Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sondierungsgespräche Noch fehlt der weiße Rauch über der SPD-Zentrale
Den Tag über haben Union und SPD gezeigt, dass sie Probleme lösen können. Doch auch eine Einigung wäre nur der erste Schritt.
Wann immer sich größere Menschengruppen zusammenfinden, um eine wichtige Entscheidung zu treffen, drängt sich der Vergleich mit der Papstwahl auf. Man sagt dann, man warte auf den weißen Rauch, der aufsteige, wenn das Konklave einen Papst gekürt habe.
Meistens ist dieser Vergleich schief. Am womöglich letzten Tag der Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD aber passt er, weil sich die Delegationen eingeigelt haben, wie es die Kardinäle sonst tun.
Während der Jamaika-Verhandlungen kamen Nachrichten und Unterhändler mit Nachrichten nach draußen. Diesmal verbreitete sich sogar das Gerücht, es seien drinnen Mobiltelefone eingesammelt worden. Es wurde dementiert - aber überraschen würde es wohl auch niemanden.
Ausgang: offen
Es gibt aber einen Unterschied zum Konklave: Irgendeinen Papst gibt es immer. Völlig unklar ist dagegen, ob es diesmal reichen wird. Ob Deutschland den entscheidenden Schritt hin macht zu einer neuen Regierung. Oder ob wieder alles zerfällt. Ob sich auch diese Option zerschlägt wie die Gewissheit, dass sich die Parteien schon zusammenraufen werden, weil sie es immer getan haben. Bisher.
Wer behauptet, er wüsste die Zeichen zu deuten, überschätzt sich.
Klar ist aber: Es herrscht nicht die große Harmonie, die den beiden Spitzen Merkel und Schulz etwa während des TV-Duells angedichtet worden war. Die Parteien fallen einander nicht um den Hals. Es gibt Vorbehalte und es gibt inhaltliche Differenzen.
Noch am Vormittag hatten Kanzlerin Merkel und SPD-Chef Schulz betont, es würden jetzt schwierige Fragen verhandelt, dicke Brocken gewälzt, sagten beide. "Wir wissen, dass wir Lösungen finden müssen", sagte Merkel.
Die Sechser-Runde soll es richten
Noch am Nachmittag drang dann doch so viel nach außen: In entscheidenden Politikfelder wie Gesundheit, Europa oder Rente wird noch hart verhandelt. Forderungen wie die nach einer Bürgerversicherung oder nach einer Solidarrente, die von der SPD zur Bedingung erklärt worden waren, schienen nicht erfüllt zu werden.
Richten sollen es die die sechs Partei- und Fraktionschefs. Schulz und Andrea Nahles für die SPD, Merkel und Volker Kauder für die CDU, Horst Seehofer und Alexander Dobrindt für die CSU. Seit dem frühen Abend sitzen sie zusammen. "Open end" sei vereinbar, hieß es. Wieder eine lange Nacht also - wie sie die Kanzlerin schätzt, um viele lose Enden zusammenzubinden. Aber auch diese Strategie ging während der Jamaika-Sondierungen nicht auf. Nun: auf ein Neues.
Glyphosat soll nicht mehr eingesetzt werden
Dass die Parteien zusammenarbeiten können, bewiesen sie aber auch. In einem Papier legten sie fest, die Nutzung des Unkrautvernichters Glyphosat einzudämmen und nach und nach zu verbieten. Damit wurde ein Brocken aus dem Weg geräumt.
Ansonsten wurde schon in den vorigen Tagen bekannt, dass die Koalition, so sie zustande kommt, das Klimaziel für 2020 aufgeben würde. Es sei nicht mehr zu erreichen. Dafür sollten erneuerbare Energien schneller ausgebaut werden, der Spitzensteuersatz soll wohl erst später greifen. Insekten sollen geschützt und ein Tierwohllabel soll eingeführt werden.
Sonst bleiben die Ergebnisse vage.
Nur ein Schritt von vielen
Das heißt aber auch: Selbst wenn das Ende der Gespräche nicht verschoben wird und selbst wenn in der Nacht eine Einigung verkündet wird, ist noch nichts sicher.
Embed
Zuerst muss ein SPD-Parteitag am 21. Januar zustimmen, dass Koalitionsverhandlungen eröffnet werden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der heute noch einmal die Verantwortung der Parteien anmahnte, konnte die Parteispitze in vertraulichen Gesprächen an den Verhandlungstisch appellieren. Die Basis kann er nicht so beeinflussen.
Die Jusos mobilisieren weiter Widerstand. Auch der thüringische Landesverband hat sich gegen eine Koalition ausgesprochen. Der Wunsch nach Erneuerung ist groß. Ein "Ja" der Partei ist nicht ausgemacht, selbst wenn die Unterhändler es empfehlen.
In etwaigen Koalitionsverhandlungen müssten sehr viele Details geklärt werden, die in den vagen Absichtserklärungen der Sondierungsgespräche offen bleiben. Am Ende werden die SPD-Mitglieder über einen möglichen Koalitionsvertrag abstimmen. Noch viel Zeit für Gegner eines schwarz-roten Bündnisses, um Stimmung zu machen.
Aber zuerst müssen die drei Parteien überhaupt verkünden, dass es weitergeht. Noch schweigen sie.
Quellen:
- eigene Recherchen
- Sondierungspapiere
- dpa