Fall Edathy Staatsanwaltschaft Hannover prüft Verfahren gegen Friedrich
Die Staatsanwaltschaft Hannover prüft nach Angaben von Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den früheren Bundesinnen- und heutigen Agrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) im Zusammenhang mit dem Fall Sebastian Edathy. Möglicherweise könne ein Fall von Geheimnisverrat vorliegen.
Eine Entscheidung über die strafrechtliche Einordnung sei aber Sache der Staatsanwaltschaft, so die Justizministerin.
Auch die Berliner Staatsanwaltschaft hat Vorermittlungen wegen möglicher illegaler Informationsweitergabe aus der Bundesregierung eingeleitet. "Wir sind zuständig für möglichen Geheimnisverrat im Bereich des Bundesinnenministeriums", erläuterte Sprecher Martin Steltner.
Friedrich hatte bereits vor Monaten den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel darüber informiert, dass der Name des damaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy im Rahmen von Ermittlungen im Ausland aufgetaucht war.
Die Staatsanwaltschaft in Berlin prüft nun, ob der Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt. Damit wurden Berichte des "Tagesspiegels" und von "Spiegel Online" bestätigt. Das Vorgehen stehe in engem Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren in Hannover, sagte Sprecher Steltner. Die dortige Anklagebehörde führt ein Ermittlungsverfahren gegen Edathy. Die Berliner Behörde will ihr weiteres Vorgehen mit ihren dortigen Kollegen abstimmen.
Alle LKA wussten Bescheid
Alle 16 Landeskriminalämter wissen einem Zeitungsbericht zufolge seit vergangenem Oktober von Ermittlungen gegen Edathy. Wie die "Leipziger Volkszeitung" unter Berufung auf Regierungs- und Ermittlungskreise in Berlin berichtet, wurden die Hinweise zum Fall Edathy "im gleichen Umfang" vom Bundeskriminalamt an das Bundesinnenministerium und die Landeskriminalämter übermittelt. Insofern sei die potenzielle Bandbreite undichter Quellen und möglicher frühzeitiger Informationsweitergaben an Edathy "relativ breit".
Auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) ist bereits Ende Oktober 2013 informiert worden. Pistorius habe diese Information von Göttingens Polizeipräsidenten Robert Kruse bekommen, sagte ein Sprecher des Ministers zu einem Bericht der "Neuen Presse".
"Das grenzt an Strafvereitlung"
Die Weitergabe von Informationen an die SPD-Spitze stößt bei den zuständigen Ermittlern auf heftige Kritik. "Das grenzt an Strafvereitelung", sagte ein Vertreter der Ermittlungsbehörden in Hannover.
Dass der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) SPD-Chef Sigmar Gabriel im Oktober 2013 über den Verdacht im Zusammenhang mit Kinderpornografie gegen Edathy informiert hat, habe die Ermittlungen wohl erheblich behindert. "Wir sind in eine Situation gekommen, in der die Durchsuchungen nicht mehr gegriffen haben", sagte der Vertreter der Ermittlungsbehörden.
Friedrich hätte Info wohl nicht weitergeben dürfen
Friedrich verteidigt die Weitergabe. Dem Minister sei Ende Oktober von seinem Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche zugetragen worden, dass Edathy bei internationalen Ermittlungen auf einer Namensliste aufgetaucht sei, sagte Friedrichs früherer Sprecher im Innenressort, Jens Teschke.
Dieser Hinweis sei vom Bundeskriminalamt gekommen. Friedrich habe aber nicht erfahren, um welche Art von Verdacht es sich gegen Edathy handele. Der Minister habe nachgehakt, ob es strafrechtliche Vorwürfe gegen den SPD-Politiker gebe. Fritsche habe das verneint.
Für den Staatsrechtler Fabian Wittreck ist das aber keine Entschuldigung. Im Gespräch mit T-online.de sagte er, Friedrich hätte die Informationen nicht herausgeben dürfen. "Ich sehe keinen rechtfertigenden Grund dafür".
Welche Rolle spielte der BKA-Chef
Nach Informationen der "Bild"-Zeitung aus Sicherheitskreisen wurde der Fall Edathy im Oktober bei einem Treffen des Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, mit dem damaligen Staatssekretär Fritsche im Bundesinnenministerium vertraulich erörtert.
Ziercke habe Fritsche "über einen begründeten Anfangsverdacht wegen des Besitzes von kinderpornografischen Schriften" gegen Edathy informiert. Friedrich habe den Fall danach am Rande der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD mit Gabriel besprochen.
Oppermann spricht von Telefonat
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann hatte in einer Erklärung mitgeteilt, dass Gabriel im Oktober 2013 vom damaligen Innenminister Friedrich informiert worden war. Danach habe Gabriel den damaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier sowie Oppermann informiert, der zu dem Zeitpunkt 1. Parlamentarischer Geschäftsführer war.
"Ich habe mir diese Informationen im Oktober 2013 in einem Telefonat von BKA-Präsident Jörg Ziercke bestätigen lassen", so Oppermann. Gabriel, Steinmeier und er hätten sich darüber verständigt, die Informationen vertraulich zu behandeln, um mögliche Ermittlungen nicht zu gefährden. "Nach ihrer Wahl habe ich im Dezember 2013 Christine Lambrecht als meine Nachfolgerin als 1. Parlamentarische Geschäftsführerin informiert", so Oppermann.
"Ich habe mit Sebastian Edathy in dieser Angelegenheit bis zu seinem Rücktritt keinen Kontakt gehabt. Nach seinem Rücktritt habe ich Sebastian Edathy eine SMS mit guten Wünschen für seine weitere Zukunft geschickt. Weiteren Kontakt hatte ich mit ihm nicht", heißt es in Oppermanns Erklärung.
Ziercke weist Angaben zurück
Der Präsident des BKA, Jörg Ziercke, hat Angaben von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann im Fall Edathy zurückgewiesen. Er habe sich in einem Telefonat im Oktober 2013 Oppermanns Ausführungen angehört, dass bei Ermittlungen im Ausland der Name Sebastian Edathy aufgetaucht sei, aber keine Informationen zum Sachverhalt mitgeteilt, teilte Zierke mit.
Bei der Durchsuchung von Wohnungen und Büros von Edathy stellten Ermittler laut übereinstimmenden Medienberichten und Informationen auch der Nachrichtenagentur dpa fest, dass bei Computern Festplatten manipuliert oder gelöscht wurden. Ein Ermittler sagte der "Bild": "Das stinkt zum Himmel, er hat sich generalstabsmäßig auf die Durchsuchungen vorbereitet." Nach Angaben von NDR und "Süddeutscher Zeitung" waren bis auf einen intakten Computer alle anderen Rechner entfernt worden. Auch seien Reste zerstörter Festplatten gefunden worden.
Merkel wusste von nichts
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war nach Angaben der Bundesregierung nicht frühzeitig in Informationen zum Fall Edathy eingeweiht. Die Kanzlerin habe am vergangenen Dienstag durch Berichterstattung der Medien von Ermittlungen gegen Edathy erfahren, sagte ein Regierungssprecher.
Edathy kritisiert Staatsanwaltschaft
Am Montag und Mittwoch waren Wohnungen und Büros Edathys in Niedersachsen und Berlin durchsucht worden. Er hatte daraufhin die Staatsanwaltschaft heftig kritisiert und den Verdacht auf Besitz von Kinderpornografie zurückgewiesen. "Nach mir vorliegenden Informationen wirft mir die Staatsanwaltschaft ausdrücklich kein strafbares Verhalten vor", sagte Edathy "Spiegel Online". "Die Durchsuchungen waren nicht nur unverhältnismäßig, sondern stehen im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen. Ich hoffe, dass die Staatsanwaltschaft demnächst einräumt, dass die Vorwürfe gegenstandslos sind", sagte der SPD-Innenpolitiker.
Die Staatsanwaltschaft Hannover wies daraufhin die Kritik Edathys zurück. "Wir haben hier ein rechtsstaatliches Verfahren, das sich nicht von Verfahren gegen andere Beschuldigte unterscheidet", sagte Sprecherin Söfker. "Wenn Herr Edathy meint, dass nicht rechtmäßig gegen ihn vorgegangen wurde, dann kann er dagegen das Rechtsmittel der Beschwerde einlegen."
Bereits auf Facebook hatte Edathy zuvor erklärt: "Die öffentliche Behauptung, ich befände mich im Besitz kinderpornografischer Schriften bzw. hätte mir diese verschafft, ist unwahr."
Der 44 Jahre alte SPD-Politiker hatte am Wochenende seinen Rückzug aus dem Bundestag bekanntgegeben und gesundheitliche Gründe für diesen Schritt genannt. Wo sich Edathy derzeit aufhält, ist unklar. Unbestätigten Berichten zufolge soll er in Dänemark sein.
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