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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Michaela Schaffrath "Wir Frauen reduzieren Männer auch auf ihr Äußeres"
Seit fast 20 Jahren ist Michaela Schaffrath Schauspielerin, erlebte Erfolge und Niederlagen. Und war auch mit Vorurteilen konfrontiert. Im Gespräch erzählt sie, warum sie gerne Frau ist. Und was Frauen Männern voraus haben.
Seit 100 Jahren sind Frauen in Deutschland wahlberechtigt, die volle gesellschaftliche Gleichberechtigung ist allerdings immer noch nicht hergestellt. Weder in der Bezahlung, noch bei Führungspositionen, auch nicht in der Politik.
Die Schauspielerin Michaela Schaffrath erklärt, woran das liegt – und warum das Äußere eine gewisse Rolle im Alltag spielt. Mit Ausblick aus dem Empire Riverside Hotel auf ihre Wahlheimat Hamburg spricht Schaffrath über die Unterschiede zwischen Frauen und Männern, Krisen und Erfolge, das Dschungelcamp und die Formel für eine glückliche Beziehung.
t-online.de: Frau Schaffrath, ein älteres Foto zeigt Sie in einem Top mit der großformatigen Aufschrift "Ich hab auch Augen, du Arsch!". Werden Frauen heute noch immer aufgrund ihres Äußeren beurteilt?
Michaela Schaffrath: Es kommt in der Tat noch vor, dass Männer die Frauen auf ihr Äußeres reduzieren. Aber ganz ehrlich: Wir Frauen machen das umgekehrt doch auch. Das Auge isst ja bekanntlich mit. Und der erste Eindruck von einem Menschen ist nun mal der optische. Aber ich hoffe natürlich, dass während eines Gespräches andere Werte wichtiger sind als die äußere Erscheinung.
Sie selbst sind blond, attraktiv und wirken sehr selbstsicher. Sind Sie deswegen selbst mit Vorurteilen konfrontiert gewesen?
Wenn man attraktiv ist und ein fröhliches wie offenes Wesen hat, eckt man damit bei manchen Menschen bisweilen an. Also, ja, ich musste manchmal gegen Vorurteile kämpfen. Es gibt halt immer wieder Situationen, in denen man sich als Frau nicht ernst genommen fühlt. Sei es im Privatleben oder im Beruf.
Sie sind seit fast 20 Jahren im Unterhaltungsgeschäft tätig. Werden Frauen dort anders behandelt als Männer?
Es ist mir nicht aufgefallen, dass Frauen in meiner Branche härter kritisiert werden als Männer. Klar, ich habe in den letzten 20 Jahren eine Menge Kritik einstecken müssen. Genauso habe ich mir aber das Recht rausgenommen, Männer zu tadeln, wenn mir das notwendig erschien. Wichtig ist nur, mit Kritik auch vernünftig umzugehen und etwas daraus zu lernen.
Michaela Schaffrath, geboren 1970, ist Schauspielerin, Moderatorin und Synchronsprecherin. Schaffrath spielt in Filmen, Serien und Theaterproduktionen mit, 2008 wurde sie Zweite im Dschungelcamp. Die gelernte Kinderkrankenschwester engagiert sich für verschiedene soziale Projekte, so ist Schaffrath seit 2012 Schirmherrin für dsai e.V. – Patientenorganisation für angeborene Immundefekte.
Tut Kritik nicht immer weh?
Früher hat mich Kritik sehr oft persönlich verletzt. Es hat lange gedauert, bis ich damit umgehen konnte. Heute bin ich für konstruktive Kritik sogar sehr dankbar und bei allen anderen sehe ich das mittlerweile gelassen, getreu dem Prinzip: Was andere Leute über mich denken, muss deren Kopf aushalten – nicht meiner. Ich habe ein paar Rückschläge erlitten, hatte auch einige Tiefpunkte in meinem Leben, beruflich wie privat, aber ich habe mich immer zurückgekämpft. Ich bin einfach ein Stehaufweibchen. Wenn ein Tiefschlag kommt, heißt es für mich: aufstehen, Krönchen richten, weitermachen. Einfach, weil ich fest an mich und das, was ich kann glaube.
Über Ihren größten Tiefpunkt half Ihnen das Dschungelcamp hinweg.
Das war 2007 und 2008. Meine Karriere geriet ins Stocken, ich habe kein Geld verdient. So etwas passiert. Gerade im Bereich der Schauspielerei ist es eher selten, dass du jahrelang immer gut engagiert bist. Und stets auf der Sonnenseite des Lebens wandelst.
Auch privat lief es nicht gut.
Damals habe ich mich von meinem ersten Mann getrennt. Also auch in diesem Bereich das komplette Programm: Trennungsphase, Scheidungsphase. Bei meinen finanziellen Problemen gab es wirklich den Moment, in dem ich überlegt habe, in meinen alten Beruf der Kinderkrankenschwester zurückzugehen. Aber ich musste diese Tiefphase irgendwie überwinden. Das Dschungelcamp hat mich aus der Krise katapultiert. Ich habe damals ganz ehrlich gesagt, und stehe auch heute noch dazu, dass ich das Geld brauchte.
Kann ein Selbstbewusstsein wie das Ihre einer Frau heute noch schaden?
Oft wird man als arrogant bezeichnet, nur weil man selbstbewusst auftritt. Das wird oft sehr fehlinterpretiert. Ich kenne aber durchaus eine Menge Männer, die es mögen, wenn ihre Frauen selbstbewusst sind. Ich habe glücklicherweise auch so einen Mann an meiner Seite: Und dafür liebe ich ihn sehr! Einfach dafür, dass er mich so sein lässt, wie ich bin. Das kann nicht jeder. Es gab Männer in der Vergangenheit, für die war mein Leben einfach zu schnell und turbulent.
Sind Sie gerne Frau?
Selbstverständlich. Ich finde es toll, mich zu schminken. Oder noch lieber, schminken zu lassen. Ich finde es großartig, schöne Kleider anzuziehen. Gerade, wenn es bei Veranstaltungen auf den roten Teppich geht. Und natürlich bekommt man auf diese Weise auch eine ganz andere Aufmerksamkeit als Männer.
Wir haben gerade einen historischen Jahrestag gefeiert. Vor knapp 100 Jahren durften die Frauen in Deutschland zum ersten Mal das Parlament mitwählen. Wie beurteilen Sie den gegenwärtigen Stand der Gleichberechtigung?
Im Moment habe ich eher das Gefühl, dass wir wieder einen Schritt zurückgehen. Es gibt meines Erachtens Bereiche, in denen die Gleichberechtigung im 21. Jahrhundert noch nicht angekommen ist. Nehmen wir zum Beispiel die Führungsebenen in der Wirtschaft. Da sind Frauen noch total unterrepräsentiert. Oder in der Bezahlung. Wenn man bedenkt, dass Frauen etwa 21 Prozent weniger verdienen als Männer, obwohl sie die gleiche Arbeit machen und oft auch die gleiche Ausbildung absolviert haben. Da müssen wir Frauen noch kämpfen.
Woran liegt es, dass Frauen immer noch nicht völlig gleichberechtigt sind?
Ich denke, es ist die Gesellschaft. Eigentlich tut sie so, als wäre sie völlig tolerant und feiert die Gleichberechtigung öffentlich. Tatsächlich ist sie in ihrem tiefsten Inneren aber doch noch zu verstaubt.
Was können Frauen tun, um ihre Rechte besser einzufordern?
Die Frauen sollten offensiver werden. Wobei ich denke, dass wir in den letzten 100 Jahren auch durchaus offensiver geworden sind. Wir müssen nur weiter daran arbeiten.
Haben Frauen den Männern etwas voraus?
Ich glaube, wir Frauen sind manchmal in der Kommunikation etwas feinfühliger. Frauen sind auf jeden Fall geduldiger als Männer. Das sage ich aufgrund meiner Überzeugung und Lebenserfahrung. Mir sind schon viele Männer begegnet, die extrem ungeduldig sind. Das ist, glaube ich, so eine Männersache.
Gibt es noch andere "Männersachen"?
Wir Frauen haben den längeren Atem. In wichtigen Gesprächen, bei denen einfach vieles auf dem Spiel steht, haben wir Frauen den längeren Atem und ein besseres Feingefühl, denke ich. Wir können uns besser in die andere Person versetzen und sind vielleicht auch ein Stück weit diplomatischer. Während Männer manchmal eher die Brechstange ansetzen.
Was schätzen Sie wiederum an einem Mann?
In einer Frau-Mann-Beziehung finde ich es ganz toll, Frau zu sein. Eine starke Schulter zum Anlehnen zu haben, jemanden in meiner Nähe zu wissen, der mich beschützt. Da bin ich auch mal gern das klischeehafte schwache Geschlecht. Aber nur bis zu einer gewissen Grenze!
Wie halten Sie es denn mit der Gleichberechtigung in Ihrer Beziehung?
Bei uns zu Hause macht jeder alles. Derjenige, der gerade da ist, erledigt den Haushalt. Mit einer Ausnahme: Beim Thema Kochen stelle ich mich ein bisschen mehr in den Vordergrund. Nicht, dass mein Lebensgefährte Carlos Anthonyo nicht kochen könnte, aber ich mache das einfach leidenschaftlich gerne.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat vor nicht allzu langer Zeit den Männern angeraten, mehr im Haushalt zu helfen.
Ich weiß. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, oder? Wenn ich weg bin auf einem Dreh oder drei Monate Theater spiele, dann wartet Carlos bestimmt nicht, bis ich nach Hause komme und die Bude putze. Wenn er das erwarten würde, hätte ich nur die Frage: "Noch alle Latten am Zaun, oder was?"
Gibt es bisweilen Meinungsverschiedenheit bei Ihnen?
Es gibt keinen Streit. Ich weiß, es klingt fast beängstigend, aber wir streiten nicht. Wir haben natürlich unterschiedliche Meinungen bei Lappalien, aber wir sind jetzt seit fünf Jahren zusammen und haben nicht einmal gestritten. Ich finde das super.
Klingt nach einer Bilderbuchbeziehung. Haben Sie ein Erfolgsrezept?
Liebe, ganz klar. Und den Partner so anzunehmen und zu akzeptieren, wie er ist. Wir haben alle irgendwie eine Macke. Man darf nicht anfangen, den Menschen zu verbiegen. Wir respektieren einander und lachen sehr viel miteinander – auch über uns selbst.
Kommen wir noch einmal auf das Thema Gleichberechtigung zu sprechen. Seit 2005 wird Deutschland mit Angela Merkel von einer Frau regiert. Ein Sieg des Feminismus?
Natürlich finde ich es revolutionär, dass eine Frau seit langer Zeit unser Land regiert.
Wie politisch sind Sie selbst?
Mittlerweile kann ich mir politische Themen nur schwer anschauen.
Manchmal sitze ich mit Carlos vor dem Fernseher und amüsiere mich, wenn Interviews mit Politikern gezeigt werden. Ich habe oft das Gefühl, dass viel geredet, aber nichts gesagt wird. Es werden Fragen gestellt, aber definitiv nicht beantwortet, sondern irgendwie wird drum herum gewurschtelt. Deswegen beschäftige ich mich nicht mehr so viel mit Politik, versuche natürlich trotzdem auf dem Laufenden zu bleiben, um mir meine eigene Meinung zu bilden.
Wenn Sie von der derzeitigen Politik frustriert sind, wäre es doch ein Grund, selbst politisch aktiv zu werden.
Ich habe genug andere Baustellen, in denen ich mich engagiere. Und ich glaube, da kann ich mehr erreichen als in der Politik. Ich lasse das mal die anderen machen. Ich setze mich lieber für soziale Projekte ein. Da kann ich aufgrund meiner zehnjährigen Tätigkeit als Kinderkrankenschwester mehr zu beitragen.
Stichwort Kinder, hatten Sie selbst einmal vor, eine Familie zu gründen?
Ich liebe Kinder, sonst hätte ich ja auch nicht zehn Jahre lang als Kinderkrankenschwester gearbeitet. Und ja, Kinder waren für mich ein Thema. Das war zu der Zeit zwischen 30 und 40. Aber ich muss ganz ehrlich zugeben, dass ich mich damals dann für die Karriere entschieden habe. Vom Gefühl her waren es auch nicht die richtigen Männer, die ich zu der Zeit an meiner Seite hatte. Sie mögen es mir verzeihen, dass ich das sage, aber das wissen sie selber auch. Interessanterweise ist es so, dass ich auch mit Carlos über Kinder gesprochen habe. Und wir beide sagen ganz oft, dass wir jetzt vielleicht auch eine Familie hätten, wenn wir uns früher kennengelernt hätten.
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Sie sprechen Ihre geschiedenen Männer an, bestehen eventuell Pläne für eine Hochzeit mit ihrem Lebensgefährten?
Ich war schon zweimal verheiratet. Und irgendwie reicht es damit auch. Für mich ist ein Trauschein auch nicht der Garant dafür, dass es klappt. Wichtig ist das, was im Herzen ist und was wir beide füreinander empfinden. Und das kann ein Trauschein nicht noch mal toppen.
Frau Schaffrath, vielen Dank für das Gespräch.