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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Video-Kommentar zum Koalitionsvertrag Das ist ein schwerer Fehler
Union und SPD feiern ihre Einigung als politischen Neustart. Doch reicht der Vertrag für echte Veränderungen – oder bleibt es beim Minimalkompromiss? Florian Schmidt geht mit der neuen Koalition hart ins Gericht.
Auf 146 Seiten skizzieren Union und SPD ihre Pläne für die kommende Legislatur – ein "Neustart", der viele große Ankündigungen enthält, aber wenig konkrete Substanz bietet, findet Florian Schmidt, der Leiter des t-online-Hauptstadtbüros.
Denn die entscheidenden Reformen bleiben aus. Warum dieser Deal Deutschland kaum voranbringt, erklärt er im Videokommentar.
Was der Koalitionsvertrag für Deutschland bedeutet – und welches Milliardenversprechen jetzt zum Hoffnungsträger wird, sehen Sie hier oben im Video.
Das Transkript des Videokommentars:
Der Koalitionsvertrag steht. Auf insgesamt 146 Seiten halten CDU, CSU und SPD fest, was sie für einen Politikwechsel, einen Neustart für Deutschland halten. Doch ist es das tatsächlich?
Nicht wirklich. Dieser Koalitionsvertrag ist maximal eine Art Politikwechsel, ein Neustart light, jedoch kaum ein großer Wurf. Das liegt vor allem daran, dass sich die Unionsparteien an vielen entscheidenden Stellen kaum gegen die deutlich schwächere SPD haben durchsetzen können.
Deutlich wird das exemplarisch an zwei Themenfeldern: der Migrationspolitik und der Wirtschaftspolitik. Hier waren die Ankündigungen, die Versprechen von Bald-Kanzler Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder besonders groß. Hier war auch die Kritik an der Ampelregierung besonders scharf. Herausgekommen ist in beiden Bereichen nämlich nicht mehr als ein recht schwacher Kompromiss, eine Einigung zwischen zwei, genaugenommen drei Parteien, die sehr unterschiedliches vorhaben.
Beispiel Migration. Zwar ist es richtig, den Familiennachzug einzuschränken. Ebenso wichtig ist das Signal, zukünftig im größeren Stile nach Afghanistan und Syrien abzuschieben. Der Knackpunkt bleibt allerdings die Zurückweisung an Deutschlands Außengrenzen. Die soll es zwar geben, auch von Asylbewerbern. Jedoch, und das steht ganz deutlich im Koalitionsvertrag, nur in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn. Und die werden das kaum wollen.
Ähnlich dünn bleibt der Koalitionsvertrag in der Wirtschaftspolitik. Gut ist zwar, dass Firmen Investitionen für Anlagen künftig im größeren Umfang abschreiben dürfen. Das schafft tatsächlich Anreize fürs Geldausgeben in den Unternehmen. Unverständlich, fast fatal ist allerdings, dass derweil eine Absenkung der Körperschaftsteuer bis zum Jahr 2028 auf sich warten lassen soll. Genau diesen Steueranreiz aber bräuchte es umso dringender, um die schwache Konjunktur wieder zu beleben.
Wenig entgegenzusetzen haben Union und SPD außerdem dem Anstieg der Sozialbeiträge. Hier ist es abermals die SPD, die sich durchgesetzt und eine Fixierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent bis Anfang der 2030er Jahre festgeschrieben hat. Ein schwerer Fehler, der besonders die Jungen teuer zu stehen kommen dürfte. Denn sie werden künftig das Umlagesystem der gesetzlichen Rente durch deutlich höhere Rentenbeiträge bezahlen müssen.
Der so nötige große Impuls für die Konjunktur geht von diesem Koalitionsvertrag kaum aus. Dass Deutschland die Rezession hinter sich lassen kann, ist kaum zu erwarten. Positiv am Vertragswerk bleibt derweil nur eines: das Bekenntnis zu einer Stärkung der Bundeswehr sowie das Milliardenpaket zur Modernisierung des Landes und der Infrastruktur. Dieses viele Geld muss Schwarz-Rot nun schnellstmöglich auf die Straße bringen.
- Eigene Überlegungen