Altkanzlerin im TV-Interview Merkel spricht über ihre Freizeit – und die Zitteranfälle
Wie geht es Angela Merkel? Im ersten TV-Interview nach dem Ende ihrer Zeit als Kanzlerin stellte sich die CDU-Politikerin den Fragen eines Journalisten. Zu Beginn wurde es gleich persönlich.
Erstmals seit dem Ende ihrer Amtszeit gibt Angela Merkel (CDU) ein ausführliches TV-Interview – und spricht offen darüber, wie sie in den vergangenen Monaten ihre Freizeit verbracht hat. Gleich zu Beginn beantwortete sie dem "Spiegel"-Journalisten Alexander Osang die Frage, wie es ihr gehe.
"Heute geht es mir persönlich sehr gut", so Merkel. Insgesamt habe sie sich die Zeit nach ihrer Amtszeit allerdings anders vorgestellt. Sie bleibe ein politischer Mensch, deshalb sei sie in diesen Tagen wie viele andere bedrückt, sagte die ehemalige Bundeskanzlerin mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Nach ihrer Amtszeit habe sie sich vorgenommen, sich wieder mehr zu bewegen und Sachen zu lesen, zu denen sie nicht gekommen sei. "So ein richtig dickes Buch zu lesen, das war schön." Sie habe fünf Wochen an der Ostsee verbracht und viele Hörbücher gehört. "Erstaunlicherweise ist es mir nicht langweilig geworden." Früher habe sie nur "Termine, Termine, Termine" gehabt. Sie komme mit diesem Lebensabschnitt sehr gut zurecht und könne sehr glücklich sein.
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"Es war offensichtlich doch eine Belastung"
Angesprochen auf die Zitteranfälle während ihrer Amtszeit, offenbarte Merkel die Hintergründe. Zum einen sei sie nach dem Tod ihrer Mutter sehr erschöpft gewesen. Herlind Kasner starb im April 2019 im Alter von 90 Jahren.
Zum anderen habe es damit zu tun gehabt, dass sie zu wenig getrunken habe, erklärte Merkel. Einen Stuhl hinter sich stehen zu haben, habe ihr nach dem ersten Zitteranfall Sicherheit gegeben. "Es war offensichtlich doch eine Belastung, die in einem steckt", sagte Merkel.
Im Sommer 2019 sorgte die Ex-Kanzlerin mit offenbar gesundheitlichen Problemen für Verunsicherung und Sorge. Bei einem Empfang des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurde die Kanzlerin plötzlich vor laufenden Kameras von einem heftigen Zittern erfasst. Das Zittern wiederholte sich mehrfach bei öffentlichen Auftritten. Damals hatte Merkel betont, ihr gehe es gut.
"Ich bin Bundeskanzlerin a. D."
Die ehemalige Kanzlerin erklärte in dem Interview auch, warum sie sich nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt nicht zu tagesaktuellen Themen äußern will. "Ich bin Bundeskanzlerin a. D.", sagte Merkel. Sie sei keine "ganz normale Bürgerin". Sie müsse noch vorsichtiger sein, zu aktuellen Dingen etwas zu sagen – ob nun das 9-Euro-Ticket gut sei oder nicht. Es sei nicht ihre Aufgabe, Ratschläge von der Seitenlinie zu geben. Dennoch sei sie im Ukraine-Krieg nicht neutral.
Merkel erzählte, sie bekomme viele Einladungen, wolle aber nicht nur Termine abarbeiten. Wenn sie lese, sie mache nur noch "Wohlfühltermine", dann sage sie: "Ja". 16 Jahre lang sei alles, was irgendwie von Relevanz gewesen sei, an ihrem Tisch vorbeigekommen. Sie habe sich nie vor Verantwortung gedrückt. Sie habe gesagt, dass sie sich erst einmal erholen und Abstand gewinnen wolle. Sie sei nicht mehr "im aktuellen Getümmel", auch nicht in ihrer Partei, der CDU.
Die wichtigsten Aussagen aus dem Interview sehen Sie auch hier im Video.
"Was also ist mein Land?"
Der Auftritt im Berliner Ensemble am Dienstagabend gehört zum Plan Merkels für einen sanften Wiedereinstieg in die Öffentlichkeit. Hintergrund des Gesprächs ist ein 2021 im Aufbau Verlag erschienenes Buch mit dem Titel "Was also ist mein Land?".
Darin sind drei Reden Merkels abgedruckt: Ihre Ansprache zum Tag der Deutschen Einheit 2021, die Rede vor der israelischen Knesset 2008 sowie Äußerungen zu ihrer Entscheidung von 2015, in der damaligen Flüchtlingssituation die deutschen Grenzen offenzuhalten.
Lesen Sie hier, was Angela Merkel zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gesagt hat.
- TV-Interview mit Angela Merkel am 7. Juni 2022
- Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherche