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"Das beste Deutschland, das wir je hatten"


Wie sehr braucht uns die Welt?
"Das beste Deutschland, das wir je hatten"

t-online, Von Christian Kreutzer, München

Aktualisiert am 31.01.2014Lesedauer: 4 Min.
Aufbruchstimmung: Die Bundeswehr steht vor einigen neuen Aufgaben.Vergrößern des Bildes
Aufbruchstimmung: Die Bundeswehr steht vor einigen neuen Aufgaben. (Quelle: Reuters-bilder)
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Keiner legt sich so ins Zeug wie Bundespräsident Joachim Gauck: "Dies ist ein gutes Deutschland", ruft er dem Publikum zu. "Das beste Deutschland, das wir je hatten."

Fast beschwörend wendet sich das deutsche Staatsoberhaupt bei der Eröffnung der 50. Münchner Sicherheitskonferenz an seine Zuhörer. Er fordert Vertrauen in die deutschen Fähigkeiten - und ein Ende der deutschen Zurückhaltung aus Prinzip.

Die Zuhörer sitzen im Plenum: 400 Regierungschefs, Minister und Generäle. Das wahre Publikum, das Gauck anspricht, sitzt jedoch draußen im Land: 80 Millionen Deutsche, die der Pastor vom Schloss Bellevue ermutigen will, den Isolationismus in den Köpfen aufzugeben

"Gleichgültigkeit ist nie eine Option"

Nach über 60 Jahren Frieden, Freiheit, Wohlstand, Menschenrechten und einträglichem Handel sollten die Deutschen einsehen, dass das alles nicht umsonst zu haben ist. Dass Deutschland von der Globalisierung profitiere wie nur wenige andere Länder.

Deshalb, so Gauck, müssten sie bitte auch verstehen, dass die vornehme Zurückhaltung, wenn Partner losziehen, um Konflikte in Afrika oder dem Nahen Osten lösen zu helfen, ein Privileg ist, dass sich die ansonsten so kluge und maßvolle Handelsrepublik Deutschland nicht mehr leisten kann.

Zwei Stunden nach ihm fordert die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die Kräfte Europas stärker zu bündeln, um einen "angemessenen Anteil der transatlantischen Lasten" zu tragen. So solle man die Nato, aber auch die europäischen Verteidigungskräfte stärken.

Sie erinnert an den Gründer der Sicherheitskonferenz, den früheren Widerstandskämpfer gegen die NS-Diktatur, Ewald-Heinrich von Kleist-Schmenzin, der im vergangenen Jahr gestorben ist: Abwarten sei keine Option, schon gar nicht, wenn man Gewalt an Wehrlosen abwehren wolle, ruft die Verteidigungsministerin. "Gleichgültigkeit ist nie eine Option, weder aus diplomatischer noch aus humanitärer Sicht." Bei all dem will von der Leyen als erstes den deutschen Beitrag stärken - zunächst in Mali und der Zentralafrikanischen Republik.

Gauck, von der Leyen und Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der in etwas leiseren Tönen eine stärkere Rolle Deutschlands in der Welt fordert, haben es schwer: Gerade ist eine Umfrage von ARD-Deutschlandtrend erschienen. Demnach denken rund 75 Prozent der Deutschen, das Land engagiere sich ausreichend, beziehungsweise viel zu sehr im Ausland.

"Ausbildung, Lufttransport - das ist der Rahmen"

Gleichzeitig - auch das enthüllt die Umfrage - können die Deutschen den Unmut der französischen und amerikanischen Partner verstehen, die Truppen in alle Welt schicken, während Deutschland meistens nur vornehm Gelder spendet oder bestenfalls Ausbilder oder Tankflugzeuge zur Verfügung stellt.

Wenn überhaupt: Als es um die Befreiung Libyens von Diktator Muamar al-Gaddafi ging, hat der frühere Außenminister Guido Westerwelle selbst die Besatzungen aus alliierten Awacs-Flugzeugen abziehen lassen, um nur ja nicht dabei zu sein.

Schon vor Tagen hat von der Leyen angekündigt, die Militärausbilder in Mali eventuell von 180 auf 250 aufzustocken. Eigentlich eine Kleinigkeit, hätte sie nicht gleichzeitig gesagt, dass das der Anfang eines stärkeren Engagement Deutschlands sein solle.

Die Folge: Ein Aufschrei, gegossen in die ARD-Umfrage. Noch sitzt den Deutschen das Afghanistan-Engagement im Nacken, das Frieden bringen sollte, und dann im Krieg gegen die Taliban untergegangen ist. Seitdem wird die Diskussion offenbar wieder von der Frage beherrscht: "Was gehen uns die da unten an?"

Zudem hat der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus gerade berichtet, dass sich viele in der Bundeswehr nicht wohlfühlen, dass es etliche ungelöste Fragen gibt.

"Die Franzosen tun das alles auch für uns"

Dabei ist von Kampftruppen, noch dazu in einem Ausmaß wie Frankreich, das über 1000 Mann auf die gefährlichen Wüstenpisten Malis und noch einmal so viele in die anarchische Zentralafrikanische Republik geschickt hat, gar keine Rede: "Ausbildung, Lufttransport - das ist der Rahmen", sagt auch CDU-Verteidigungspolitiker Karl Lamers zu t-online.de.

Warum also riskieren von der Leyen und Steinmeier diesen Streit? "Neu ist, dass man sich überhaupt diese Debatte gönnt", sagt Christian Mölling von der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. "Man hat gemerkt, dass es so nicht weitergehen kann."

Bei von der Leyens Vorstoß gehe es vor allem darum, das zu tun, was von der Politik immer verlangt wird: Erst mal eine Debatte zu starten, ohne gleich im großen Stil zu handeln. Die Deutschen abzuholen, in der Hoffnung, dass sie einsehen, worum es dabei wirklich geht: Um die Zukunft des Wohlstandes, um die Erhaltung einer friedlichen Umwelt, deren Konflikte das Land nicht irgendwann unversehens einholen könnten.

"Ich kann auch sagen: Ich will meine Miete am Ende des Monats nicht zahlen", warnt Mölling. "Ich weiß aber, was dann passiert: Ich fliege aus der Wohnung."

Genauso sei es mit der Außenpolitik der Handelsmacht Deutschland: Afrika und der Nahe Osten seien in Wahrheit nicht weit weg, sie lägen genau vor der Haustür. "In unserem Nachbarland Frankreich liegen sie nicht einmal vor der Tür, sondern mittendrin." Dort, wo sich die Nachfahren aller einst von Frankreich kolonisierten Völker tummelten, werde jedes Problem ganz schnell aktuell, sagt Mölling. Die Stabilisierung Afrikas sei somit im ureigensten Interesse Europas.

"Die Franzosen tun das alles auch für uns. Deshalb brauchen sie auch unsere Unterstützung", ist der Analyst überzeugt.

Für Merkel gibt es nur eine rote Linie

Und es geht nicht nur um Hilfe für den Partner Frankreich: Auch die USA - ehemals Garant für die westliche Präsenz auf allen Krisenschauplätzen - sind überlastet. Sie hängen strategisch im Nahen Osten fest und versuchen gleichzeitig, der wachsenden chinesischen Herausforderung in der Pazifik-Region zu begegnen. Großbritannien auf der anderen Seite ertrinkt in Schulden und kann kaum noch Einsätze unterstützen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hält sich bislang zurück und lässt das schwarz-rote Duo aus Außenminister und Verteidigungsministerin gewähren. Ihre einzige rote Linie: keine Kampftruppen.

Laut Mölling reichen die Pläne der zwei Minister keinesfalls weit genug. Sie seien aber immerhin ein Anfang, wenn Deutschland weiter mit an den Verhandlungstischen sitzen wolle, an denen später auch die Geschäfte gemacht würden.

Für Deutschland sei das eigentlich ein Leichtes: Entgegen des schwachen Bildes, das die Bundeswehr von sich selbst zeichnet, sei sie eine der am besten ausgerüsteten und mobilsten Armeen der Welt.

Nils Annen, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion ist jedenfalls froh über Gaucks "Rede zum richtigen Zeitpunkt". Auch er fordert, die Deutschen auf diesem neuen Weg mitzunehmen. Es dürfe keine Kraftmeierei geben, keine Einsätze ohne Plan und Ziel.

"Aber, wir müssen Verständnis dafür wecken, dass wir von einer florierenden Weltwirtschaft profitieren", sagt er im Gespräch mit t-online.de, "und dass unser Wohlstand keine Selbstverständlichkeit ist."

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