Flüchtlingspolitik ohne Abstimmung Länder rebellieren gegen Merkels Einreiseerlaubnis
Der Unmut der Bundesländer über die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung ist offenbar größer als gedacht, und zwar parteiübergreifend. "Die Länder sind völlig überrascht worden von der Einreiserlaubnis der Kanzlerin", sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Roger Lewentz. Der SPD-Politiker ist selbst Ressortchef in Rheinland-Pfalz.
Ärger bereitet nach Informationen der "Welt am Sonntag" vor allem, dass die großzügig erteilte Einreiseerlaubnis durch Angela Merkel (CDU) offenbar ohne jede Abstimmung erfolgte und die Länder jetzt mit den Folgen und der Organisation zu kämpfen haben. Mehrere Innenminister der Bundesländer hätten in vertraulichen Telefonkonferenzen bemängelt, sie seien "überrumpelt" worden.
Länder: "Wir sind am Limit"
Die Ressortchefs warnten demnach vor Chaos bei der Unterbringung der Flüchtlinge und vor Sicherheitsrisiken. "Wir hätten Zeit für Vorbereitungen gebraucht. Und wir hätten vorher davon wissen müssen", zitiert die "Welt am Sonntag", ohne Namen zu nennen. Die Länder seien "in großer Not, weil sie bei der Unterbringung von Flüchtlingen am Limit sind".
Ein anderer Landesinnenminister erklärte dem Blatt zufolge: "Die Länder befinden sich in einem Ausnahmezustand, der schnellstens beendet werden muss." Die Landesinnenminister hätten zudem in den Telefonkonferenzen mit Vertretern des Bundes gemahnt, dass "Sicherheitsfragen nicht ignoriert werden dürfen". Es bestünde die Gefahr, dass auch islamistische Gefährder einreisen und nicht registriert werden könnten.
Münchner OB widerspricht Ländern
Aus der Stadt und der Region, die derzeit mit Abstand am meisten Flüchtlinge vor allem aus Syrien empfangen müssen, kommt ebenfalls Kritik - nicht nur an der Bundeskanzlerin, sondern auch an den anderen Bundesländern. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kritisierte einmal mehr die mangelnde Unterstützung.
Außer nach Nordrhein-Westfalen seien am Samstag lediglich acht Busse mit insgesamt 400 Menschen in andere Länder gestartet. "Das ist einfach lächerlich", sagte Reiter.
München übernehme gerade eine nationale Aufgabe. Die Situation sei seit Tagen absehbar gewesen, widerspricht er den klagenden Innenministern. Dennoch habe sich nichts getan. Er sei "bitter enttäuscht, dass es nun auf eine Situation zuläuft, in der wir sagen müssen: Wir haben für ankommende Flüchtlinge keinen Platz mehr".
Landeshauptstadt überlastet
Er finde es seitens der anderen Bundesländer nach zehn Tagen "absolut dreist, zu sagen: Wir sind am Anschlag". Wer so spreche, solle sich in München ansehen, was "am Anschlag" bedeute.
Reiter und der Regierungspräsident von Oberbayern, Christoph Hillenbrand, wiederholten ihren Aufruf, München und die Region nicht alleinzulassen. Jeder Zug, der in einer anderen Kommune ankomme, sei eine Entlastung für München.
Bis in die Nacht zum Sonntag hinein kamen am Münchner Hauptbahnhof bis zu 13.000 Menschen ein. Die Landeshauptstadt von Bayern errichtet ständig neue Notlager, dennoch kann sie kaum noch alle Menschen unterbringen. Fieberhaft errichtete Zeltstädte und auch die Olympiahalle als Notlager reichen kaum noch aus.