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Putins Propaganda: Deutsche Kinder im Ferienlager auf der Krim


Urlaub auf der Krim
Deutsche Kinder mit Putins Partei im Ferienlager


Aktualisiert am 23.10.2024 - 13:24 UhrLesedauer: 4 Min.
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Kinder beiVergrößern des Bildes
Kinder beim Artek-Camp: Auch Deutsche nahmen an dem Treffen auf der Krim teil. (Quelle: SNA/imago-images-bilder)

Spaß, Sport – und Wagner-Söldner: In Russlands größtem Jugendcamp wird auch um Unterstützung für den Ukraine-Krieg geworben – und deutsche Kinder machten dort Ferien.

Kinder aus Deutschland verbringen drei Wochen im bekanntesten Jugendzentrum Russlands auf der annektierten Krim. Putins Partei "Einiges Russland" organisiert das Programm und russische Soldaten präsentieren einen wohlwollenden Blick auf den Ukrainekrieg: Für Propaganda holt Russland auch Minderjährige aus dem westlichen Ausland auf die annektierte und international isolierte Krim – und Eltern in Deutschland spielen offenbar mit.

Mehrere Kinder und Jugendliche aus Deutschland waren drei Wochen lang Teilnehmer eines Ferienlagers im Artek-Ferienzentrum. Der aus sowjetischer Zeit stammende Komplex ist flächenmäßig größer als Monaco und nach der Annexion der Krim vom Kreml für Hunderte Millionen Euro als Vorzeigeprojekt zur patriotischen Bildung der Jugend ausgebaut worden.

Internationaler Wettbewerb von Partei und Regierung

Im achten Durchgang in diesem Jahr nahmen mehr als 3.000 Kinder und Jugendliche aus 60 Ländern teil. Ein Teil der Teilnehmer der Camps zahlt für den Aufenthalt, die übrigen bekommen ihn spendiert – als Belohnung für besondere Leistungen oder die erfolgreiche Teilnahme an Wettbewerben. Auch Kinder aus Deutschland, Frankreich und Finnland wurden offenbar als Gewinner eines Wettbewerbs "Menschen von Artek" zu der komplizierten Reise auf die Krim eingeladen.

Putins Partei "Einiges Russland", mehrere Regierungsstellen und -agenturen sowie der Staatskonzern Rossatom sind Partner bei dem Wettbewerb, der das Ferienzentrum Artek würdigen und andere Kinder für die Geschichte begeistern soll. Lange war der Aufenthalt dem Nachwuchs der Parteieliten vorbehalten, auch handverlesene Pioniere aus der DDR durften hier Ferien machen. Im Westen geriet das weltgrößte Jugendlager in die Schlagzeilen, weil es in diesem Jahr auf die Sanktionslisten genommen wurde: Kinder aus besetzten ukrainischen Gebieten sollen auch zur Umerziehung hierher gebracht worden sein.

Der aktuelle Urlaub von Kindern aus Westeuropa in der Anlage wurde durch einen Bericht des öffentlich-rechtlichen finnischen Fernsehens bekannt. Die russischen Organisatoren hatten allerdings aus ihren Ferienkindern auch kein Geheimnis gemacht: Fast 5.000 Fotos gibt es in einem Album im russischen sozialen Netzwerk VK. Der Sender RT, diverse Beteiligte und Organisationen verbreiteten zudem Bilder und Informationen mit den Jugendlichen aus Deutschland. Auch das Russische Haus in Paris postete Bilder.

Russische Stellen in Deutschland angeblich nicht informiert

Das Russische Haus in Berlin und die Botschaft Russlands in Berlin erklärten dagegen auf t-online-Anfrage, keine Informationen zu haben, und verwiesen an Artek. Artek beantwortete Fragen vom Montag nicht.

Auf einem Bild der Gruppe ist groß die deutsche Fahne zu sehen, daneben befinden sich kleiner die französische und finnische. t-online hat die Gesichter der Kinder in dem Bild unkenntlich gemacht. Entstanden ist das Foto bei einer Veranstaltung mit dem Leiter eines Programms der Putin-Partei "Einiges Russland". Er sagte: "Ich bin zuversichtlich, dass alle Kinder, die das Artek-Kinderzentrum im Rahmen der Kampagne besucht haben, für immer Freunde Russlands bleiben werden."

Das Foto zeigt die Gruppe am Museum für den Schriftsteller Julian Semjonow, durch das dessen Tochter die Gäste führte. Teil des Sonderprogramms war auch ein Treffen und ein Gespräch mit dem Kosmonauten Wladimir Titow, der mehr als ein Jahr im All verbracht hat.

"Kinderdiplomaten" sollen russische Werte vertreten

Die vollen Namen der Kinder werden nicht genannt, lediglich in einem Text ist von "Nikita aus Deutschland" die Rede. Zumindest ein Kind aus Deutschland saß offenbar auch an einem runden Tisch im Liwadija-Palast des letzten russischen Zaren Nikolaus II. Bei dem Treffen hatte der zugeschaltete Außenminister Sergej Lawrow die Jugendlichen begrüßt.

Vor den Kindern standen Fahnen ihrer Heimatländer, die Veranstalter nannten die Runde "Artek – die Hauptstadt der Kinderdiplomatie" und nahmen die Teilnehmer in den "Klub der Freunde Russlands" von "Einiges Russland" auf. Sie sollen Werte des russischen Staates in ihren eigenen Ländern vertreten – "traditionelle Werte" – etwas, womit der Kreml kontinuierlich gegen den vermeintlich verdorbenen Westen Stimmung macht.

Den Teilnehmern begegneten – Fotos und Videos nach zu urteilen – auf Schritt und Tritt russische Nationalsymbole. In dem Lager dürfen Kinder, die besonders positiv aufgefallen sind, täglich die Nationalflagge hissen. Bei der Abschlussfeier hielten die Teilnehmer aus mindestens 60 Ländern russische Fahnen in den Händen. Das Wichtigste, das den Teilnehmern vermittelt worden sei, sei Einheit, sagte der der Direktor des Kinderzentrums, Konstantin Fedorenko. "Schließlich liegt unsere Stärke in der Einheit."

Um Unterstützung der russischen Soldaten in der Ukraine geht es in dem Camp auch – und dazu traten Kämpfer auf. "Den Kindern müssen Beispiele für Patriotismus gezeigt werden, und man muss ihnen diejenigen vorstellen, die offen darüber sprechen, was Liebe zum Vaterland ist", heißt es dazu von einer Veteranen-Stiftung. Aus deren Reihen kam unter anderem ein Soldat, der mit den Wagner-Truppen bei der russischen Eroberung Bachmuts beteiligt war. Artek hat nicht beantwortet, ob Treffen mit Soldaten auch Teil des Programms der Jugendlichen aus Westeuropa waren.

Von Deutschland gibt es eine Reisewarnung für die Krim

Vom deutschen Außenministerium hieß es auf t-online-Anfrage zu dem Feriencamp, dass für die Ukraine einschließlich der Halbinsel Krim seit Längerem eine Reisewarnung gilt. "Deutsche Staatsangehörige sind dringend aufgefordert, das Land zu verlassen." In seiner Warnung weist das Auswärtige Amt auch darauf hin, dass auf der Krim konsularischer Schutz derzeit nicht gewährt werden kann.

Der Inhaber des Reiseveranstalters Rus-Krim-Tour sagte einem örtlichen Radiosender, die Kinder seien für die Anreise zum Teil zwei, zum Teil vier Tage unterwegs gewesen. "Aber alle waren mit ihrer Reise auf die Krim zufrieden." Sie "stammten aus Familien, die nicht durch westliche Propaganda einer Gehirnwäsche unterzogen wurden". Das Camp versicherte auf seiner Seite, dass zur Sicherheit der Kinder an den Abfahrtsorten umfassende Sicherheitsmaßnahmen organisiert worden seien.

Aus der jüngeren Vergangenheit waren keine anderen Besuche von Kindern aus Deutschland in der Ferienanlage bekannt geworden. 2017 hatte der Sender RT berichtet, dass zehn Kinder aus Berlin und Sachsen mit einer Lehrerin aus Berlin angereist seien.

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