CDU-Chef bei der Jungen Union Kritik an Laschet: "Alles viel zu wenig und viel zu spät"
Armin Laschet hat seine Partei auf die künftige Rolle von CDU und CSU vorbereitet: die Opposition. Beim Deutschlandtag hatten die JU-Politiker nicht nur Lob für den Parteichef übrig – sondern gingen mit ihm auch hart ins Gericht.
In der Aussprache mit Unionskanzlerkandidat Armin Laschet haben viele Delegierte der Jungen Union schonungslose Kritik am misslungenen Wahlkampf geäußert. So hieß es beim Deutschlandtag in Münster etwa: "Alles viel zu wenig und viel zu spät". Ein Berliner JU-Wahlkämpfer warf Laschet vor: "Sie haben uns auf einen Kuschel-Wahlkampf eingestellt. Nur leider hat der politische Gegner nicht mitgekuschelt." Stattdessen hätten die Wettbewerber hart gegen die Union und gegen Laschet persönlich polarisiert.
"Wir haben nicht den Kampfanzug angezogen, sondern Zuneigung von Leuten gesucht, die nie vorhatten, uns zu wählen." Weiter hieß es: "Ich war von Anfang an nicht für Sie als Parteivorsitzender." Die Delegierten zollten Laschet aber auch Respekt, dass er sich der Aufarbeitung in Münster persönlich gestellt und Fehler eingeräumt habe.
Laschet übernimmt Verantwortung
Laschet übernahm in seiner Rede die alleinige Verantwortung für das miserable Abschneiden der Union bei der Bundestagswahl. "Wir haben ein bitteres Ergebnis erzielt", sagte er in Münster. "Nichts lässt sich schön reden. Die Verantwortung trage ich als Vorsitzender und Kanzlerkandidat", sagte Laschet. "Den Wahlkampf, die Kampagne habe ich zu verantworten und sonst niemand."
Laschet dankte der Jungen Union für das Engagement und den "unermüdlichen Wahlkampf". "Wo immer ihr gebraucht wurdet, habt ihr gekämpft", so der CDU-Kanzlerkandidat. "Ich habe immer diese Unterstützung gespürt." Die Union sei an einem Punkt, den sie noch nicht erlebt hätte: die Opposition. Es sei nun eine klare Fehleranalyse nötig.
Konter gegen Merz
Der CDU-Chef wies die Kritik seines Parteifreundes Friedrich Merz zurück, die Union sei ein "insolvenzgefährdeter schwerer Sanierungsfall". "Ich teile übrigens nicht die Formulierungen, die eher der Wirtschaft entliehen sind, dass wir nun ein totaler Sanierungsfall sind", sagte Laschet. "Ich schätze Friedrich Merz und ich schätze auch seine Analysestärke, aber wir haben ein gutes Programm gehabt, wir haben Positionen gehabt, für die wir auch weiter stehen." Es komme nun darauf an, nicht "schrill" oder "plump" zu werden. Man müsse nun "klug und intelligent den Finger in die Wunde legen", wo die künftige Regierung etwas falsch mache, so Laschet.
Der Wirtschaftsexperte Merz, einst Konkurrent Laschets im Kampf um den CDU-Vorsitz, hatte am Freitagabend in Münster das Bild einer dramatischen Situation der Union gezeichnet. Er gilt wieder als möglicher Aspirant für den Parteivorsitz, wenn sich Laschet zurückzieht.
"Papier ist in Ordnung"
Die Union könne sich wie 1998 auch nach der schweren Niederlage wieder schnell erholen, wenn sie sich richtig aufstelle, sagte Laschet zudem. Er kritisierte die Indiskretionen aus CDU und CSU bei den Sondierungen. Wenn man ein Jamaika-Bündnis nicht wolle, hätte man das offen sagen sollen. "Dass man den CDU-Bundesvorstand im Liveticker mitlesen kann, war schon der Beginn einer Schwächung im Wahlkampf", so Laschet. "Solange ich CDU-Vorsitzender bin, gilt dieses Handyverbot."
In seiner Rede sprach sich Laschet außerdem gegen die Mitgliederbefragung zur Bestimmung einer neuen Parteispitze im Bund aus. Auch ein Bundesparteitag sei "immer noch ein sehr gutes Instrumentarium, um die Breite der Partei abzubilden", sagte der Parteichef. Man solle nicht so tun, als entschieden Bundesparteitage mit mehr als 1.000 Delegierten an der Basis vorbei. "Ich bin nicht prinzipiell dagegen", sagte Laschet. "Wir können das mal machen." Man sollte aber auch anerkennen, dass es in Konsensgesprächen leichter sei als in Mitgliederbefragungen, mehr junge Leute und Frauen in Vorstandsposten zu bekommen.
Mit Blick auf das Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP sagte der CDU-Chef: "Das Papier, das da vorgelegt wurde, ist in Ordnung." Es werde nicht leicht in der Opposition, insbesondere nicht mit der Ampel.
"Laschet konnte die Herzen der Menschen leider nicht erreichen"
Die Junge Union war nach dem historischen Desaster von CDU und CSU bei der Bundestagswahl bereits vor Laschets Besuch hart mit ihren Mutterparteien ins Gericht gegangen. Zum Unionskanzlerkandidaten und CDU-Chef hieß es in einem Antrag des JU-Bundesvorstands für den Deutschlandtag am Samstag: "Armin Laschet konnte die Herzen der Menschen leider nicht erreichen. Ganz im Gegenteil: Viele Wähler haben der Union wegen des Personalangebots die Stimme nicht gegeben."
Der JU-Bundesvorstand kritisiert: "Eine solche Kandidatur ist aber keine One-Man-Show. Weder im Sieg noch in der Niederlage." Nur wenige im Bundeskabinett seien im Wahlkampf hilfreich gewesen, heißt es weiter in dem Papier "Neuanfang. Unser Plan für eine moderne Volkspartei". Auch die Spitzen von CDU und CSU hätten "keine gute Figur abgegeben". Die Analyse lautet: "Wir haben aus eigener Schwäche verloren, nicht wegen der Stärke der anderen."
"Motor der personellen und inhaltlichen Erneuerung"
Die Union muss sich nach Ansicht der JU-Bundesspitze "von unten erneuern und gleichzeitig weiblicher und vielfältiger werden". Nur mit "neuen, in der Öffentlichkeit unverbrauchten Köpfen" und der Einleitung eines Generationenwechsels seien neue Wähler zu gewinnen. Mit Blick auf die Themen Wirtschaft und Klimaschutz, steigende Wohnkosten, Rente und Migration warnt der Antrag: "Wenn wir hier nicht stärker werden und mit einfachen, klaren Botschaften agieren, werden wir einen Großteil der Bevölkerung nicht mehr erreichen."
Die JU sieht sich selbst als "Motor der personellen und inhaltlichen Erneuerung unserer Partei". Sie beklagt aber, "dass die Union so schlechte Ergebnisse bei Erst- und Jungwählern hat". Ziel sei es, mehr "als Anwalt für die junge Generation" wahrgenommen zu werden.
Vor der Wahl einer neuen CDU-Spitze auf einem Sonderparteitag sei eine Mitgliederentscheidung von zentraler Bedeutung, denn: "Es würde unsere Partei zerreißen, wenn jetzt erneut eine wegweisende Personalentscheidung an den Mitgliedern vorbei getroffen würde." Bundeschef Tilman Kuban hatte zum Auftakt der Tagung am Freitag betont, die JU müsse "mit neuen Köpfen, neuer Programmatik und neuem Zusammenhalt zwischen CDU und CSU vorangehen".
- Deutschlandtag der Jungen Union am 16. Oktober 2021
- Nachrichtenagenturen dpa und Reuters