Unionsinterner Konflikt Söder fordert Unterstützung im Asylstreit mit Merkel
Bayern will Flüchtlinge an der Grenze abweisen, Merkel will das nicht. Der Asylstreit spaltet nicht nur die Union – jetzt sollen auch die Länder Farbe bekennen.
Im Streit über die Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze fordert Bayerns Regierungschef Markus Söder von den anderen Ministerpräsidenten Unterstützung für die Forderung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (beide CSU). "Es geht um Integration, Zuwanderung und Flüchtlingspolitik. Das ist die wichtigste politische Frage derzeit. Daran entscheidet sich auch die Weiterentwicklung unserer Demokratie im Land", sagte der CSU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in München.
Am Donnerstag wollen sich die Regierungschefs der Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundesrat in Berlin treffen. Er rechnet fest damit, dass der Asylstreit auch die Ministerpräsidentenkonferenz dominieren wird. "Das ist kein Kaffeekränzchen, sondern eine ernste Runde."
"Bevölkerung erwartet eine Handlung in Berlin"
Ursprünglich sollte auf der Konferenz über Seehofers Masterplan für Zuwanderung diskutiert werden. Wegen eines Streits mit Merkel war die für Dienstag geplante Veröffentlichung aber kurzerhand abgesagt worden. Die CDU-Chefin lehnt dem Vernehmen nach eine Zurückweisung von Asylsuchenden an der deutschen Grenze ab.
Söder hofft, dass die Pläne von Seehofer trotz der Gegenwehr von Merkel umgesetzt würden. "Das ist eine langjährige Forderung Bayerns. Es ist jetzt wichtig, dass endlich etwas passiert", sagte er weiter. "Es gibt keinen rechtlichen und politischen Grund, die Zurückweisung weiter abzulehnen." Die Bevölkerung erwarte endlich eine Handlung in Berlin. "Die Bürger haben wenig Verständnis, warum wir jemand ohne Bleibeperspektive ins Land lassen, um ihn dann mit großem Aufwand doch wieder zurückführen zu müssen", sagte Söder. Er appellierte an die anderen Bundesländer, dem Beispiel des bayerischen Asylplans zu folgen und auch sogenannte Ankerzentren einzurichten.
Das SPD-geführten Niedersachsen reagierte verhalten auf Söders Appell. "Der bayerische Ministerpräsident sollte vielleicht ebenso wie die anderen Kolleginnen und Kollegen einmal abwarten, was denn jetzt eigentlich die Vorschläge der Bundesregierung sind", sagte Ministerpräsident Stephan Weil der Deutschen Presse-Agentur in Hannover.
Auch in der CDU gibt es scharfe Kritik am Merkel-Kurs
Weil betonte, die Bundesregierung bestehe nicht nur aus CDU und CSU, sondern auch aus der SPD. Daher sei die klare Erwartung, dass Seehofer auch innerhalb der Koalition für die notwendige Abstimmung sorge.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) stellt sich hingegen klar hinter die Bundeskanzlerin. Auf NDR Info sagte Günther: "Wenn wir Asylbewerber an den Grenzen gleich wieder zurückschicken würden, würde das ja bedeuten, dass wir an allen Grenzen wieder Kontrollen aufwändig durchführen müssten. Ich halte das für keinen zielführenden Weg." Er warf der CSU vor, nur auf die Landtagswahlen im Herbst zu schielen.
Stattdessen solle weiter daran gearbeitet werden, künftig die EU-Außengrenzen besser zu schützen, sagte Günther. "Ich stehe da deutlich auf Merkels Seite." Günther kritisierte Seehofer und die CSU, nun unnötigerweise einen neuen Streit vom Zaun zu brechen. Es gebe einen Asylkompromiss zwischen CDU und CSU. "Zu diesem Kompromiss sollten wir jetzt auch wieder zurückkehren und nicht wieder neuen Streit miteinander beginnen."
Doch der Grenzstreit wird zunehmend nicht nur zwischen der CSU auf der einen und CDU und SPD auf der anderen Seite ausgetragen, auch innerhalb der Union brodelt es gewaltig. Das Unverständnis für die Haltung der Bundeskanzlerin wächst. Der Masterplan für Migration samt Zurückweisung an der Grenze sei notwendig, "um Asylshopping in Europa zu verhindern, geltendes EU-Recht nach der Dublin Verordnung anzuwenden und unseren Polizeibeamten den Rücken bei ihrer Arbeit zu stärken", sagte beispielsweise der CDU-Abgeordnete Mark Hauptmann der "Bild"-Zeitung und schoss so gegen die Kanzlerin.
Auch der CDU-Abgeordnete Marian Wendt sagte dem Blatt: "Wer als Flüchtling in einem anderen EU-Land bereits Asyl beantragt hat, kann hier nicht einreisen." Er mahnte "eine schnelle Einigung und die zügige Umsetzung des Masterplans" an.
CDU-Innenexperte Armin Schuster wundert sich gar über den Kurs der Kanzlerin. Gegenüber der "Bild" sagte er, es gebe keinen Streit in der Fraktion. "Wir sind uns seit Monaten einig, dass Dublin-Fälle an der deutschen Grenze konsequent zurückgewiesen werden müssen." Er wundere sich über diesen Dissens in der Regierung.
Fraktion will Streit diese Woche lösen
Der CSU-Parlamentarier Hans Michelbach kritisierte in der Zeitung den "schlimmen Verlust von Recht und Ordnung an den Grenzen". Die Zukunft Europas werde "auf dem Feld des Rechts und der Sicherheit" entschieden. "Wir müssen entscheiden wer zu uns kommt und nicht die Schlepper." Deshalb müsse die Zurückweisung nach dem geltenden europäischen Recht ein Teil eines Masterplans Migration sein. "Ich will, dass endlich die Rechtslage an den Grenzen umgesetzt und durchgesetzt wird."
Der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch sagte der Zeitung, die Fraktion fordere, dass der Dissens noch in dieser Sitzungswoche geklärt werde. "Wenn wir sehen, wie schwierig Abschiebungen sind, müssen wir zumindest diejenigen sofort zurückschicken, die uns austricksen wollen", sagte Willsch.
Auch CDU-Generalssekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer wünscht sich eine rasche Einigung: In der Fraktion sei deutlich geworden, dass sich dies alle wünschten, sagte sie in der ARD. Wenn es allerdings einen Tag länger dauere, um eine gute Lösung zu finden, sollte man sich diesen Tag nehmen.
Kein Platz für Landtagswahlkampf
Im Streit über die Abweisung von den Flüchtlingen an der deutschen Grenze, die bereits in anderen EU-Ländern registriert seien, sprach sich Kramp-Karrenbauer für einen Mittelweg aus. Es müsse eine Möglichkeit gefunden werden, mehr Kontrolle über die Zuwanderung zu bekommen, zugleich aber Europa zusammenzuhalten. Dazu suchten Merkel und Seehofer ein gemeinsames Verständnis. Ein funktionierendes Europa liege im deutschen Interesse.
In Richtung CSU-Spitze sagte sie zudem: "Da ist kein Platz, um zu sagen, es geht hier um persönliche Animositäten oder es geht um einen Landtagswahlkampf", unterstrich sie. Wenn auch in Europa um eine gemeinsame Flüchtlingspolitik gerungen werde, dann gehe es um "so etwas wie eine Schicksalsfrage", die darüber entscheide, ob Europa zusammengehalten werden könne.
- dpa
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