"Wie in Schwellenland" Maaßen beklagt marode Strukturen in Deutschland
Hans-Georg Maaßen ist am Samstag einer Einladung aus der Union in den Bundestag gefolgt. Im Vorfeld der Veranstaltung beklagte er, vielerorts seien Probleme in Deutschland zu beobachten.
Der konservative "Berliner Kreis" innerhalb der Union hat den früheren Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen am Samstag zu einer Veranstaltung eingeladen. Ursprünglich wollte man sich im Saal der Fraktion im Bundestag treffen, musste dann aber ausweichen. Im Vorfeld des Treffens beklagte der im November in den einstweiligen Ruhestand versetzte Maaßen "grundlegende Schwierigkeiten" in Deutschland.
Dem "Kölner Stadt-Anzeiger" sagte er: "Wer auf dem Berliner Flughafen landet, wird sich die Frage stellen, ob er nicht in einem Schwellenland angekommen ist. Stets heißt es, wir sind eine reiche Industrienation, schaut man aber auf die Straßen, die maroden Schulgebäude, die bröckelnde Infrastruktur, fragt man sich, wo das Geld dafür geblieben ist und warum Deutschland noch nicht einmal in überschaubarer Zeit Flughäfen, Brücken oder U-Bahnen bauen kann. Oder warum über 235.000 ausreisepflichtige Ausländer nicht abgeschoben werden." Die Probleme passten nicht zu einem der reichsten Länder der Erde, so Maaßen, und schon gar nicht zu einer funktionstüchtigen Verwaltung.
Der frühere Verfassungsschutzchef rief seine Partei, die CDU, zu einem Kurswechsel auf. "Die CDU muss von innen reformiert werden", sagte Maaßen der Zeitung. Er begrüßte den Wechsel an der Parteispitze von Angela Merkel zu Annegret Kramp-Karrenbauer und an der Bundestagsfraktionsspitze von Volker Kauder zu Ralph Brinkhaus. Es bleibe allerdings "abzuwarten, ob es nun zu einem grundlegenden Politikwandel kommt".
Maaßen warnt vor Extremismus
Zur Absage der Veranstaltung mit ihm im CDU/CSU-Fraktionssaal durch Fraktionschef Brinkhaus äußerte sich Maaßen zurückhaltend: "Ich kenne die Hintergründe hierzu nicht, die müssen andere erklären." Maaßen sprach bei der Veranstaltung am Nachmittag unter anderem über den Kampf gegen Extremismus. Dabei beklagte er, dass extremistische Bestrebungen unterschiedlicher Richtung in Deutschland und Europa aus seiner Sicht unterschätzt würden.
Er habe in seiner früheren Funktion immer wieder den Eindruck gewonnen, dass die Erkenntnisse der Verfassungsschutzämter nicht mit "der notwendigen Sensibilität" aufgenommen worden seien, sagte Maaßen mit Blick auf den Islamismus. Dies seien wohl auch "Ergebnisse von islamistischer Propaganda und Desinformation".
Extremismus sei "eine schleichende Entwicklung, ein Gift", sagte Maaßen. "Der Extremismus ist leise und wird aus meiner Sicht vielfach unterschätzt, weil man gerade immer auf den Qualm, auf die Anschläge und dergleichen schaut." Es seien aber keine Hit-Teams, die den Islamismus in Deutschland regelmäßig verbreiteten. Vielmehr seien manche der Protagonisten gut gebildet und würden als "wohlintegriert" gelten.
Maaßen beklagte auch, dass staatliche Stellen im Kampf gegen radikalen Islamismus kein Gegenüber aufseiten moderater oder säkularer Muslime fänden. "Es gibt nicht diese Ansprechpartner in Deutschland. Es gibt zu viele Ansprechpartner in Deutschland", sagte Maaßen mit Blick auf die Vielzahl muslimischer Verbände.
Kritik an Maaßens Chemnitz-Äußerungen
Maaßen selbst war Verharmlosung von rechter Gewalt unterstellt worden, nachdem er die Echtheit eines Videos bezweifelt hatte, das nach der Tötung eines Mannes in Chemnitz eine Attacke gegen Migranten zeigt. Im November versetzte Innenminister Horst Seehofer (CSU) Maaßen in den einstweiligen Ruhestand, nachdem dieser laut einem Redemanuskript von teils "linksradikalen Kräften in der SPD" gesprochen hatte. Maaßen ist CDU-Mitglied. Die Veranstaltung des "Berliner Kreises", zu der er nun eingeladen war, war in einen anderen Bundestagsraum verlegt worden, nachdem bekannt wurde, dass der frühere Präsident des Verfassungsschutzes kommt.
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Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach, der auch zum "Berliner Kreis"
gehört, verteidigte den Auftritt von Maaßen im Bundestag: "Er gehört zur CDU. Er ist seit Jahrzehnten Mitglied der Christdemokraten. Es gibt keinen Grund, ihn mit spitzen Fingern anzufassen", sagte Bosbach der "Passauer Neuen Presse".
- Nachrichtenagentur dpa