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Finanzministerium hält neue Gespräche zum Haushalt für nötig


Bedenken im Finanzministerium
Ampel muss Haushalt grundlegend nachverhandeln

Von t-online, dpa, afp, fls

Aktualisiert am 01.08.2024Lesedauer: 3 Min.
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Christian Lindner (FDP): Das Finanzministerium sieht weiteren Gesprächsbedarf beim Bundeshaushalt. (Quelle: Michael Kappeler/dpa)
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Rückschlag für die Ampel: Das FDP-geführte Finanzministerium hält Nachverhandlungen zum Haushalt für nötig. Grund sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit einzelner Haushaltsmaßnahmen.

Die Ampel-Koalition muss ihren mühsam erreichten Kompromiss zum Bundeshaushalt 2025 möglicherweise grundlegend nachverhandeln. Zwei wissenschaftliche Bewertungen zu geplanten Vorhaben hätten ergeben, dass "weitere Gespräche innerhalb der Bundesregierung sowie im Rahmen der parlamentarischen Beratungen notwendig" seien, hieß es im Bundesfinanzministerium. (t-online berichtete, mehr dazu lesen Sie hier.)

Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte die Prüfung in Auftrag gegebenen, weil es Zweifel gab, ob einzelne Vorhaben im Bundeshaushalt verfassungsrechtlich und wirtschaftlich tragbar sind. Durch diese Maßnahmen sollte die auch nach den Verhandlungen der Ampel-Spitzen bestehende Finanzierungslücke von 17 Milliarden Euro um die Hälfte reduziert werden. Sonst, so hatte Lindner gewarnt, drohten Sperren im Haushaltsvollzug.

Lindner-Ministerium: Sparen bei Sozialausgaben?

Die Gutachten ergaben jedoch Zweifel an den Vorhaben, die auf Ideen aus dem Kanzleramt zurückgehen und die mancher Beobachter auch als Haushaltstricks kritisierte. Aus Sicht des Finanzministeriums muss nun erneut über Sparmaßnahmen verhandelt werden. "Auch Maßnahmen zur Stärkung der Treffsicherheit der Sozialausgaben, über die bislang keine politische Einigung erzielt werden konnte, könnten den Handlungsbedarf reduzieren", erfuhr t-online aus Ministeriumskreisen.

Die Haushaltsverhandler Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten sich eigentlich drei Maßnahmen überlegt, die zusammen acht Milliarden Euro bringen sollten. Dabei ging es um Darlehen an die Bahn und die Autobahngesellschaft sowie bei der Förderbank KfW liegende Milliarden aus der Zeit der Gaspreisbremse. Weil man sich während der Verhandlungen allerdings bereits unsicher war, wurden die Pläne verfassungsrechtlich und wirtschaftlich noch einmal geprüft.

Beirat äußert "erhebliche Zweifel"

Der wissenschaftliche Beirat, unabhängige Berater des Bundesfinanzministeriums, und auch ein Rechtsgutachten warnen nun vor einem Verfassungsbruch. "Der Beirat äußert vor dem
Hintergrund der Schuldenbremse an allen drei genannten Maßnahmen erhebliche Zweifel", schreibt der Beirats-Vorsitzende in einem Brief, über den zuerst das "Handelsblatt" berichtete.

Milliarden aus der Gaspreisbremse

Die Nutzung der ursprünglich für die Gaspreisbremse vorgesehenen, aber nicht benötigten rund fünf Milliarden Euro der KfW galt bereits vor dem Gutachten als riskanteste Manöver. Diese Idee weckt Erinnerungen an die im vergangenen Winter vom Bundesverfassungsgericht gekippte Umwidmung von Corona-Krediten im Klima- und Transformationsfonds.

Nun sieht der wissenschaftliche Beirat "erhebliche verfassungsrechtliche Risiken, da aus Notlagenkrediten stammende Mittel für den Bundeshaushalt genutzt werden". Das widerspreche nicht nur der Schuldenbremse im Grundgesetz, der Gesetzgeber habe eine Nutzung für andere Zwecke auch explizit ausgeschlossen».

Auch das Rechtsgutachten des Bielefelder Professors Johannes Hellermann sieht erhebliche verfassungsrechtliche Risiken. Die Mittel sollten nicht zum Stopfen der Finanzierungslücke genutzt werden, sondern lediglich zur Schuldentilgung eingesetzt werden.

Darlehen an Bahn und Autobahngesellschaft

Bei zwei weiteren Vorhaben sind die Bewertungen weniger eindeutig. Aus Sicht des Beirats könnte es Probleme geben, falls statt der geplanten Zuschüsse an die Bahn und die Autobahngesellschaft Darlehen vergeben werden. Unter Umständen etwa könnten Darlehen an die Autobahngesellschaft demnach gar nicht als sogenannte finanzielle Transaktion gewertet werden – sie müssten also doch auf die Schuldenbremse angerechnet werden.

Das würde der Bundesregierung dann keinen neuen finanziellen Spielraum bringen. Auch Darlehen an die Deutsche Bahn könnten kritisch sein – allerdings weniger aus juristischen Gründen, sondern mit Blick auf die hohe Verschuldung des Staatskonzerns.

Hellermann hält eine Darlehensvergabe an die Deutsche Bahn für verfassungsrechtlich zulässig. Ein Darlehen zur Finanzierung von Investitionen der Autobahn GmbH würde demnach nur dann nützen, wenn die Rückzahlung mit Sicherheit erwartet werden
kann. Weil die Autobahn GmbH aktuell aber keine eigenen Einnahmen hat, sei dies fragwürdig – oder würde politische Weichenstellungen erfordern. Das Finanzministerium hält diese rechtzeitig vor Verabschiedung des Etats 2025 nicht für möglich.

Notlage wieder auf dem Tisch?

In den Etatplänen für das kommende Jahr klafft damit weiterhin eine riesige Finanzierungslücke. Gut neun Milliarden hofft die Ampel allein dadurch auszugleichen, dass die Ministerien am Ende eines Jahres nie alle ihnen zustehenden Mittel auch tatsächlich abrufen. Das ist üblich, denn auch in den vergangenen Jahren blieben regelmäßig Milliardenbeträge übrig. Doch ein Loch von 17 Milliarden so zu stopfen, scheint unrealistisch. So hatte Lindner im "Handelsblatt" bereits angekündigt, keinen Haushalt mit einem solchen Loch beschließen zu lassen.

Der Finanzminister hatte von Beginn an Bedenken an den Vorhaben geäußert und die Vorschläge dem SPD-geführten Kanzleramt zugeschrieben. Sie galten ohnehin nur als Notlösung, weil die Ampel-Parteien keine gemeinsame Haltung zur Aufnahme neuer Schulden fanden.

Vor allem die SPD hatte sich dafür eingesetzt, wegen des Ukraine-Kriegs eine außergewöhnliche Notlage zu erklären und Lücken im Haushalt durch dann erlaubte neue Kredite zu schließen. Diese Forderung könnte nun erneut auf den Tisch kommen – auch wenn das Lindner-Ministerium versucht, die Debatte im Kern zu ersticken. Die Option, die Schuldenbremse durch Erklärung einer Notlage auszusetzen, gebe es "verfassungsrechtlich und ökonomisch nicht", wurde in Kreisen des Finanzministeriums sofort betont.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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