelten für die Toilettenspülung verwendet. Die Stadt berücksichtigt, so betont OB Reiter, bei der Zulassung noch mehr als früher Umweltverträglichkeit und Regionalität. Bewerber bekommen etwa Punkte wie die Verwendung biologisch abbaubarer Hydrauliköls, für schadstoffarme Zugmaschinen und ein Produktangebot aus Öko-Anbau. Es gibt nicht nur vegetarische, sondern auch vegane Gerichte.
Ein Fest des Fleisches
Trotzdem bleibt die Wiesn ein Fest des Fleisches: Zehntausende Hendl werden allein am ersten Wochenende gegrillt, dazu mehrere Ochsen. Der erste, der am Samstag in der Ochsenbraterei auf dem Gasgrill hing, hieß Max. Immerhin drehte sein Spieß mit Ökostrom.
CSU-Chef und Ministerpräsident Söder, am Vortag noch beim 19-stündigen Klimaverhandlungsmarathon in Berlin, sagt, die Organisatoren hätten ihre Anstrengungen zu Klimaausgleichmaßnahmen weiter verstärkt. "Wir müssen Lebensfreude mit Klimaschutz verbinden." Man solle sich weiter mit Klimaneutralität befassen – aber "trotzdem die Wiesn genießen". Und: "Bei aller Bedeutung von Koalitionsverhandlungen – Berlin war gestern die Hauptstadt von Deutschland, aber heute ist es München, weil es das bedeutendste Fest der Welt ist." Er persönlich stehe aber nicht besonders auf Fahrgeschäfte: "Ich fahr genug Achterbahn während der Woche."
Kommt Obama auf die Wiesn?
Neben Vertretern aus der Politik – darunter CSU-Generalsekretär Markus Blume, SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) – feierte am ersten Tag Prominenz aus dem Showbusiness: etwa die Schauspielerinnen Michaela May, Aylin Tezel und Luna Schweiger sowie die Volksmusikstars Florian Silbereisen, Carolin Reiber und Marianne und Michael.
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Spekuliert wird in diesem Jahr über einen besonderen Besuch: Barack Obama spricht am 29. September beim Start-up-Festival "Bits & Pretzels" in München – da wäre es nur ein Katzensprung zur Theresienwiese. 2016 hatte er angekündigt, das Oktoberfest nach Ende seiner Amtszeit besuchen zu wollen. Im vergangenen Jahr waren überraschend schon die Clintons auf der Wiesn aufgetaucht.
- Nachrichtenagentur dpa