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Olaf Scholz bei "Markus Lanz": "Ich bin ein sehr emotionaler Sozialdemokrat"


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SPD-Kanzlerkandidat bleibt souverän
Scholz bekommt bei "Markus Lanz" kräftig Contra

Eine TV-Kritik von Christian Bartels.

Aktualisiert am 16.06.2021Lesedauer: 4 Min.
Olaf Scholz (Archivbild): In der jüngsten Lanz-Sendung ließ der SPD-Kanzlerkandidat sich nicht aus der Ruhe bringen.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz (Archivbild): In der jüngsten Lanz-Sendung ließ der SPD-Kanzlerkandidat sich nicht aus der Ruhe bringen. (Quelle: imago images)
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Weit nach Mitternacht ließ sich der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz bei Markus Lanz weder durch Fußball, noch durch scharfe Fragen aus der Ruhe bringen.

Durch ausuferndes Fußball-Bereden und ZDF-Eigenwerbung bis kurz vor Mitternacht geschoben, sendete Markus Lanz dennoch ausdrücklich "live". Und ging gleich in einen Talkshow-Spagat mit zwei unterschiedlichen Fußball-Themen und einem scharf geführten Interview mit SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Je später es wurde, desto weniger ließ der spröde Bundesfinanzminister sich in irgendeine Bredouille bringen.

Die Gäste

  • Olaf Scholz, SPD-Kanzlerkandidat
  • Ulrike Herrmann, "taz"-Journalistin
  • Béla Réthy, ZDF-Sportreporter
  • Ewald Lienen, Ex-Fußballtrainer und -spieler
  • Daniel Engelbrecht, Ex-Fußballprofi

Zunächst ging es nahtlos weiter im ZDF-Programmfluss. Aus München war Sportreporter Béla Réthy zugeschaltet, der gerade das EM-Auftaktspiel der deutschen Nationalmannschaft kommentiert hatte. Réthy fand es "super", dass wieder Publikum im Stadion war. Kritik an Bundestrainer Joachim Löws Taktik, die im ZDF irgendwie niemand üben wollte, äußerte im Studio der Ex-FC St. Pauli-Trainer Ewald Lienen. Doch war das nur Vorgeplänkel, denn als großes Fußball-Thema hielt der Zusammenbruch des dänischen Spielers Christian Eriksen im EM-Spiel am Samstag her. Kommentiert hatte ebenfalls Réthy, das ZDF war kritisiert worden, dass es während der Spielunterbrechung zu lange weiter übertragen hatte. Réthy nahm die Regie, die ja auch überrascht gewesen sei, und sich selbst in Schutz: "Man ist kein Reporter mehr, man ist dann nur noch Mensch."

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Passend zum Thema saß mit Daniel Engelbrecht ein Ex-Fußballprofi im Studio, der 2013 selbst während eines Spiels einen Herzstillstand infolge einer verschleppten Herzmuskelentzündung erlitten hatte. Allerdings hatte er nach wenigen Minuten weitergespielt, weil das wahre Problem zunächst niemand erkannt hatte. Der Ex-Fußballer hatte vor Jahren schon mal bei Lanz gastiert. Nun schilderte er sowohl seine Erfahrungen als auch seine aktuellen Eindrücke.

Lienen, der einst in der Bundesliga gespielt hatte, bekannte, "vorm Fernseher geweint" zu haben. Die Journalistin Ulrike Herrmann dagegen hatte bloß "Gänsehaut" und dann den Eindruck gewonnen, dass eigentlich "alle gleichzeitig das Richtige gemacht haben", weil Eriksens Zustand ja schnell erkannt und das Spiel rechtzeitig unterbrochen worden war. Kurzum: Alle äußerten subjektive Empfindungen, und Lanz' Frage "Wo verläuft die Grenze zwischen Dokumentationspflicht und Voyeurismus?" musste unbeantwortet im Raum stehen bleiben. Allerdings konnte man sich im Publikum auch fragen, ob das ausgiebige Einspielen der Bilder, die am Samstag live gelaufen waren, und von Réthys überraschter Reportage die Grenze zum Voyeurismus nicht auch schon streiften.

"Ich bin ein sehr emotionaler Sozialdemokrat"

Nur Olaf Scholz bemühte sich, nichts zum Thema Fußball zu sagen, mit dem sich ja wirklich keine Wahlkämpfe gewinnen lassen. Der SPD-Politiker kam erst nach einer guten halben Stunde dran, als Lanz mit bemühten Überleitungen wie "Wenn die SPD eine Nationalelf wäre, auf welcher Position würden Sie spielen?" das Thema wechselte. Ist es wahrscheinlicher, dass Deutschland Europameister wird oder Scholz Kanzler? Der SPD-Kandidat ließ sich weder zu einer Antwort darauf noch überhaupt provozieren, sondern strahlte eiskalt entspannt Ruhe aus. Hat er angesichts der niedrigen Umfragewerte seiner Partei mal überlegt, aus der SPD auszutreten? "Ich bin ein sehr emotionaler Sozialdemokrat", antwortete Scholz, um dann gleich noch im selben Satz "Gerechtigkeit", also einen der zentralen Wahlkampf-Begriffe seiner Partei, unterzubringen. Dieses Muster wiederholte sich. Scholz antwortete immer zumindest ein bisschen auf Fragen und kriegte zugleich den Bogen in den Wahlkampf.

Dabei bekam er kräftig Contra. Lanz konfrontierte ihn etwa mit der SPD-Kritik, die Sigmar Gabriel neulich bei ihm geäußert hatte, und die Scholz abbügelte (als ehemaliger Parteichef müsse Gabriel sich selbst Fragen stellen), und mit der Thierse-Identitätspolitik-Debatte, die breite Wellen geschlagen hatte. Das sei bloß noch ein Medienthema, so Scholz: "Wenn Sie nicht nachfragen würden, würden wir gar nicht mehr über das Thema reden".

Im Studio bildete sich sogar eine Koalition gegen den SPD-Kanzlerkandidaten. "Wenn jemand den Niedriglohnsektor in Deutschland erfunden hat, war es die SPD", argumentierte die "taz"-Journalistin mit Blick auf Gerhard Schröders "Agenda 2010", den damaligen Kanzleramtschef ("Herr Steinmeier, der heutige Bundespräsident") sowie Scholz als damaligen Generalsekretär. Dazu wurde im Studio-Hintergrund ein "Agenda 2010"-Wahlplakat von Scholz, damals noch mit leicht lockigen Haar, eingeblendet.

Lienen hatte mit einem befreundeten Dortmunder Ex-Sozialdemokraten auch allerhand SPD-Kritik vorbereitet, die er nur zu kleinen Teilen loswerden konnte. Scholz ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Auch die rot-grüne Bundesregierung habe einst "eine ganze Reihe von Verbesserungen durchgesetzt", er selbst habe sich immer für "ordentlichen Mindestlohn" eingesetzt. Herrmanns Vorwurf, dass das SPD-Wahlprogramm kurz und unpräzise sei, konterte er mit: "Wir haben ein Programm gemacht, das nicht so lang ist, damit man es auch liest".

Scholz bleibt auch nach Mitternacht noch souverän

Kam Herrmanns Kritik klar von links, versuchte Lanz es aus nicht so linker Perspektive: Scholz' Mindestlohn-Pläne würden Restaurantbesuche und anderes im täglichen Leben teurer machen. "Wir gucken auf die Welt nicht nur als Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch auf die Würde der Arbeit", lautet der dazu passende Scholz-Spruch.

Kurzum: Weit nach Mitternacht erwies sich der Bundesfinanzminister als hochkonzentriert und souverän. Ob man seine Politik nun überzeugend findet oder nicht – den Eindruck, dass Scholz, sollte er tatsächlich Bundeskanzler werden, solche Erfahrung mitbrächte, wie sie Armin Laschet und erst recht Annalena Baerbock fehlen, dürften am Ende dieser Sendung viele im Publikum mitgenommen haben. Wäre die "Markus Lanz"-Show aus der Dienstagnacht das EM-Spiel Frankreich gegen Deutschland gewesen, dann wäre Scholz eindeutig Frankreich und hätte auch noch höher gewinnen können.

Verwendete Quellen
  • "Markus Lanz" vom 15. Juni 2021
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