Terrorvorwürfe in Türkei Angeklagter Deutscher zurück in Deutschland
Der Prozess geht weiter, aber der Untersuchungshäftling darf ausreisen: Ein in der Türkei angeklagter Mann ist zurück in Deutschland. Er wird der Terrorpropaganda beschuldigt.
Ein in der Türkei wegen Terrorvorwürfen angeklagter Mann aus Hamburg ist wieder in Deutschland. Das bestätigten das Auswärtige Amt sowie der Anwalt des Mannes, Bülent Akbay, am Montag. Sein Mandant sei am Sonntag nach Hause geflogen, sagte der Anwalt. Der Prozess gegen den 55-Jährigen geht aber weiter – wie gegen andere Deutsche, die in der Türkei angeklagt wurden, aber ausreisen durften. Der nächste Verhandlungstermin ist nach Angaben des Anwalts auf den 12. Februar angesetzt. Der Mann war einer von fünf aus "politischen Gründen" in der Türkei noch inhaftierten Deutschen.
Der Mann war nach einem Prozesstermin schon am 29. November aus der Untersuchungshaft im südtürkischen Iskenderun freigelassen worden, wie seine Tochter und sein Anwalt damals bestätigten. Allerdings wurde er danach noch mehr als fünf Wochen lang, bis zum Sonntag, in Abschiebehaft festgehalten. Anwalt Akbay bezeichnete das als "Willkür", denn seinem Mandanten sei keine Ausreisesperre auferlegt worden. Das Konsulat in Ankara war informiert.
Angeklagter weist Vorwürfe zurück
Die türkische Polizei hatte den Mann, der nur die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, Ende Juli bei einem Besuch in Iskenderun festgenommen. Der Anklageschrift zufolge, die der dpa vorliegt, wirft der Staatsanwalt dem Mann unter anderem vor, auf Facebook Beiträge geteilt zu haben, die als Terrorpropaganda zu werten seien. Die Gerichtsakte erwähnt zum Beispiel Videos mit Reden von Mitgliedern der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die in der Türkei auf der Terrorliste steht. Der Angeklagte, der kurdische Wurzeln hat, wies den Vorwurf der Terrorpropaganda zurück. Dem Dokument zufolge war die Antiterroreinheit der Polizei bei ihrer Arbeit auf das Facebook-Profil des Mannes gestoßen.
Einträge auf Facebook oder anderen Foren haben schon öfter zur Inhaftierung von Deutschen in der Türkei geführt. Die Bundesregierung hat deswegen kürzlich ihre Reisehinweise für die Türkei verschärft und warnt nun vor regierungskritischen Äußerungen in sozialen Medien.
Urteile gegen Untersuchungshäftlinge
2017 hatte eine ganze Serie von Verhaftungen – oft wegen Terrorismus-bezogener Vorwürfe – die Beziehungen zwischen Berlin und Ankara schwer belastet. Nach Druck aus Deutschland kamen von Ende 2017 an einige prominente Untersuchungshäftlinge frei und durften ausreisen, darunter der "Welt"-Reporter Deniz Yücel, die Übersetzerin und Journalistin Mesale Tolu und der Menschenrechtler Peter Steudtner. Ihre Verfahren laufen aber weiter. Der nächste Gerichtstermin – im Fall Tolu – steht am 10. Januar an. Tolus Anwältin Kader Tonc sagte am Montag, sie erwarte nicht, dass Tolu diesmal dabei sein werde. Auch ein Urteil erwartet sie nicht.
Gegen andere U-Häftlinge gab es bereits Urteile. Ende Oktober und Anfang November mündeten die Verfahren gegen den Gießener Patrick K. und eine Kölner Sängerin mit dem Künstlernamen Hozan Cane in Haftstrafen von mehr als sechs Jahren. Weiter in U-Haft sitzen wegen Terrorvorwürfen der Kölner Sozialarbeiter Adil Demirci und der Autor, Jurist und ehemalige Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes MIT, Enver Altayli. Ilhami A. aus Hamburg war bereits im September zu einer Haftstrafe verurteilt worden, bleibt aber bis zur Entscheidung seines Berufungsverfahrens in der Türkei auf freiem Fuß.
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Ein weiterer Deutscher war Ende Dezember kurz in Polizeigewahrsam genommen worden. Adnan S. aus München (56) war für die Beerdigung seiner Mutter in die Türkei geflogen und ebenfalls wegen einiger Facebook-Posts inhaftiert worden. Mittlerweile ist er frei, darf aber das Land nicht verlassen. Eine Entscheidung über den Antrag, die Ausreisesperre aufzuheben, erwartet sein Anwalt diese Woche.
- Nachrichtenagentur dpa