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Paradise Papers: Wie sich Staaten von Konzernen austricksen lassen


Paradise Papers
Wie sich Staaten von Konzernen austricksen lassen

t-online, Martin Küper

09.11.2017Lesedauer: 4 Min.
Neue Euro-Scheine: Deutschland verliert nach Schätzungen durch Steueroasen jedes Jahr 17 Milliarden Euro Steuereinnahmen.Vergrößern des Bildes
Neue Euro-Scheine: Deutschland verliert nach Schätzungen durch Steueroasen jedes Jahr 17 Milliarden Euro Steuereinnahmen. (Quelle: Bundesbank/dpa-bilder)
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13,4 Millionen geleakte Dokumente aus den Steueroasen der Welt: Die Paradise Papers decken auf, wie Konzerne und reiche Privatleute ihr Geld vor dem Staat verstecken. Oxfam-Steuerexperte Tobias Hauschild erklärt, wie die Steuervermeidung funktioniert.

Herr Hauschild, die meisten Steuertricks, von denen die Paradise Papers berichten, sind juristisch gesehen völlig legal. Wo ist also das Problem?

Tobias Hauschild: Konzerne transferieren ihre Gewinne von Hochsteuerländern in Niedrigsteuerländer, wo sie nur unzureichend oder gar nicht besteuert werden. Konzerne reden gerne von gesellschaftlicher Verantwortung – aber dazu gehört auch, einen fairen Beitrag zum Allgemeinwohl zu leisten. Firmen nehmen für ihre Geschäfte schließlich auch öffentliche Infrastrukturen in Anspruch, zum Beispiel ein gut ausgebautes Verkehrsnetz oder an Schulen und Universitäten ausgebildete Fachkräfte.

Haben diese Steuertricks mit der Globalisierung zugenommen?

Steueroasen gibt es schon lange. Aber im Zuge der Liberalisierung und Deregulierung haben sie für internationale Konzerne und reiche Privatleute noch einmal stark an Bedeutung gewonnen. Seit den 1980er- und 90er-Jahren galt der Grundsatz „Freie Fahrt fürs Kapital“. Der Staat sollte sich zurückziehen und möglichst wenig regulieren. Diese mangelnde Aufsicht hat sehr dazu beigetragen, die Finanzflüsse in Steueroasen zu befördern. Erst nach der Finanzkrise 2007 hat in der Politik langsam ein Umdenken eingesetzt.

Enthüllungen wie die Paradise Papers erwecken einen anderen Eindruck.

Es ist schon ein Fortschritt, dass sich die G20-Staaten überhaupt mit dem Thema Steuervermeidung beschäftigen. Auch die Aufweichung des Schweizer Bankgeheimnisses zeigt, dass sich in der Einstellung zu dem Thema etwas geändert hat. Die politisch Handelnden sehen inzwischen deutlicher, dass es Regulierung braucht, weil ansonsten den Staaten das Geld entzogen wird, das sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben brauchen.

Reicht das?

Es müsste natürlich viel schneller gehen, aber im Bankenbereich beispielsweise hat sich seit der Finanzkrise schon etwas getan. Die großen Banken müssen inzwischen offenlegen, in welchen Ländern sie welche Gewinne erzielen und welche Steuern sie darauf zahlen. Diese Transparenz ist wichtig, weil sie Bürgern, Journalisten, Wissenschaftlern und Nichtregierungsorganisationen die Möglichkeit gibt, Konzerne und Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen. Die EU-Kommission will diese öffentliche Berichterstattung nun auf alle Unternehmen ausweiten.

Wie steht die Bundesregierung dazu?

Bislang hat sie den Vorschlag blockiert. Vor allem der scheidende CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble hat stärkere Transparenz-Regeln auf europäischer Ebene verhindert.

Hat er nicht als Finanzminister ein Interesse daran, dass Konzerne Steuern zahlen?

Das fragen wir uns auch. Es kommt immer wieder das Argument, dass Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen nicht an die Öffentlichkeit kommen sollen. Aber das Beispiel der Banken zeigt, dass Transparenz nicht geschäftsschädigend ist und auf alle Sektoren ausgeweitet werden sollte. Das Recht der Öffentlichkeit zu erfahren, ob ein Konzern faire Steuern zahlt, wiegt höher.

Glauben Sie, dass sich die nächste Bundesregierung stärker engagieren wird?

Das hoffen wir. Die FDP hat sich schon dahin geäußert, dass Unternehmen ihren fairen Beitrag leisten müssen und die Grünen befürworten eine öffentliche länderbezogene Berichterstattung von Konzernen. Der öffentliche Druck steigt mit jedem Skandal und wird irgendwann so hoch sein, dass man zu Lösungen kommen muss.

Die Entwicklung könnte aber auch in Richtung eines Wettbewerbs um die niedrigsten Steuersätze gehen.

Das ist tatsächlich ein Problem, das wir mit Sorge betrachten. Wenn die Unternehmenssteuern sinken, wie es in den USA nach dem Willen der Trump-Regierung geschehen soll und in Großbritannien nach dem Brexit der Fall sein könnte, würde das den internationalen Steuerwettbewerb weiter anheizen. Dem werden wir nur Herr durch internationale Kooperation und Mindeststeuersätze. Denn wenn dieser Wettbewerb anhält, verlieren letztlich alle Staaten.

Glauben Sie, dass es gelingt, solche internationalen Regeln zu vereinbaren?

Das sind immer langjährige Prozesse. Aber ich gehe schon davon aus, dass sich die internationale Gemeinschaft irgendwann auf Mindeststeuersätze einigt. Sonst zahlen Unternehmen irgendwann gar keine Steuern mehr.

Lassen sich klassische Steuerparadiese wie die Bermudas oder die Cayman Islands von der Forderung nach internationalen Mindeststandards beeindrucken?

Um Steueroasen zu schließen, brauchen wir schwarze Listen. Länder, die auf diesen Listen stehen, müssen mit Gegenmaßnahmen rechnen, zum Beispiel in Form von Abgaben auf Geldflüsse in diese Länder. So wird dieses Geschäftsmodell unattraktiv.

Was ist mit Ländern wie Irland, Luxemburg oder den Niederlanden: Die haben zwar keine Mini-Steuersätze, sind aber trotzdem in den Fokus der EU-Kommission geraten.

Irland hat einen offiziellen Steuersatz von 12,5 Prozent, bietet Konzernen aber sehr viele Ausnahmeregelungen. So hat zum Beispiel Apple im Jahr 2013 Gewinne aus Europa, Afrika und Indien nach Irland transferiert und dort pro eine Million Euro Gewinn nur 50 Euro Steuern gezahlt. Bei den Niederlanden und Luxemburg ging es um Fiat und Starbucks. In allen drei Fällen hat die EU-Kommission eingegriffen und versucht, auf dem Weg des europäischen Wettbewerbsrechts tätig zu werden. Die Kommission ist da viel aktiver als früher – aber sie ist auch nur so stark, wie es die Mitgliedsländer zulassen.

Wie könnte es zumindest auf europäischer Ebene zu einer Einigung kommen?

Das Problem ist, dass Regelungen im Steuerbereich zumeist mit Einstimmigkeit getroffen werden müssen. Daran haben Länder wie Irland natürlich kein Interesse. Im Sinne einer funktionierenden EU, die auf echter Kooperation fußt, wird es auf Dauer nicht ohne eine gemeinsame Formel mit Indikatoren gehen, auf deren Grundlage das Steueraufkommen von Konzernen in Europa fair aufgeteilt wird.

Tobias Hauschild (42) ist Politikwissenschaftler und Referent für Entwicklungsfinanzierung bei Oxfam – einem internationalen Verbund von Nichtregierungsorganisationen, die sich für Entwicklungsländer einsetzen.

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