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Skandal in Duisburg: Mega-Chefgehalt gefährdet ganze Behindertenwerkstatt


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Skandal in Duisburg
Mega-Chefgehalt gefährdet ganze Behindertenwerkstatt

Von Dietmar Seher

Aktualisiert am 27.07.2018Lesedauer: 4 Min.
Gut gelaunt im Job: Die Außendarstellung der gemeinnützigen Behindertenwerkstatt ist tadellos. Doch das mögliche Gehalt der Chefin ist hoch umstritten.Vergrößern des Bildes
Gut gelaunt im Job: Die Außendarstellung der gemeinnützigen Behindertenwerkstatt ist tadellos. Doch das mögliche Gehalt der Chefin ist hoch umstritten. (Quelle: Screenshot/t-online.de)
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Mehrere Hunderttausend Euro verdient die Chefin einer gemeinnützigen Behindertenwerkstatt angeblich. Jobs stehen auf der Kippe – und die Stadt gerät in die Defensive.

Ausgerechnet die Chefin der gemeinnützigen Duisburger Werkstatt für behinderte Menschen soll ein Jahresgehalt bekommen, wie es aus dem Management von Großbetrieben bekannt ist: 350.000 Euro. In der hoch verschuldeten Ruhrgebietsstadt, die die Zahlung offiziell streng geheim hält, sorgt das jetzt für Streit – und für Befürchtungen: Streicht das Finanzamt die Gemeinnützigkeit, sind das Unternehmen und viele Jobs in Gefahr.

Jobs für 180 Euro im Monat

Werkstätten für Behinderte sind wichtig in dieser Zeit: 700 Betriebe gibt es bundesweit, mit 2.700 Standorten. Sie beschäftigen 300.000 Menschen mit Handicap, die auf die Arbeit dort angewiesen sind, die dort ausgebildet werden und dabei auch noch Spaß haben. Ihnen wird dafür – das ist der bundesweite Schnitt – etwa 180 Euro im Monat bezahlt.

Besonders erfolgreich ist die Duisburger Einrichtung. Mit 190 Festangestellten und mehr als 1.100 Betreuten montiert sie nicht nur für private Auftraggeber Elektro- und Metallgeräte und pflegt nicht nur Grünanlagen, sondern betreibt mit "Der kleine Prinz" und "Ziegenpeter" eigene Restaurants und hat sogar ein eigenes Modelabel. Produkte werden unter Marktpreis verkauft. Die Duisburger Werkstatt gehört zu den "100 innovativsten Unternehmen im deutschen Mittelstand". Eine Erfolgsnummer. Das wird auch oft betont.

Stadt schweigt eisern zum Gehalt

Nur in einem halten sich die hochverschuldete Kommune, die 50 Prozent der Anteile hält, und zwei zu jeweils 25 Prozent beteiligte Behindertenverbände gerne zurück: Sie verweigern bisher jegliche Auskunft über das Jahresgehalt, das die seit 2010 amtierende Allein-Geschäftsführerin Roselyne Rogg bekommt und in welchen Sprüngen es erhöht wurde.

Oberbürgermeister Sören Link (SPD) begründet die Zurückhaltung so: Bei der Werkstatt sei „die Angabe individualisierter Vergütungen nicht verpflichtend vorgesehen, da die Stadt Duisburg nur über eine Beteiligung von 50 Prozent und somit nicht über die Stimmenmehrheit verfügt. Ob eine Geschäftsführung ihre Bezüge veröffentlichen möchte oder nicht, ist vor diesem Hintergrund nicht verpflichtend, sondern ihre persönliche Entscheidung.“

Im Dezember 2017 nannte das Recherchezentrum "Correctiv" eine Zahl, die viele nicht glauben wollten: 350.000 Euro soll Rogg verdienen. Jetzt ist die Höhe des Gehalts in einem Gutachten zur "Angemessenheit" der Zahlung offenbar bestätigt worden, berichten Lokalzeitungen. In Auftrag gegeben hatte die Untersuchung der neue Aufsichtsratsvorsitzende der Werkstatt. Das Gutachten habe es "in sich", berichtet die "Rheinische Post". Und die Stadt hat ein Problem.

Verlust der Gemeinnützigkeit droht

Denn steuerbefreite gemeinnützige Unternehmen haben, anders als private Konzerne, strenge Regeln auch bei den Gehaltshöhen ihrer Manager. Die eigene Satzung der Duisburger Werkstatt und vor allem das bundesweit geltende Gesetz schreibt vor, "niemanden durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen zu begünstigen". Im schlimmsten Fall droht die "Aberkennung der Gemeinnützigkeit", wie Rainer Enzweiler sagt. Enzweiler ist der CDU-Oppositionsführer im SPD-dominierten Stadtrat. Die Aberkennung kann am Ende Arbeitsplätze kosten.

Eberhard Kanski ist Experte beim Bund der Steuerzahler: "Das ist eine ungewöhnlich hohe Bezahlung der Geschäftsführerin, von der da die Rede ist", erklärt er t-online.de. "Jetzt ist das Finanzamt am Zug. Es muss prüfen, ob bei den Duisburger Werkstätten die hohen Ansprüche an die Gemeinnützigkeit noch eingehalten werden. Dazu gehört auch die Überprüfung der dort gezahlten Gehälter. Es gibt für gemeinnützige Unternehmen ein Maßhalte-Gebot."

Vergleichbare Gehälter wesentlich niedriger

Die Folgen könnten böse sein, sagt Kanski: "Ein Entzug der Gemeinnützigkeit bedeutet, dass das Unternehmen Steuern zahlen muss. Es muss sich dann dem Wettbewerb mit anderen privatwirtschaftlichen Betrieben stellen. Hält es dabei wirtschaftlich nicht mit, sind auch Arbeitsplätze in Gefahr." Denn nur die Behinderten, nicht aber die tarifangestellten Betreuer haben ein Recht auf Arbeit in den Werkstätten.

Die meisten der bundesweit 700 Betriebe der Behindertenhilfe halten sich an die Regeln. In Duisburgs größeren Nachbarstädten Düsseldorf und Essen erhalten die Chefs 112.000 Euro und 146.000 Euro. Der Essener Betrieb beschäftigt mit 1.500 Behinderten zudem noch mehr als der Duisburger. Die Nachbarstädte zahlten "angemessene Gehälter", betont CDU-Mann Enzweiler.

Doch immer wieder kommt es auch zu großen Skandalen. In Berlin war das 2010 die "Maserati-Affäre". Der Chef der "Treberhilfe" hatte sich ein Gehalt von über 300.000 Euro plus schnellem Dienstwagen genehmigt. Bei einem Unternehmen des evangelischen Diakoniewerks Bethel soll ein Geschäftsführer gar 700.000 Euro kassiert haben. Und bei einem gemeinnützigen, in der Psychiatrie engagierten Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern wurde der Chef ähnlich gut bezahlt wie im Fall der Duisburger Behindertenwerkstätte: 346.000 Euro.

Oberbürgermeister verspricht Aufklärung

In dem Bundesland an der Ostsee ist dann genau das passiert, was in Duisburg erst noch befürchtet wird: Das Finanzamt entzog nach einer Gehaltsprüfung die Gemeinnützigkeit. Diesen Rechtsstreit wird das oberste deutsche Finanzgericht entscheiden. Die Akte liegt unter dem Zeichen VR 5/17 beim Bundesfinanzhof. Die 700 gemeinnützigen Behindertenwerkstätten, sicher aber auch die Stadt Duisburg, warten gespannt auf das Urteil.

Denn am Mittwoch sah sich schließlich auch der Duisburger SPD-Oberbürgermeister Sören Link zu einer öffentlichen Stellungnahme gezwungen. "Umgehende und transparente" Aufklärung verspricht er in der Mitteilung – gibt sich aber ahnungslos. Für die Stadtspitze hätten sich erst beim Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrats "Fragen ergeben, auf die wir in den Akten keine ausreichenden Antworten finden konnten", erklärte Link.

Deshalb sei auch das Gutachten in Auftrag gegeben worden. Link räumt ein: "Nach dem derzeitigen Sachstand muss ich jedoch davon ausgehen, dass der Aufsichtsrat in der Vergangenheit nicht in ausreichendem Maß mit der Erhöhung der Bezüge befasst war." Der Aufsichtsrat werde am 8. August dazu beraten.

Korrekturhinweis: In einer früheren Version des Artikels hatten wir die Stellungnahme der Stadt Duisburg verkürzt dargestellt, warum sie das Gehalt der Geschäftsführerin nicht veröffentlicht. Dadurch konnte die Stellungnahme missverstanden werden. t.online.de hat an dieser Stelle die ursprüngliche Passage ergänzt. Außerdem haben wir unten die komplette Stellungnahme von Oberbürgermeister Sören Link vom 25. Juli verlinkt.

Verwendete Quellen
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