Bundestagswahl Druck auf Ampel wächst nach Berliner Wahlwiederholung
Eigentlich hat die teilweise Wiederholung der Bundestagswahl keine große Aussagekraft. Verluste von SPD und FDP und das AfD-Ergebnis reichen aber, um Parteien nervös zu machen.
Verluste für die Ampel-Parteien SPD und FDP, Zugewinne für CDU und AfD: Die teilweise Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin erhöht den Druck auf die Koalition, ihrem auch in Umfragen dokumentierten Abwärtstrend etwas entgegenzusetzen.
Zwar haben die Ergebnisse vom Sonntag begrenzte Aussagekraft: Schließlich wurde nach der Pannenwahl 2021 nur in rund einem Fünftel der Berliner Wahlbezirke neu abgestimmt, weit weniger als ein Prozent der in Deutschland Wahlberechtigten stimmten ab. Doch die Wahlwiederholung bildet den Auftakt fürs wichtige Wahljahr 2024 - und die Parteien sehen darin durchaus einen Fingerzeig.
Bis zur Europawahl am 9. Juni und den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September bleibt wenig Zeit. Und so mahnte FDP-Vize Wolfgang Kubicki nach dem "bitteren Ergebnis" seiner Partei zur Kurskorrektur. Berlins SPD-Chefin Franziska Giffey forderte, dass ihre Partei in der Bundesregierung "die Unzufriedenheiten, die in der Bevölkerung da sind", stärker aufgreifen müsse. Der CDU-Landeschef und Regierende Bürgermeister Kai Wegner wertete das Ergebnis als Stoppsignal für die Ampel.
Teilwahl brachte einige Verschiebungen
Das bundesweite Gesamtergebnis von 2021 änderte sich durch die Teilwiederholung nur minimal: FDP (11,4 Prozent) und Grüne (14,7 Prozent) verloren jeweils 0,1 Prozentpunkte. CDU (19,0 Prozent) und AfD (10,4 Prozent) erhielten jeweils 0,1 Punkte mehr. Für SPD (25,7 Prozent) und Linke (4,9 Prozent) blieb alles beim Alten.
Etwas deutlicher waren die Verschiebungen nach dem neuen Berliner Landes-Ergebnis (wiederholte Stimmabgaben zusammen mit jenen Ergebnissen von 2021, die ihre Gültigkeit behielten): Die SPD blieb stärkste Partei mit 22,2 Prozent (-1,2 Prozentpunkte), ganz knapp vor den Grünen mit 22,0 Prozent (-0,3). Die CDU verbesserte sich auf 17,2 Prozent (+1,3). Die AfD kletterte auf 9,4 Prozent (+1,0), die FDP sank auf 8,1 Prozent (-0,9). Die Linke hielt mit 11,5 Prozent ihr Ergebnis (+0,1).
Ein Ergebnis allein der Wahlbezirke, in denen nochmals gewählt wurde, hat der Wahlleiter nicht veröffentlicht. Einige Medien stellten eigene Berechnungen an: Laut "Tagesspiegel" ergibt sich daraus, das SPD und FDP im Vergleich zu 2021 noch stärker verloren, Grüne und Linke leicht, CDU und AfD stark zulegen konnten.
Grüne halten sich
Und welche Erkenntnisse brachte die Berliner "Mini-Bundestagswahl", wie Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sie augenzwinkernd nannte? Zunächst: Ampel ist nicht gleich Ampel. Während die Kanzlerpartei SPD und die FDP deutlich einbüßten, zeigten sich die Grünen - anders als bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern im vergangenen Jahr - stabiler. Die bunte Metropole Berlin ist offensichtlich für die Öko-Partei auch in schwierigen Zeiten ein gutes Pflaster. Möglicherweise haben auch die großen Protestkundgebungen gegen Rechtsextremismus, die sich teils auch gegen die AfD richteten, auf das Konto der Grünen eingezahlt.
FDP muss was tun
Anders sieht es bei der FDP aus, die sogar ein Mandat im Bundestag verlor. "Für die FDP muss klar sein, dass nur eine mutigere und fortschrittlichere Wirtschafts-, Energie- und Migrationspolitik zum Erfolg führen wird", sagte Kubicki der Deutschen Presse-Agentur. Viel spricht dafür, dass die FDP jetzt noch weniger Lust auf Kompromisse hat als zuvor.
Tatsächlich erwartet der Berliner Politikwissenschaftler Thorsten Faas Korrekturen in der Arbeit der Ampel. Aus dem Wahlergebnis ergebe sich die Frage: "Wie kann man Vertrauen wiederherstellen? Dafür muss der schmale Grat gefunden werden zwischen Profilierung der eigenen Partei, aber eben auch einer geschlossenen Koalition - gerade auch im Auftreten."
Opposition ist zufrieden
Die CDU sieht sich dagegen auf Kurs. Sie rief die Wähler auf ihren Plakaten auf, ein Stoppsignal für die Ampel zu setzen - und interpretiert ihren Zuwachs, der sich zuletzt auch in bundesweiten Umfragen zeigte, nun entsprechend. "Die Menschen wollen, dass sich etwas ändert", sagte Regierungschef Wegner der dpa. "Sie erwarten, dass der Kanzler endlich sagt, wie er dieses Land aus der Krise führen will."
Für die AfD verlief der Wahltag zufriedenstellend, wenn auch der große Durchbruch ausblieb. Sie muss in Berlin weiterhin kleinere Brötchen backen als in ostdeutschen Flächenländern. Einige Resultate lassen aber aufhorchen. So wurde die AfD laut Berechnungen von Medien im östlichen Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf in den von der Wiederholung betroffenen Stimmbezirken mit 33,1 Prozent stärkste Partei. Allerdings wurde hier nur in sechs Prozent der Stimmbezirke neu gewählt, beim Gesamtergebnis liegt weiter die SPD vorn.
Bei der Interpretation der Stimmengewinne für die AfD riet Faas zur Vorsicht. Seit der Ursprungswahl 2021 sei viel passiert: der Ukraine-Krieg, der Krieg im Nahen Osten, das Gebäudeenergiegesetz, die Demonstrationen nach der Correctiv-Recherche zu einem Treffen radikaler Rechter mit AfD-Politikern, erläuterte der Parteienforscher. "Man kann da nicht einzelne Dinge rausgreifen und auf deren Effekt schließen."
Weniger Abgeordnete aus Berlin
Obwohl sich die Machtverhältnisse im Bundestag insgesamt nicht verändern, hat die Wahl doch Auswirkungen. So hat Berlin wegen geringer Wahlbeteiligung am Sonntag nur noch 25 statt bisher 29 Abgeordnete im Bundestag. Je ein Mandat von SPD, Grünen und Linken geht an andere Landesverbände dieser Parteien, ein Mandat der FDP entfällt ersatzlos. Damit gehören dem Bundestag künftig noch 735 Abgeordnete an, darunter nur noch 91 der FDP.
- Nachrichtenagentur dpa