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50.000 Muslime in der Eifel: Zeltstadt für Kalif-Treffen


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Größtes derartiges Treffen
Zeltstadt für 50.000 Muslime: Sie wollten den Kalifen erleben


Aktualisiert am 20.08.2024Lesedauer: 6 Min.
Freitagsgebet: Hunderte Helfer waren in den vergangenen Tagen schon auf dem Gelände, gebetet wurde im bereits in Betrieb genommenen Verpflegungszelt.Vergrößern des Bildes
Freitagsgebet: Hunderte Helfer waren in den vergangenen Tagen schon auf dem Gelände, gebetet wurde im bereits in Betrieb genommenen Verpflegungszelt. (Quelle: Lars Wienand)
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Der Kalif war in der Eifel abegkündigt, und 50.000 Gläubige werden dazu erwartet: Aktuell läuft der Aufbau für eine riesige Zeltstadt. Es ist die bisher größte muslimische Versammlung dieser Art in Deutschland. t-online war vor Ort.

Das gab es in Deutschland noch nicht: Freiwillige bauen mit Unterstützung von Fachfirmen auf einem früheren Bundeswehrflugplatz eine Zeltstadt für ein mehrtägiges Treffen von rund 50.000 Muslimen. 220 Zelte stehen bereits oder werden noch errichtet, hinzu kommen bis zu 1.000 private Zelte zum Übernachten von Familien. Ansonsten wird strikt nach Geschlechtern getrennt.

Die Organisatoren rechnen mit Kosten von rund 6 Millionen Euro für das Projekt in Mendig.* Sie haben die Hoffnung, in der Eifel einen Veranstaltungsort für die nächsten Jahre gefunden zu haben – bis man vielleicht eine eigene Fläche kaufen kann. Was für eine Gruppe ist das, die davon träumt, dass Deutschland muslimisch wird, gleichzeitig aber große Loyalität zu Deutschland predigt und transparent auftritt? t-online hat sich in der halbfertigen Zeltstadt umgesehen.

Deutschland- und Ahamadiyya-Flagge wehen

Der Anlass des Treffens: Einmal jährlich kommen Gläubige zur Hauptversammlung der Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ): Das ist in Deutschland eine als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte muslimische Religionsgemeinschaft. Sie ist in 205 Ländern vertreten. Das globale Oberhaupt ist der fünfte Kalif, Mirza Masrur Ahmad. Es war angekündigt, dass er drei Tagen Ansprachen im Hauptzelt hält. Er sollte die Versammlung, Jalsa Salana genannt, am kommenden Freitag mit dem Hissen der Flagge der Ahmadiyya und der deutschen Flagge eröffnen. Jetzt ist klar: Der Kalif kann aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen.** Am Sonntagabend sei die Nachricht gekommen, bestätigte am Montagabend Asif Malik, einer der ehrenamtlichen AMJ-Sprecher. Zuvor hatte die "Bild" davon berichtet. Der Kalif werde live zugeschaltet, so Malik.

Die Versammlung soll nach eigenem Verständnis die Gläubigen spirituell bereichern und ihnen helfen dabei, sich selbst zu verbessern. Bei der ersten Jalsa Salana in Deutschland 1976 wurden 70 Teilnehmer in einer Hamburger Moschee gezählt.

Der Ort: Aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland werden Menschen ins vergleichsweise zentral gelegene Mendig in der Eifel (Rheinland-Pfalz) strömen. Das Gelände war früher ein Bundeswehrflugplatz, ist heute unter anderem diskretes Testgelände für Entwicklungen von Automobil- und Motorsportindustrie. Es diente aber auch schon als Festivalgelände: "Rock am Ring" wich 2015 und 2016 vom nahen Nürburgring hierher aus.

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Das Gelände haben aber auch die Ahmadis schon selbst genutzt: 2017 war hier die Jahresversammlung der Ahmadiyya-Jugend mit 8.000 Teilnehmern. Der aktuelle Mendiger Organisationschef Ilyas Majok zu t-online: "Es gab sicher gute Erfahrungen der Behörden, aber die Anforderungen und Auflagen sind bei der Dimension jetzt ganz andere." Für die Bewohner der Region gab es eine Infoveranstaltung. Islamophobe oder rassistische Ausfälle gab es keine, Sorgen galten vor allem möglichen Verkehrsproblemen. Die Veranstalter bieten einen Pendeldienst vom Bahnhof, Tausende Fahrzeuge werden aber auch auf dem Flugplatzgelände parken.

Die Muslime in Mendig: Die Ahmadiyya Muslim Jamaat gilt der Politik in Deutschland als ein verlässlicher Ansprechpartner. Die Gemeinschaft und ihr Kalif bekennen sich klar zur Trennung von Staat und Kirche. "Wenn wir von 'Kalifat' reden, geht es nicht um die Errichtung eines politischen Staatsgebildes", sagt AMJ-Sprecher Malik. Die Forderung nach einem Kalifat in Deutschland hatte bei einer Islamistenkundgebung in Hamburg bundesweit Schlagzeilen gemacht. Entsprechende Zielsetzungen von Ahmadis sind weltweit nicht bekannt, das Verständnis davon, was mit Kalifat gemeint ist, ist ein ganz anderes: "Es geht uns um eine rein spirituelle und religiöse Führung, das Kalifat soll die Entwicklung der Gläubigen fördern und Frieden und Toleranz stärken."

Gegründet im späten 19. Jahrhundert

Der Religionsgründer Mirza Ghulam Ahmad lebte Ende des 19. Jahrhunderts in Nordindien und sah sich in der Nachfolge Mohammeds als Prophet und als der verheißene Messias, der von Muslimen erwartete Mahdi der Endzeit. Diese Interpretation trennt die Ahmadi von den übrigen muslimischen Strömungen und führt dazu, dass sie in weiten Teilen des Islam nicht als Muslime anerkannt werden. Mirza Ghulam Ahmad verkündete auch, dass er im Geiste von Jesus auftrete. Jesus ist im Islam ein Prophet. Den Ahmadis zufolge hatte er die Kreuzigung überlebt und war nach Indien ausgewandert.

Die Ahmadi demonstrieren auch immer wieder Unterstützung für das Land, in dem sie leben. Eine Broschüre der deutschen Vereinigung ist überschrieben mit "Muslime für Loyalität zu Deutschland". Beim Jugendtreffen in Mendig 2017 formte eine Gruppe die angeblich größte durch Menschen gebildete Deutschlandflagge. Sympathien sammelte die Religionsgemeinschaft mit einem monatelangen Einsatz eines Verpflegungsteams bei der Flutkatastrophe im Ahrtal, das nur eine halbe Autostunde von Mendig entfernt ist.

Die deutsche Gemeinde finanziert sich selbst über ihre Mitglieder, sechs Prozent des Einkommens gelten als üblicher Satz zur Abgabe an die Gemeinde. Wirtschaftsprüfer von KPMG schauen in die Finanzen. Mit der Finanzierungsform sei man unabhängig von Einflüssen ausländischer Regierungen, so Sprecher Malik. Etwa die Türkei oder Saudi-Arabien pumpen große Summen in andere Länder, damit dort muslimische Gemeinschaften in ihrem Sinn agieren. In Pakistan wurde den Ahmadis 1974 von der Regierung abgesprochen, Muslime zu sein – Saudi-Arabien hatte das so gewollt. Damit begannen dort Verfolgung und Fluchtbewegung, die oft nach Deutschland führte. So wuchs die deutsche Gemeinde erheblich. Ein Großteil der Gläubigen hier hat Wurzeln in Pakistan oder Indien.

Missionierung in Deutschland wenig erfolgreich

Die Ahmadi verstehen sich als Reformmuslime für einen Islam, der nicht von politischen Interessen missbraucht wird, lehnen etwa den kriegerischen Dschihad ab und stehen für Meinungs- und Religionsfreiheit. Zugleich geht es nicht nur um Anerkennung, sondern auch um Missionierung. Eine Grundüberzeugung ist, dass der Islam sich als Religion durchsetzen wird. In Deutschland gelingt das der Ahmadiyya-Gemeinschaft eher schleppend: Nur etwa 1.000 Mitglieder seien Konvertiten. Einer, Abdullah Uwe Wagishauser, ist seit 1984 Emir, Oberhaupt der deutschen Gemeinschaft.

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Die Zeltstadt: "Es wird nicht einfach", sagte Wagishauser den Helfern zum Auftakt des Aufbaus. Zum ersten Mal werde eine riesige freie Fläche selbst verplant, nachdem in den vergangenen Jahren Messehallen in Mannheim, Karlsruhe und Stuttgart Schauplatz waren. Die große Zeltstadt soll auch mehr Gemeinschaftsgefühl aufkommen lassen. Die Haupthallen sind zudem in Richtung Mekka gerichtet – in Messehallen mussten sich die Gläubigen beim Gebet oft drehen.

Ein Mediencenter für die Hallentechnik und für die Live-TV-Übertragung in 13 Sprachen steht zwischen den beiden größten Hallen und teilt das Gelände: Die eine Hälfte ist für die Männer mit einer Haupthalle für 8.000 Menschen, die andere für die Frauen mit einer Großhalle für 7.000 Frauen, direkt angrenzend eine zweite Halle für 1.000 Frauen mit kleinen Kindern. Sowohl auf dem Männer- als auch auf dem Frauenteil der Fläche gibt es jeweils ein großes Verpflegungszelt, Sanitäranlagen, Schlafzelte mit Matratzen, jeweils Infobereiche mit Ständen verschiedener Abteilungen der Ahmadiyya, Bürozelte. In Basarbereichen werden auch Pizza und Pommes verkauft, während es in den Verpflegungszelten kostenlos nordindische Küche gibt, aber auch Schonkost.

Der Aufbau: Auf dem Gelände sind einige Fachfirmen beauftragt sowie große Kranwagen und Spezialisten für Zeltbau zu sehen. Vieles läuft aber in Eigenarbeit. Auf dem Gelände stehen bereits Fahrzeuge mit Kennzeichen aus ganz Deutschland, viele mit Aufkleber "Liebe für alle, Hass für keinen", mit dem die Ahmadiyya Muslim Jamaat auftritt.

Über alle Tage sollen mehr als 6.000 ehrenamtliche Helfer tätig sein – und das "sehr professionell aufgestellt", wie die Ordnungsbehörde des Kreises Mayen-Koblenz der Rhein-Zeitung erklärte: "In den Reihen der Gemeinde befinden sich für alle Themenbereiche Mitglieder, die im Hauptberuf solche Themen bearbeiten und ihr Know-how zur Verfügung stellen". Der stellvertretende Organisationsleiter Adeel Abbasi, Ansprechpartner für die Behörden, ist etwa Projektmanager bei der Deutschen Bahn.

Die Geschlechtertrennung: Die strikte Geschlechtertrennung und Kopftuchgebot bringen der Religionsgemeinschaft regelmäßig Vorwürfe in der Öffentlichkeit ein. Eine Unterdrückung der Frauen sei das aber nicht, sagt Lugman Majoka, zuständig für den interreligiösen Bereich. Wie bei anderen muslimischen Verbänden wird vom Schutz der Frau gesprochen. Die Frauen würden es schätzen, den spirituellen Veranstaltungen in ihrem Kreis folgen zu können. Frauen und Männer haben bei den Ahmadi eigene Organisationen, die jeweils selbstständig wirtschaften und Aktionen planen.

Mehr Frauen mit Abitur als Männer

Das Frauenareal wird zwar von Männern aufgebaut, geplant worden sei es aber von den Verantwortlichen des Frauenzweigs, so Vize-Orgachef Abbasi. Auch wenn die Ahmadi mit konservativem Rollenbild Hausarbeit und Kindererziehung als Frauenarbeit ansehen, ist der Bildungsstand der weiblichen Mitglieder sogar besser als bei den Männern: 53 Prozent mit Abitur bei Frauen nach den eigenen Erhebungen, die sich nicht überprüfen lassen, 48 Prozent bei Männern. Auf der Versammlung gibt es auch eine Art Hochzeitsbörse. Nach einer Regel aus den Gründungstagen dürfen Ahmadis nur Partner aus ihrer Religionsgemeinschaft heiraten. Das wird aber nicht mehr dogmatisch behandelt.

Die Sicherheit: Die örtliche Polizei im nahen Mayen ist durch das Festival "Rock am Ring" mit Veranstaltungen mit großen Menschenmengen vertraut und erwartet wenig Probleme. Beim Treffen wird auch kein Alkohol konsumiert, der oft Aggressionen schürt. Die Ahmadis stellen aus ihren eigenen Reihen eine Security, die auch flughafenähnliche Einlasskontrollen an Schleusen durchführen werde, sagt Sprecher Malik. In den Reihen der Religionsgemeinschaft seien auch Gläubige, die bei Polizei und auch bei Verfassungsschutz tätig seien. Aufs Gelände kommen auch geladene Gäste und angemeldete Interessierte aus der Region.

*Eine frühere Fassung war an dieser Stelle missverständlich und konnte so verstanden werden, dass die Kosten für die Kommune anfallen. Sie werden aber von Ahmadiyya getragen.

**Der Text wurde hier mit der Information aktualisiert, dass die Teilnahme des Kalifen abgesagt ist.

Verwendete Quellen
  • Besuch und Gespräche in Mendig
  • Telefonate mit Salif Malik
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