Debatte um Hartz IV Opposition nennt Spahn kaltherzig und abgehoben
Jens Spahns (CDU) Aussage, jeder habe mit Hartz IV, was er zum Leben brauche, hat harsche Kritik der Opposition ausgelöst. Die Linke fordert gar, ihn doch nicht zum Gesundheitsminister zu machen.
In der Debatte um Armut in Deutschland hat die Opposition scharfe Kritik am künftigen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geübt. Die Linke hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gar aufgefordert, Spahn anders als geplant nicht zum neuen Gesundheitsminister zu machen. Sie begründete dies mit Spahns Äußerung, mit Hartz IV habe "jeder das, was er zum Leben braucht".
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte, sagte: "Wer in diesen Zeiten derart kaltherzig und abgehoben über die Armen und Schwachen in dieser Gesellschaft redet, sollte von sich aus auf das Ministeramt verzichten." Selbstkritik und Einsicht sei bei Spahn aber nicht zu erwarten. Deshalb solle die Kanzlerin darauf verzichten, ihn zum Minister zu machen.
Wagenknecht spricht von Verhöhnung
Die Fraktionschefin der Linken, Sahra Wagenknecht, warf Spahn in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vor, die Bezieher von Hartz IV "mit arroganten Belehrungen zu verhöhnen". "Hartz IV mutet Eltern zu, ihre Kinder für 2,70 Euro am Tag zu ernähren." Wer meine, dass dies keine Armut sei, solle sich "vielleicht mal mit einer Mutter unterhalten, die unter solchen Bedingungen ihr Kind großziehen muss".
Dass immer mehr ältere Menschen, die in ihrem Leben hart gearbeitet hätten, und viele Alleinerziehende auf die Hilfe der Tafeln angewiesen seien, sei ein Armutszeugnis für Deutschland und ein Beleg dafür, dass der Sozialstaat nicht mehr funktioniere, sagte Wagenknecht.
FDP: Sozialstaat treffsicherer machen
Grünen-Chef Robert Habeck warf Spahn in der "Bild" vor, "überheblich" zu sein. "Kinder- und Altersarmut, Demütigungen und Existenzängste sind real – oft nicht trotz, sondern wegen Hartz IV." Deutschland benötige "mehr Würde und Anerkennung und ein Sozialsystem, das Teilhabe garantiert", sagte Habeck. FDP-Generalsekretärin Nicola Beer forderte in der "Bild", den Sozialstaat "treffsicherer zu machen", beispielsweise die Grundsicherung für Rentner "fairer zu gestalten".
Der designierte SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil sagte Reuters: "Unser Land braucht keine hartherzigen Statistikdebatten, sondern sozialen Zusammenhalt." Menschen, die am Existenzminimum lebten, bräuchten konkrete Lebenschancen. "Genau dafür werde ich sorgen: für einen Sozialstaat, auf den sich Menschen gerade auch in Zeiten des Wandels verlassen können." Auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hat Spahn widersprochen. "Es gibt einfach Bereiche, wo wir sehen: Trotz Hartz IV geht es den Menschen nicht gut und da wollen wir ran", sagte Klingbeil im ZDF-"Morgenmagazin". Dies spiegele sich auch im Koalitionsvertrag wider, in dem Maßnahmen gegen Kinder- und Altersarmut vereinbart worden seien.
"Niemand müsste in Deutschland hungern"
Kritik an Spahns Aussage kommt auch aus der CDU. Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbaurer sagte im ZDF-Morgenmagazin: "Ich warne immer etwas davor, wenn Menschen, die so wie er oder ich gut verdienen, versuchen zu erklären, wie man sich mit Hartz IV fühlen sollte." Die Menschen, die sie kenne, bezögen nicht freiwillig diese Grundsicherung. Im Koalitionsvertrag habe man vereinbart, etwa Eltern mit niedrigem Verdienst oder Langzeitarbeitslosen zu helfen, so Kramp-Karrenbaurer.
Spahn hatte die Debatte um den Aufnahmestopp für Ausländer an der Essener Tafel kritisiert. Die Tafeln würden Menschen helfen, die auf jeden Euro achten müssen, sagte Spahn den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Aber niemand müsste in Deutschland hungern, wenn es die Tafeln nicht gäbe." Die gesetzliche Grundsicherung werde mit großem Aufwand genau bemessen und regelmäßig angepasst. Hartz IV bedeute nicht Armut, sondern sei die Antwort der Solidargemeinschaft auf Armut. Deutschland habe "eines der besten Sozialsysteme der Welt". "Mehr wäre immer besser, aber wir dürfen nicht vergessen, dass andere über ihre Steuern diese Leistungen bezahlen."
- AFP, dpa