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Corona-Talk bei "Markus Lanz" | Kekulé: "Wir müssen auf Leben-Retten gehen"


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Corona-Talk bei "Markus Lanz"
Virologe Kekulé: "Wir müssen auf Leben-Retten gehen"

Eine TV-Kritik von Christian Bartels

Aktualisiert am 19.11.2021Lesedauer: 4 Min.
Virologe Alexander Kekulé bei "Markus Lanz" (Archivbild): Er sieht auch beim RKI Versäumnisse in der Corona-Bekämpfung.Vergrößern des Bildes
Virologe Alexander Kekulé bei "Markus Lanz" (Archivbild): Er sieht auch beim RKI Versäumnisse in der Corona-Bekämpfung. (Quelle: imago-images-bilder)

Markus Lanz gab in seiner ZDF-Show ein Plädoyer für eine allgemeine Impfpflicht ab und einer Gesundheitspolitikerin der FDP Saures. Der Virologe Kekulé sieht Fehler im Sommer und rät, vor allem Ältere zu boostern.

Das erste Gesetz der mutmaßlichen neuen Bundesregierung wurde im Bundestag beschlossen und hebt die "epidemische Notlage" auf. Die vermutlich letzte Ministerpräsidentenkonferenz zur Corona-Lage unter Kanzlerin Merkel fand statt: Das Thema Corona war am Donnerstag in den Medien noch omnipräsenter als ohnehin. Auf die "maybrit illner"-Talkshow folgte im ZDF "Markus Lanz" mit gleich noch einer monothematischen Corona-Sendung. Am Ende gab der Moderator sozusagen ein persönliches Plädoyer für eine allgemeine Impfpflicht ab. Vorher gab er vor allem der noch wenig bekannten gesundheitspolitischen Sprecherin der FDP Saures.

Die Gäste

  • Christine Aschenberg-Dugnus, FDP-Gesundheitspolitikerin
  • Alexander Kekulé, Virologe
  • Stefan Kluge, Intensivmediziner
  • Anja Maier, Journalistin

27 Millionen Booster-Impfungen bis Weihnachten müssen kommen, das sei ein "Kraftakt", aber machbar, forderte Christine Aschenberg-Dugnus erst mal zupackend. Aber hatte sie nicht noch am 17. September vom "Freedom Day" getwittert, also ein Ende sämtlicher Corona-Maßnahmen gefordert, wie im Bild-Hintergrund gleich eingeblendet wurde? "Aus heutiger Sicht war es falsch", musste die FDP-Frau zugeben. Sie habe damals den zu geringen Impffortschritt in der Sommerpause unterschätzt und sich vor allem auf Erfahrungen aus "meinem Bundesland", Schleswig-Holstein, bezogen.

Na ja, das hatte wohl eher mit Wahlkampf zu tun, warf "Weser-Kurier"-Journalistin Anja Maier ein. Gut eine Woche später fand ja die Bundestagswahl statt, bei der die FDP mit ihren "Freiheits"-Forderungen gut abschnitt. Aschenberg-Dugnus wurde am Anfang der Sendung heftig unter Druck gesetzt, auch durch eingeblendete Äußerungen weiterer FDP-Politiker, die forsch Freiheit von Corona-Maßnahmen forderten, und Lanz-Spitzen wie "Die FDP war doch immer eine Ärztepartei, eigentlich". Warum folgt sie nun nicht Ratschlägen aus der Medizin? Die FDP-Frau geriet ziemlich ins Schwimmen. "Erst in den letzten Wochen" sei ihr der Ernst der Lage bewusst geworden. Was für eine bundespolitische Expertin kein gutes Bild abgibt.

Im weiteren Verlauf fing sich die FDP-Politikerin. Schließlich diskutiere auch ihre Partei inzwischen über eine "einrichtungsbezogene Impfpflicht".

"Sie winden sich gerade!" warf Lanz ihr vor. Nein, "wir stellen uns der Diskussion" konterte Aschenberg-Dugnus und fragte: "Und die Regierung, die noch im Amt ist, wird mit keinem Wort erwähnt?" Tatsächlich hätten die Maßnahmen, deren Fehlen jetzt beklagt wird, von der noch geschäftsführende Groko-Regierung im Sommer getroffen werden müssen. Und was Impfpflicht angeht, müsse auch die neue Koalition sehen, "dass wir rechtsstaatlich handeln".

Streitthema Impfpflicht

Darüber setzte Lanz sich im letzten Abschnitt hinweg und schilderte, was er sich gewünscht hätte: dass der künftige Kanzler Scholz und die noch amtierende Kanzlerin gemeinsam vor die Kamera treten, Irrtümer zugeben und eine Impfpflicht verkünden. "Führung von vorne, Macron hat's gezeigt", nannte Lanz Frankreich als Vorbild. Über die Frage, ob er selbst in seinen sehr vielen Sendungen, in denen sehr, sehr viel über die Pandemie geredet wurde, nie geirrt und stets eine stringente Haltung verfolgt hatte, ging Lanz dabei locker hinweg – belebte aber immerhin nochmals die Diskussion.

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Angesichts rund drei Millionen Über-60-Jähriger, die sich nicht impfen lassen wollen, könnte eine Impfpflicht helfen, meinte der Intensivmediziner Stefan Kluge. Schließlich sind ungeimpfte Ältere akut gefährdet. Viele von diesen drei Millionen würden in Bayern und Südsachsen, in ländlichen Gebieten leben. Solle man diese Leute denn "aus den Bauernhöfen" zerren, fragte der Virologe Alexander Kekulé skeptisch. Kluge, der die Intensivmedizin des Hamburger Universitätsklinikums (UKE) leitet, hatte zum Thema Impfpflicht zuvor gesagt, dass er privat dafür wäre. Doch hat sich die DIVI (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin) gegen eine Impfpflicht für medizinisches Personal ausgesprochen. Gäbe es so eine Impfpflicht, "würden wir zehn Prozent des Pflegepersonals verlieren".

Virologe Kekulé kritisiert RKI

Am ehesten erfolgreich war die Sendung bei Versuchen, gemachte Fehler im Rückblick zu erkennen. Kekulé sieht einen Fehler im Juni, als die Inzidenzzahlen niedrig waren – und durch zurückkehrende Urlauber der Import der infektiösen neuen Delta-Variante "enorm beschleunigt" wurde. Außerdem übte er Kritik am Robert Koch-Institut (RKI), das zum Beispiel lange auf seiner Webseite stehen hatte, dass Geimpfte keinen wesentlichen Beitrag zum Infektionsgeschehen leisten würden. Aus heutiger Sicht ist das falsch und auch von der Webseite verschwunden. Für aktuelle Booster-Impf-Kampagnen rät Kekulé: "Mit den begrenzten Kapazitäten müssen wir auf Leben-Retten gehen". Soll heißen: vor allem ältere Menschen boostern, denn die brauchen Auffrischungsimpfungen fürs eigene Überleben, anders als Jüngere.

Der Intensivmediziner Kluge konstatierte, dass die falsch beratene Politik im Sommer ausgeblendet habe, "dass die Nichtgeimpften hochgradig gefährdet sind". Allerdings berichtete er, dass die Intensivstationen zunehmend Impfdurchbrüche registrieren. Aktuell seien rund dreißig Prozent der Intensivstations-Patienten geimpft. Mitunter schien Kluge etwas hin- und her gerissen zwischen unterschiedlichen Forderungen.

"Blame Game" im Bundestag

Die Journalistin Maier beschränkte sich auf trockene Kommentare. "Diesen Ausbruch von Lothar Wieler", die in den Medien breit geteilte und auch von Lanz eingespielte Ansprache des RKI-Präsidenten, interpretierte sie als Befreiung von "diesem Minister", also vom noch amtierenden Bundesgesundheitsminister Spahn, dem das RKI unterstellt ist. Spahn "macht immer wieder Fehler", sagte Maier. Doch dieser Strang wurde nicht lange verfolgt.

Und die Bundestagsdebatte des Donnerstags war "ein ganz schönes Blame Game", bilanzierte Maier. Also ein "Schwarzes-Peter-Spiel", wie Lanz für mit englischen Begriffen nicht so versierte ZDF-Zuschauer übersetzte. Ein Blame Game war diese Lanz-Talkshow auch, ein durchaus unterhaltsames – das vor allem aber die trotz endloser Corona-Diskussionen und zahlreicher zur Debatte stehenden Maßnahmen wieder herrschende Ratlosigkeit dokumentierte.

Verwendete Quellen
  • "Markus Lanz" vom 18.11.2021
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