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Lauterbach-Entführung: Putschtruppe aus Reichsbürgern baggerte Bauern an


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"Wir wollen die Traktoren"
Telefonüberwachung zeigt: Putschtruppe baggerte an Bauern


11.01.2024Lesedauer: 6 Min.
Putsch-Prozess: In Koblenz stehen vier Männer und eine Frau vor Gericht, weil sie eine terroristische Vereinigung gegründet haben oder Mitglied gewesen sei sollen.Vergrößern des Bildes
Putsch-Prozess: In Koblenz stehen vier Männer und eine Frau vor Gericht, weil sie eine terroristische Vereinigung gegründet haben oder Mitglied gewesen sein sollen. (Quelle: Thomas Frey/dpa)
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Seit Monaten läuft der Prozess gegen eine Gruppe, die Karl Lauterbach entführen und die Regierung stürzen wollte. Mitschnitte zeigen jetzt, dass sie für ihre Pläne auch gezielt um Landwirte buhlten.

Die Landwirte haben sich bei ihren aktuell laufenden Protesten weitgehend gegen Vereinnahmungen von Extremisten wehren können und protestieren friedlich für ihr Anliegen. Mitten in ihrer Aktionswoche zeigt aber ein abgehörtes Telefonat auch: Eine mutmaßliche Terrorgruppe setzte Hoffnung auf Unterstützung durch Bauern und führte dazu Gespräche mit Personen, die für einen Teil der Bauern sprechen wollten. Die Hoffnungen wurden enttäuscht.

"Wir wollen die Traktoren": Das sagte Michael H. in einem Mitschnitt des Telefonats von Verschwörern. Er ist angeklagt als einer der mutmaßlichen Rädelsführer bei den Plänen, nach einer Lauterbach-Entführung und einem Blackout eine konstituierende Versammlung nach der Verfassung des Deutschen Reichs von 1871 einzusetzen. Am Oberlandesgericht Koblenz läuft seit Mai 2023 der Prozess gegen fünf Angeklagte, sie sind als "Vereinte Patrioten" bekannt geworden. Fünf weitere Personen sind seit Prozessbeginn verhaftet worden. Es gibt zudem diverse Bezüge zur noch größeren Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuss und die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann, denen der Prozess erst noch gemacht werden soll.

Telefonüberwachung seit Oktober 2021

Der laufende Prozess zeigt bislang, dass zumindest ein Teil der Beteiligten weitgehende Pläne hatte. Er zeigte aber auch, dass ihr Vorhaben vielfach noch unausgereift war und die Beteiligten sich sehr überschätzten. Die Gruppe wurde hochgenommen, nachdem Thomas O., eines der Mitglieder, zwei Kalaschnikow AK47 und vier Pistolen mitsamt Munition von verdeckten Ermittlern gekauft hatte.

Das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz hatte nach einem Hinweis des Verfassungsschutzes die Gruppe seit Wochen auf dem Radar, war bei Treffen dabei – und hörte mehrere Mitglieder von Oktober 2021 an ab. Ermittler schnitten mit, als sich drei Mitglieder der mutmaßlichen Putschgruppe am 16. Januar 2022 am Telefon austauschten. Es war ein Telefonat, in dem es auch um die Bauern ging.

Zum einen nahm die "Terror-Theologin" Elisabeth R. teil, die an den Fortbestand des Deutschen Reichs glaubt, an jüdische Mächte, die das verhindern wollen, und die verbissen daran arbeitete, es wieder zu aktivieren. Im Telefonat mahnte sie: "Wir müssen jetzt ran, wir haben nicht mehr viel Zeit."

R. drängte auf einen baldigen Termin für eine konstituierende Versammlung mit Männern mit deutscher Abstammung nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913. Sie solle dann die Regierung der Bundesrepublik ersetzen, ohnehin nur ein Firmenkonstrukt für R. Für die Versammlungen sollte der Mitangeklagte Sven Birkmann bewaffnet mehrere Schutzringe gegen Einschreiten der Polizei organisieren.

Telegram-Vernetzer führte das Wort

Birkmann ist voll geständig, hatte auch die Idee, Karl Lauterbach als vermeintlich unbeliebtesten Politiker zu entführen. Im Telefonat sagte R. zu ihm: "Sie machen Ihre Aufgabe hervorragend. Wir müssen dafür sorgen, dass Leute ausreichend da sind mit entsprechendem Equipment."

Das Wort führte im Telefonat aber Michael H., ein Alleinunterhalter aus Bad Zwischenahn, der der Gruppe einen Finanzier vermittelt hatte, der noch gesucht wird und sich offenbar nach Dubai abgesetzt hat. Wie Elisabeth R. war H. bei einer Reichsbürgergruppe "W.I.R." aktiv. H. hatte ein großes Netzwerk, ein Talk-Format auf YouTube und Telegram, er kannte viele – und zog in dem Telefonat am 16. Januar 2022 ein Zwischenfazit, woher Hilfe kommen könnte.

H. sprach davon, man habe "schon ein paar Landwirte, die sind schon bei uns drin". Über eine bekannte Person aus der Szene gebe es weitere Verbindungen in die Landwirtschaft: Gernot H. Gernot trat mit einem Markus L. auch zeitweise als Vertreter eines deutschen Ablegers der rechtsradikalen russischen "Nationalen Befreiungsbewegung" auf, sie präsentierten sich mit schwarz-orangenen Georgs-Bändchen. Mit dem Zeichen der Verbundenheit mit der russischen Regierungspolitik war auch Birkmann unterwegs: Russland und Putin waren für die Umsturzpläne große Hoffnungsträger.

"60 Prozent der Bauern sind Impflinge"

Gernot H., Nebenerwerbslandwirt aus dem Raum Kiel, reist zu nicht öffentlichen Vorträgen durch die Republik als Kopf einer Gruppe "Arminius Erben", bei der es sehr völkisch zugeht, mit Anklängen an NS-Ideologie. Aus diese Gruppe heraus wird auch aktuell versucht, die laufenden Proteste zu unterwandern: Mitglieder betreuen große Telegram-Gruppen "Verbraucher und Bauern geeint" zur Unterstützung der Bauern, wie t-online enthüllte.

In dem mitgehörten Telefonat sagte H., man wolle die Traktoren, solches Equipment sei wichtig. Zugleich beklagte er, man habe das schon "am 18. September probiert und gemerkt, denen kann man nicht trauen". Vor dem 18. September 2021 war mit pompösen Videos für eine Aktion "Zeit es zu beenden" in Berlin mobilisiert worden. In Sprachnachrichten hieß es, auch die Bauern kämen, sie spielten in den Aufrufen auch eine große Rolle. Birkmann war dann dort, H. war dabei, aber weder erhoffte Menschenmassen noch Bauern kamen. Im überwachten Telefonat zeigte sich H. enttäuscht: "60 Prozent der Bauern sind Impflinge."

Eine Rolle gespielt habe auch, dass sich die Stimmung im Ahrtal nach der katastrophalen Flut nicht wie erwartet entwickelt habe. Dort waren sehr viele Landwirte als Helfer im Einsatz, während staatliche Hilfe in Teilen langsam anlief. Die Reichsbürger hatten versucht, in einer Schule in Bad Neuenahr-Ahrweiler eine Kommandozentrale aufzubauen. "Wir hatten Hoffnung und haben gedacht, es dreht sich und deshalb passiert am 18. September was", berichtete H. Den Menschen dort sei schließlich alles genommen worden.

Aber die Bewohner verhielten sich nicht wie von den Möchtegern-Revoluzzer erwartet: "Die sind zum Impfen gegangen, haben die CDU gewählt und sind im System geblieben", so H. Und durch eine "satanische Umkehr" seien die, die ihnen helfen wollten, zu "Reichsbürgern und Nazis" erklärt worden. Die Stadt forderte die Gruppe in der Schule auf, sie zu verlassen. Über die Leitung dort hatte sich der frühere KSK-Oberst Maximilian Eder mit einem Vertrauten von Birkmann aus Thüringen gestritten, für den Birkmann eine mögliche Rolle bei der Lauterbach-Entfühurng vorgesehen hatte. Eder gehörte der anderen Putsch-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuss an.

In dem aufgezeichneten Telefonat fielen von H. Namen von weiteren Aktivisten aus der norddeutschen Landwirtschaft, mit denen er Kontakt hatte: Stefan R. und Ralf M. Auf Nachfrage über seinen Verteidiger erklärte H. nun t-online, er kenne sie, sie hätten aber keine besondere Rolle gespielt. Es sind Männer, die aktuell bundesweit Telegram-Gruppen für Bauernprotest "Verbraucher und Bauern geeint" mitverantworten. So postete Ralf M. in die Gruppe für Schleswig-Holstein den Aufruf, an den Fähranleger zu Robert Habeck zu kommen. Er ist auch vernetzt mit Personen aus Motorradclubs, die eine Facebook-Gruppe und WhatsApp-Gruppen zu den Protesten betreuen. Diese Verbindung zu Motorradclubs hat die "Ostsee-Zeitung" enthüllt.

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Verschwörer Michael H. sagte im Telefonat aber auch, es stünden zu viele Personen im Weg: "Wenn die weg wären ...", deutete er an, schob aber nach: "Da musst Du ganz schön viele wegräumen." Namentlich sprach er auch Anthony Lee an, den radikal auftretenden Sprecher der Bauernprotest-Organisation "Land schafft Verbindung" (LSV). "Lee schafft aber nicht das System ab, der ist in der CDU", so H. in dem Telefonat im Januar 2022. Lee hat die CDU Anfang 2023 verlassen und ist Spitzenkandidat der Freien Wähler Niedersachsen zur Europawahl und tritt als Grünen-Hasser auf.

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Die Gruppe hatte offenbar auch im Februar 2022 ein direktes Treffen mit jemandem, der zumindest vorgab, viele Landwirte hinter sich zu haben. Um wen es sich handelt, ist unklar. Sven Birkmann hat in einer früheren Aussage erklärt, im Kreis von zwölf bis 15 Leuten in Verden an der Aller habe er ausloten wollen, ob es Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit Landwirten gebe. Da sei ihm zumindest gesagt worden, für einen Blackout gebe es zwei günstige Zeitpunkte: nach der Aussaat oder nach der Ernte. "Erster Zeitpunkt wäre im Mai gewesen", so Birkmann. Er war aber dagegen, Zivilisten stärker einzubinden. Als die Pläne immer konkreter wurden, tauchten Bauern nicht mehr auf.

Michael H. habe einige der Gäste zu dem Treffen mitgebracht. H. und Theologin R. waren auch mit dem Gastgeber bekannt – Rigolf Hennig, früherer NPD-Politiker. Hennig war Deutschland-Leiter der offiziell aufgelösten internationalen Holocaustleugner-Gruppe "Europäische Aktion" und der Mann, der als "Präsident des Freistaates Preußen" und Ex-Militär auch die Voraussetzungen mitbrachte, Staatsoberhaupt zu werden. Er unterzeichnete für die Gruppe einen Haftbefehl gegen Lauterbach. Im März 2022 starb Hennig.

Im April 2022 wurde die Gruppe hochgenommen, der Prozess ist zunächst bis in den Sommer terminiert.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Teilnahme am Prozess
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