Exklusiv: Vorwürfe aus Polen Mitarbeiter eines AfD-MdB soll Drahtzieher von Anschlag sein
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ein Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten soll einen Anschlag in der Ukraine in Auftrag gegeben haben. Das wirft ihm ein Bekannter vor – der seit Montag im polnischen Krakau vor Gericht steht. Eine Exklusiv-Recherche.
Ein Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten wird beschuldigt, in der Ukraine einen Brandanschlag in Auftrag gegeben zu haben. Das zeigen gemeinsame Recherchen des Nachrichtenportals t-online.de und des ARD-Politikmagazins "Kontraste". Die Vorwürfe richten sich gegen Manuel Ochsenreiter, einen Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier. Frohnmeier dementiert die Vorwürfe im Namen Ochsenreiters.
Anschlag unter falscher Flagge
Es geht um eine Anklage in Polen: Drei Männern wird dort vorgeworfen, am 4. Februar 2018 in der ukrainischen Stadt Uschhorod einen Brandanschlag auf eine ungarische Einrichtung verübt zu haben. Die Attacke mit Molotowcocktails sollte den Behörden zufolge ukrainischen Neonazis zugeordnet werden, um die Beziehungen zwischen Ukrainern und Ungarn zu belasten. t-online.de und "Kontraste" waren mit Reportern vor Ort im Gericht in Krakau.
Der Hauptangeklagte Michał P. soll Mitglied der polnischen Faschisten-Gruppierung "Falanga" sein, die die prorussischen Rebellen in der Ostukraine unterstützt. Er ist in Krakau unter anderem wegen Finanzierung von Terror angeklagt. Vor Gericht sagte er am Montag, in Auftrag gegeben habe den Anschlag aber Ochsenreiter. Der habe ihn angestiftet, den Tag ausgesucht und ihn bezahlt. Er, P., habe alles genau nach Ochsenreiters Plan umgesetzt.
Kommunikation per Chat
Die Absprache für den Anschlag soll P. Aussagen zufolge auf Englisch verlaufen sein. Er habe mit Ochsenreiter vor allem über den Messenger-Dienst Telegram kommuniziert. Über Telegram schickte er demzufolge seinem Auftraggeber auch Videos der Tat. Der sei mit der Aktion sehr zufrieden gewesen.
Ochsenreiter habe ihm vorher gesagt, es sei ihm vor allem um sichtbare Rauchspuren am Gebäude gegangen. Am 7. Februar 2018 habe P. sich dann mit Ochsenreiter in einem Restaurant in Tegel in Berlin getroffen und dort 1.000 Euro in 200-Euro-Scheinen sowie Geld für ein Flugticket erhalten. Weitere 500 Euro habe er vorab erhalten.
Ochsenreiter selbst nicht angeklagt
Belege für die Vorwürfe des Angeklagten gibt es nicht. Im laufenden Prozess ist Ochsenreiter nicht angeklagt. Staatsanwalt Mariusz Sadło sagte auf die Frage, ob gegen Ochsenreiter ermittelt werde, dazu könne er nichts sagen. Generell gelte: "Wenn Namen weiterer Verdächtiger auftauchen, ist es normal, dass ein weiteres Verfahren eingeleitet wird."
Ochsenreiter und Michał P. haben gemeinsame politische Kontakte: Beide standen in engem Kontakt zu dem Aktivisten Mateusz Piskorski, der in Polen wegen Spionage für russische Geheimdienste angeklagt und inhaftiert ist. Sowohl in Polen als auch im Ausland soll Piskorski in Verbindung mit den Geheimdiensten FSB und SWR außenpolitische Ziele Russlands vorangetrieben und dafür seine Kontakte zu Politikern genutzt haben. Außerdem sei er für chinesische Dienste tätig gewesen.
In Deutschland gründete Piskorski prorussische Vereine, gemeinsam mit Politikern der Linken und der AfD, wie t-online.de bereits 2017 berichtete. Deutsche Ermittler hatten diese Organisationen bereits damals im Blick – unter anderem deswegen, weil Abgeordnete zu sogenannten Wahlbeobachtungsmissionen in kremltreue Separatistengebiete reisten.
Frohnmaiers Nähe zum mutmaßlichen Spion
Den AfD-nahen Verein gründete Piskorski laut Registerunterlagen zusammen mit Ochsenreiter und mehreren AfD-Politikern – darunter dem heutigen Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier, der früher unter anderem Vorsitzender der AfD-Jugendorganisation und Sprecher von Frauke Petry war.
Er hatte sein Engagement gegenüber t-online.de als privat bezeichnet. Die mutmaßlichen Aktivitäten Dritter lasse er sich nicht zurechnen. Frohnmaiers heute unter Verdacht stehender Mitarbeiter Ochsenreiter hatte hingegen mehrfach öffentlich Partei für Piskorski ergriffen und das Verfahren gegen ihn als politisch bezeichnet. Gemeinsam mit ihm leitete er den Verein.
Nach dem Anschlag in der Ukraine am 4. Februar 2018 waren schon früh Vermutungen über eine Verwicklung russischer Dienste laut geworden. Die Täter hatten zwar gesprühte Hakenkreuze und andere für ukrainische Rechtsextreme typische Neonazi-Symbolik hinterlassen. Schnell identifizierten die Behörden allerdings zwei der nun angeklagten Polen als Tatverdächtige. Unter anderem gaben Bilder aus Überwachungskameras Hinweise auf ihre Identität.
Behörden verdächtigten Russland schon früh
"Ich habe keinen Zweifel, dass russische Spezialdienste hinter dem Abbrennen des Büros der ungarischen Kulturgesellschaft stehen", sagte der Gouverneur Transkarpatiens, Gennady Moskal, bereits wenige Wochen später. Da war soeben ein zweiter Brandanschlag auf das Gebäude verübt worden, der die Innenräume verwüstete.
Außenminister Pavlo Klimkin schloss sich der Einschätzung an, dass die ähnlichen Tatabläufe den Schluss auf externe Drahtzieher nahelegen. "Gemeinsam werden wir uns den Versuchen widersetzen, Transkarpatien zu destabilisieren", schrieb Klimkin im Kurznachrichtendienst Twitter. Auch in diesem Fall nahmen die Ermittler drei Verdächtige fest. Mögliche Verbindungen ins Ausland werden laut Polizei weiterhin geprüft.
Frohnmaier bestritt die Vorwürfe in Ochsenreiters Namen: "Mein Mitarbeiter bestreitet die Vorwürfe als frei erfunden. Auch ich kann mir nicht vorstellen, dass etwas daran ist, sondern halte es für plausibel, dass der Angeklagte ihn falsch beschuldigt, um seine eigene Position zu verbessern", teilte Frohnmaier t-online.de mit. "Warten wir ab, ob die Staatsanwaltschaft auch gegen meinen Mitarbeiter Anklage erhebt. Dann – aber auch erst dann – würde ich ihn beurlauben, bis endgültig geklärt ist, ob der Vorwurf zutrifft oder eben nicht."
Update, 23. Mai 2019: Nachdem zwischenzeitlich seine Verbindungen nach Russland Gegenstand zahlreicher kritischer Medienberichte waren, hat Frohnmaier über seinen Anwalt eine Erklärung abgegeben. Frohnmaier war bei der Vereinsgründung mit Mateusz Piskorski im April 2016 anwesend und hat selbst ein wenig später aufgenommenes Foto von ihm mit Piskorski auf der Krim veröffentlicht. In der Erklärung heißt es dennoch, Piskorski sei ihm weder bei der Gründung des Vereins noch im Nachhinein persönlich bekannt gewesen.
Frohnmaier erklärt weiter, er habe nichts mehr mit dem Verein zu tun haben wollen und auf die Liquidierung gedrängt, nachdem die Vorwürfe bekannt wurden. Erste Berichte über die Vorwürfe gab es am 16. August 2017. In einem Interview mit dem russischen Nachrichtenportal “Sputnik” am 18. August 2017 verteidigte Frohnmaier allerdings den Verein und erklärte, das Zentrum werde in Sippenhaft genommen.
Das Portal zitierte ihn wie folgt: „Wir prüfen derzeit, ob wir als Zentrum rechtliche Schritte gegen die Medienberichte einleiten.“ Im Mai 2018 teilte er t-online.de mit, der Verein sei privat. Die mutmaßlichen Aktivitäten Dritter lasse er sich nicht zurechnen. Der Verein besteht, Stand 23. Mai 2019, laut Vereinsregister weiterhin.