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Klimawandel: Staat hilft bei Extremwetter nur noch in Ausnahmen


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Kein Geld ohne Versicherung
Klimakrise: Staat zieht sich aus Unwetterhilfen zurück


03.07.2019Lesedauer: 5 Min.
Naturkatastrophen und die Folgen: Wenn wie hier im bayerischen Simbach nach extremen Regenfällen kleine Flüsse zu reißenden Strömen werden, soll es künftig nur noch in wenigen Ausnahmen Geld vom Staat geben. Ein Argument ist die Zunahme von Naturkatastrophen durch die Klimakrise.Vergrößern des Bildes
Naturkatastrophen und die Folgen: Wenn wie hier im bayerischen Simbach nach extremen Regenfällen kleine Flüsse zu reißenden Strömen werden, soll es künftig nur noch in wenigen Ausnahmen Geld vom Staat geben. Ein Argument ist die Zunahme von Schäden durch die Klimakrise. (Quelle: reuters)

Die Politik ringt um Programme gegen die Klimakrise, eine Maßnahme greift jetzt schon: Seit Montag hilft Bayern nicht mehr, wenn Extremwetter Häuser beschädigt. Dahinter steckt eine bundesweite Strategie.

Zwei Drittel aller Hausbesitzer in Bayern haben theoretisch seit dem 1. Juli ein Problem: Wenn Sturzfluten ihre vier Wände unter Wasser setzen, können sie nicht mehr mit finanzieller Hilfe rechnen. Wer keine Elementarschadenversicherung hat, obwohl er eine haben könnte, bekommt keine Staatshilfen mehr.

Das ist keine einsame bayerische Entscheidung: Sie geht zurück auf ein Treffen der Regierungschefs der Länder vor zwei Jahren. Im Hintergrund steht der Gedanke: Möglichst alle Hausbesitzer sollen sich eine solche Versicherung zulegen. Die Quote liegt aktuell bei 43 Prozent.

Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten hatten am 1. Juni 2017 den wenig beachteten Beschluss gefasst, dass staatliche Hilfen für Betroffene von Hochwasser, Überflutungen und anderen Naturkatastrophen nicht weiter gewährt werden sollen.

"Alternative Lösungsmodelle zur Entlastung der öffentlichen Haushalte"

Die Länderchefs argumentierten mit dem Klimawandel: Dadurch komme es zu mehr Unwetterereignissen – mit drohenden Folgen für die öffentlichen Haushalte. In der Folge sei es "gesamtstaatliche Herausforderung, zur Entlastung der öffentlichen Haushalte alternative Lösungsmodelle zu staatlichen Hilfszahlungen bei Unwetterschäden zu entwickeln".

Damit wurde eine Idee umgesetzt, die eine lange Vorgeschichte hat: Bereits nach der Flutkatastrophe 2002, insbesondere an Elbe und Donau, empfahl das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einem Papier sogar eine Pflicht von Elementarschadenversicherungen.

Autor Gert G. Wagner, heute Vorsitzender des Sozialbeirats der Bundesregierung und Mitglied des Sachverständigenrates für Verbraucherpolitik, forderte, die Beseitigung solcher Schäden dürfe nicht der gesamten Volkswirtschaft aufgebürdet werden. "Besser wäre, wenn der Staat eine Eigenvorsorge verlangte – über eine Versicherung." Die müssten alle abschließen.

Länder ließen Versicherungspflicht für alle prüfen

Nach der Flut 2013 in acht Bundesländern und mit einem geschätzten Schaden von 8,2 Milliarden Euro ließen die Ministerpräsidenten die Versicherungspflicht prüfen. Trotz erster negativer Einschätzung 2015 sollte eine Arbeitsgruppe weiter nach Möglichkeiten suchen – und kam doch zum gleichen Ergebnis: verfassungsrechtlich sehr problematisch.

Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestags bestätigte das 2016. Versicherer und vor allem Verbraucher könnten sich erfolgreich dagegen wehren. Kommentare unter einer Petition für eine Pflicht auf der Petitionsplattform des Bundestags zeigen, dass mit Widerstand zu rechnen wäre: "Sollen die Bürger Meck-Poms irgendwelchen bayrischen Häuslebauern, die am Lawinenhang gebaut haben, bezahlen, dass diese ihr Haus nach dem Lawinenabgang 1:1 wieder aufbauen dürfen?"

Solidarprinzip wegen besonders Betroffener?

Auf der anderen Seite gibt es Befürworter in ganz unterschiedlichen Lagern. Politiker, Bund der Versicherten, Wirtschaftsexperten und Verbraucherschützer sprechen sich dafür aus. Die rheinland-pfälzische Zentrale argumentiert mit dem Solidarprinzip: "Nur wenn alle Häuser in Deutschland gleichzeitig gegen die vielfältigen Elementarschäden versichert werden müssten, könnte es ... zu bezahlbaren Preisen für alle kommen."

Auch die Frage nach dem Staat als Nothelfer würde sich nicht mehr stellen, wenn alle versichert sind. Es gäbe auch zumindest nicht mehr die Ungerechtigkeit wie in der Vergangenheit, dass zwei Nachbarn mit und ohne Versicherung jeweils entschädigt werden – obwohl nur einer Prämie zahlt. Zudem würde das Risiko höherer Beiträge nach Einschätzung von Fachleuten die Vorbeugung fördern.

Söder: Staatshilfen führen zu Verzicht auf Versicherung

Das griff Bayerns damaliger Finanzminister und heutiger Ministerpräsident Markus Söder (CSU) 2017 auf: "Staatliche Hilfen bei Naturkatastrophen sollten nicht dazu führen, dass bewusst vom Abschluss von Elementarschadenversicherungen abgesehen und stattdessen auf den Staat vertraut wird".

Bayerns Regierung beschloss damals, zum 1. Juli 2019 keine Soforthilfen mehr zu gewähren, wenn Schäden versicherbar waren. Eine Härtefallregelung sollte weiter bestehen bleiben – die entsprechenden Richtlinien sind aber nach Auskunft des Finanzministeriums bisher nicht überarbeitet.

Rheinland-Pfalz hat 2018 sein Hilfskonzept für Betroffene neu aufgestellt – und vor Kurzem Hilfen wieder gestrichen: Es gibt dort nun keine Nothilfen von bis zu 25.000 Euro mehr, lediglich Soforthilfen unter noch unklaren Voraussetzungen. Hessen hat seine Richtlinie zur Gewährung staatlicher Hilfen bei Elementarschäden im vergangenen Jahr auslaufen lassen. In Sachsen bekommt bereits nur Geld, wer bedürftig ist und sich nicht versichern konnte.

Die meisten Bundesländer müssen gar keine Regelungen ändern oder zurücknehmen, weil es dort keine entsprechenden Erlasse gibt, sondern gedacht war, dass sie bei Naturkatastrophen fallweise kurzfristig beschlossen werden.

Viele Hausbesitzer überschätzen eigenen Schutz

Ein Problem: 93 Prozent der Hausbesitzer glauben, sie seien gegen alle Naturgefahren versichert, ergab eine GFK-Umfrage für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Wenn Wasser ins Haus flutet, folgt manchmal das böse Erwachen: Den Zusatzschutz für Elementarschäden haben in den Bundesländern nur zwischen 21 Prozent (Bremen) und 47 (Sachsen und Thüringen). In den neuen Bundesländern haben viele Hausbesitzer Policen aus DDR-Zeiten, die Überschwemmungsschäden abdecken und von der Allianz übernommen wurden.

Baden-Württemberg ist ein Sonderfall, weil es dort eine Pflichtversicherung mit dem Staat als Garantiegeber gab, bis das Modell 1993 für unzulässig erklärt wurde. 94 Prozent der Gebäude haben den Schutz – eine leicht rückläufige Zahl.

Anteil versicherter Häuser steigt stark

Dort lag der Wert 2013 noch höher – bei 95 Prozent. In allen anderen Bundesländern sind seither Millionen Versicherungen ergänzt worden. In Hessen etwa gab es seither fast eine Verdoppelung von 21 auf 39 Prozent, in Bayern gab es ein Plus von mehr als 50 Prozent. Für NRW verzeichnen die Versicherer einen Anstieg von 31 auf 43 Prozent.

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Eigentlich hatten die Ministerpräsidenten auch eine bundesweite Elementarschadenskampagne angekündigt: Der Bevölkerung sollte klar gemacht werden, dass Unwetter mit finanziellen Folgen fast überall möglich sind – "unter Hinweis auf die geänderten Richtlinien für die Vergabe von Hilfszahlungen bei Elementarschadensereignissen". Die Versicherer drängen auf eine solche Kampagne: "Das sollte zügig umgesetzt werden, um das nach wie vor geringe Risikobewusstsein in der Bevölkerung zu erhöhen", so ein GDV-Sprecher zu t-online.de.

Doch es gibt auch die Hausbesitzer, denen das Risiko sehr wohl bewusst ist und die genau das stark zu spüren bekommen, wenn sie sich versichern wollen: In der höchsten Gefährdungsklasse, wo es statistisch mindestens einmal in zehn Jahren zum Hochwasser kommt, sind anteilig die wenigsten Gebäude versichert. 2016 war das nur jedes dritte besonders bedrohte Gebäude. Betroffene berichten, keinen oder nur zu extrem abschreckenden Prämien Verträge angeboten zu bekommen.

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"Finanztest": Preise gehen durch die Decke

Als "Finanztest" im vergangenen Jahr für einen Test von Elementarschädenpolicen recherchierte, stieß die Redaktion auf zahlreiche Beschwerden verärgerter Hauseigentümer über Kündigungen durch die Versicherer. "Die Preise für Hausversicherungen gehen durch die Decke." Die Versicherer machten Kunden "gewaltig Druck. Entweder er schluckt die Preiserhöhung oder er wird rausgeworfen", stellte das Magazin fest.

Der GDV, der auf wenige Quadratmeter genau sagen kann, wie oft wo Starkregen fällt, nennt keine Zahlen, wie viele Gebäude als nicht versicherbar gelten. "Über 100 Versicherer bieten Versicherungsschutz an. Probleme bezüglich der Versicherbarkeit sind die Ausnahme", so ein Sprecher.

Verantwortung liege auch bei Hausbesitzern, wenn sie keinen Vertrag bekommen: Wer abgewiesen wird, habe demnach in fast allen Fällen das Gebäude in einem sehr schlechten baulichen Zustand, unternehme gar nichts zur Vorbeugung oder trage bei einer außergewöhnlichen Häufung von Schadensfällen nichts dazu bei, Schäden zu minimieren.


Eine Möglichkeit sei auch, an Flüssen ein regelmäßig überflutetes Erdgeschoss entsprechend zu gestalten und nicht zu versichern. "Der Schutz beginnt dann mit dem ersten Obergeschoss."

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