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Rupert Stadlers "Deal": Was verbindet den Ex-Audi-Chef mit dem Remmo-Clan?


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Eine Frage des Preises
Diese Justiz erschüttert das Vertrauen in den Rechtsstaat


Aktualisiert am 23.05.2023Lesedauer: 5 Min.
Mohamed R.Vergrößern des Bildes
Mohamed Remmo (r.) stand in Dresden mit anderen Clanmitgliedern vor Gericht. Er erhielt die im Deal ausgehandelte Mindeststrafe von vier Jahren. (Quelle: Matthias Rietschel)
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Dank eines "Deals" kommt der ehemalige Audi-Chef Stadler wohl mit einer Bewährungsstrafe davon. Wie auch Teile des Remmo-Clans. Es zeigt sich: Ob man in Deutschland bestraft wird oder nicht, ist eine Frage des Preises.

Gelegentlich kann man gar nicht so viel staunen, wie man sich wundern muss. Und das auch noch zweimal direkt hintereinander. Vergangene Woche ist im Strafverfahren gegen den Ex-Audi-Chef Rupert Stadler im Dieselskandal eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt worden. Und es ist das Urteil gegen die Dresdner Kunstschatz-Räuber des Berliner Remmo-Clans ergangen.

In so unterschiedlichen Welten diese beiden Strafverfahren und Verbrechen spielten, verbindet sie doch eines: In beiden Fällen legt der deutsche Rechtsstaat eine derart frühlingshafte Milde an den Tag, dass an seinem faktischen Funktionieren gezweifelt werden darf.

Rupert Stadler hatte sich wegen Betrugs zu verantworten. Audi hatte wie auch andere große deutsche Autohersteller bei Tests den Schadstoffausstoß der Dieselmotoren mittels Software manipuliert, um sich ein aufwendiges Bauteil in den Autos zu sparen. Der Skandal beschäftigt seit Jahren die Gerichte, nicht nur hierzulande. In den USA haben deutsche Autokonzerne horrende Strafen aufgebrummt bekommen.

Clan-Strukturen in der deutschen Autoindustrie

Man kann auch da, selbst wenn die beteiligten Herrschaften Schlips und jedenfalls weiße Kragen tragen, wie bei den Remmos von Clankriminalität sprechen, weil kein Mensch glauben mag, dass nur die deutschen Hersteller, aber allesamt gleichzeitig auf diesen weltweit wettbewerbsverzerrenden Kniff im Milliardengeschäft mit dem Auto kamen. Der "Spiegel" hat vor Jahren einmal zu Recht einen Preis bekommen für einen herausragenden Report über die heimlichen Absprachen der deutschen Autobosse, sich gegenseitig nicht wehzutun. Oder sich wechselseitig gegenüber der globalen Konkurrenz zu helfen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit war dieses Kartell (verboten wegen Wettbewerbswidrigkeit) auch hier am Werk.

In Paragraf 263 des Strafgesetzbuches heißt es zum Straftatbestand Betrug: "Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Zehn Jahre gibt es in besonders schweren Fällen, etwa wenn jemand "gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat" oder aber "einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen".

Mit einem Geständnis verschaffte sich Stadler einen "Deal"

Könnte man erst mal spontan sagen: Trifft beides in vollem Umfang zu. Also Betrug in besonders schwerem Fall, ergo bis zu zehn Jahre Haft für den seinerzeit verantwortlichen Audi-Manager? Pustekuchen. Eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren und 1,1 Millionen Euro Bußgeld werden Stadler in Aussicht gestellt. Obwohl die Anklage noch mindestens einen weiteren Straftatbestand mit ebenfalls bis zu drei Jahren Strafbewehrung aufgefahren hatte. Strafmildernd wirkte sich offenbar Stadlers Geständnis aus. Das hielt obendrein noch die Schnurre bereit, dass Stadler zwar von der Sauerei im Milliardenmaßstab wusste, sich aber nicht habe vorstellen können, was sie für Folgen hat, diese jedoch "billigend in Kauf" genommen habe.

Auf derart lebensfremdes Geschwurbel können nur Juristen kommen.

1,1 Millionen zahlt ein Mann wie Stadler mit einem Lächeln auf den Lippen. Der Ex-VW-Konzernchef Matthias Müller hat einmal die obszön hohen Gehälter der Automanager damit begründet, dass er und die Seinen "immer mit einem Fuß im Gefängnis" stünden. Was schon deswegen interessant ist, weil in einem Rechtsstaat nur ins Gefängnis kommt, wer sich einer Straftat schuldig gemacht hat. Und, wie der Fall Stadler zeigt: Nicht einmal dann stimmt das zwangsläufig bei einem Auto-Magnaten.

Vielleicht ist es einfach so: Ein Verbrechen ist gar nicht verboten. Es hat nur seinen Preis. Die Preisliste ist das Strafgesetzbuch. Aber den dort ausgewiesenen Preis zahlen wie beim Autokauf nur die Blöden. Alle andern lassen sich einen Rabatt rausschlagen, der die Kosten der engagierten Spitzenjuristen allemal wert ist. In Lebenszeit als freier Mensch etwa.

Oder man bietet einen Deal an. Hat ordentlich was zu verhandeln. Die eigene Beute zum Beispiel. Wie die Remmos, Mitglieder des berüchtigten libanesischen Berliner Clans, der den Kunstschatz August des Starken von schier unermesslichem Wert (mindestens 113 Millionen Euro) in einem atemberaubenden Raub in Dresden erbeutet hatte.

In Rede standen zunächst schwerer Bandendiebstahl und schwere Brandstiftung (wegen eines abgefackelten Fluchtautos). Alleine auf schweren Bandendiebstahl stehen bis zu zehn Jahre Knast. Paragraf 244a Strafgesetzbuch. Aber der Vorwurf wurde fallengelassen. Bei einem Clan, der notorisch unterwegs ist als Räuberbande, der schon die kunsthistorisch unbedeutende, aber 100 Kilogramm schwere Goldmünze aus dem Bode-Museum in Berlin rollte und irgendwo einschmelzen ließ. Die Tatvorwürfe lauteten schließlich Diebstahl mit Waffen, gemeinschädliche Sachbeschädigung und besonders schwere Brandstiftung in Verbindung mit gefährlicher Körperverletzung.

Rausmarschiert aus dem Gerichtssaal sind die Remmos mit einem Freispruch und Haftstrafen zwischen vier Jahren und vier Monaten Haft und sechs Jahren und drei Monaten. Weil berücksichtigt wurde, dass sie über ihre Verteidiger dafür sorgten, dass ein Teil der Beute wieder auftauchte. Ein klassischer Deal.

Es ist ungefähr zu ermessen, welches Bild sich der arabische Clan vom hiesigen Rechtswesen auf Grundlage dieser Urteile macht. Und es ist nur ungefähr zu ermessen, wie es den Ermittlern der Dresdner Soko "Epaulette" mit diesen Urteilen geht, die in schier unglaublicher, akribischer Arbeit den Tätern auf die Schliche gekommen waren.

In Frankreich muss Ex-Präsident Sarkozy eine Fußfessel tragen

Nur zum Vergleich ein Blick über den Rhein: Ebenfalls vergangene Woche ist der frühere Präsident Nicolas Sarkozy zu drei Jahren Haft wegen Korruption verurteilt worden, zwar auf Bewährung, aber für ein Jahr mit einer Fußfessel.

Ein funktionierender Rechtsstaat ist existenziell für den gesellschaftlichen Frieden in einem Gemeinwesen. Wenn der Eindruck entsteht, dass vor Gericht zu viel geschachert wird, um der gerechten Strafe zu entgehen, dann geht das Vertrauen in den gemeinsamen Rechtsraum und damit Vertrauen in diesem Gemeinwesen verloren.

Immer wieder wird bei Debatten über Strafverschärfungen hier oder da ins Feld geführt, dass die geltenden Strafmaße ausreichten, wenn man sie ausschöpft. Das ist ein valides Argument. Aber nur dann, wenn der Rechtsstaat das auch tut. Sonst erodiert hier was. Das Recht selbst, und noch schlimmer: Der Glaube an Recht und Gerechtigkeit und damit der gesellschaftliche Zusammenhalt.

Die Remmos sind vorläufig weiter auf freiem Fuß. Das Urteil gegen Stadler wird am 27. Juni gesprochen.

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