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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Erstes TV-Duell Der Punktsieger heißt Merz
![Friedrich Merz und Olaf Scholz: Sie treten im TV-Duell gegeneinander an. Friedrich Merz und Olaf Scholz: Sie treten im TV-Duell gegeneinander an.](https://images.t-online.de/2025/02/cldVOeC2uto7/76x52:1858x1045/fit-in/1858x0/friedrich-merz-und-olaf-scholz-sie-treten-im-tv-duell-gegeneinander-an.jpg)
Das erste TV-Duell zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und seinem Herausforderer Friedrich Merz hat einen Sieger nach Punkten hervorgebracht. Gewinner des Abends ist aber jemand ganz anderes. Unsere politische Kultur.
Mit Kanzlern und solchen, die es werden wollen, ist es auch nicht anders als mit unsereins. Manches kann man ganz gut, und anderes eben nicht. Olaf Scholz zum Beispiel kann ganz bestimmt ganz viele Dinge sehr gut, sonst wäre er sicher nicht Bundeskanzler geworden. Aber begeisternd reden konnte er noch nie, schon vor 30 Jahren als Juso-Vorsitzender nicht, und daran hat sich bis heute wenig geändert.
Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz wiederum kann bestimmt viele Dinge nicht so gut wie Olaf Scholz, aber reden kann er verdammt gut, das konnte er schon vor mehr als 30 Jahren bei einem Redewettbewerb im Bonner Wasserwerk, bei dem er als junger unbekannter Schlaks alle Konkurrenten als Newcomer an die Wand redete.
Das war von den Begabungen her die Ausgangslage dieses ersten, mit Hochspannung erwarteten Duells zwischen diesen beiden so grundunterschiedlichen Männern.
Und dann das. Zu Beginn befand sich Rhetor Maximus Merz in einer Defensive, aus der es kein Entrinnen zu geben schien über die erste Viertelstunde hinweg. Sein parlamentarischer Pakt mit der AfD in der vergangenen Sitzungswoche beim Thema Migration bescherte ihm die Rolle des Defensivverteidigers gegen beide Moderatorinnen und den Amtsinhaber im Verbund. Eine Rolle, die ihm gar nicht liegt, im Angriff ist er besser. Und eine Rolle, über die er sich auch gar nicht beklagen konnte. Denn er hatte dieses Setting, diese Ouvertüre durch sein streitbares Agieren im Bundestag nachgerade heraufbeschworen.
Dann drehte der Wind
Und doch drehte sich der Wind sehr schnell. Schon als es zur Lage in der Flüchtlingspolitik kam, zu den Gründen für seine möglicherweise impulsive Vorgehensweise nach dem Attentat von Aschaffenburg, geriet der Amtsinhaber Olaf Scholz in die Verteidigungshaltung. Und dort blieb er dann über die meiste Zeit des Rededuells auch. Einfach deshalb, weil die Bilanz seiner Kanzlerschaft, die Bilanz seiner Ampel so enttäuschend ist, dass Merz oftmals nur leise lächeln musste, wenn Scholz wieder ausführte, was er alles toll und richtig gemacht und auf den Weg gebracht habe.
Vollends realsatirisch wurden die Ausführungen von Scholz, als er bei der Diskussion für die Gründe über die sich fortsetzende Rezession mehr oder weniger wörtlich den Satz sagte: Wir sind deshalb so schlecht, weil wir so gut sind. Gemeint war damit, dass Deutschland die wirtschaftliche Krise infolge des Ukraine-Krieges härter getroffen habe als die anderen europäischen Länder (die längst aus der Konjunkturdelle raus sind), weil Deutschland so exportstark ist.
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Scholz erzählt viel von seinen persönlichen Glanztaten
Überhaupt hat Scholz in seiner eigenen Wahrnehmung eigentlich alles richtig gemacht (er benutzte die Wortkombination "Ich habe" inflationär an diesem Abend), was die Frage unbeantwortet im Raum stehen ließ, warum die Lage dann so glänzend nicht ist. Viel musste Merz da gar nicht machen. Das stand für sich. Und gegen Scholz.
Insgesamt haben die Zuschauerinnen und Zuschauer einen Schlagabtausch erlebt, der bei aller Kontroverse von wechselseitigem Respekt geprägt war. Scholz und Merz sind gelegentlich direkt aufeinander eingegangen, haben sich nicht aus Prinzip beharkt, sondern auch mal recht gegeben, und sei es nur mit einem Kopfnicken passiert. Sie haben sich bei allem gepflegten Streit immer wieder einander zugewandt und sich zugehört. Insofern ist an diesem Abend die politische Kultur dieses Landes der erste Sieger.
Der zweite dürfte in den Augen der meisten Zuschauerinnen und Zuschauer Merz gewesen sein. Aber nicht, weil der Redner Merz den Nichtredner Scholz an die Wand geredet hätte. Sondern schlicht, weil der Kanzler mit einem schweren Rucksack einer vorzeitig gescheiterten und insgesamt enttäuschenden Ampelregierung in den Ring steigen musste. Es liegt in der Natur der Sache, dass derjenige dann behender unterwegs ist, der diesen 30-Kilo-Rucksack im Ring nicht mit sich herumschleppen musste. Daher nach der politischen Kultur ein weiterer Sieger nach Punkten: Friedrich Merz.
Der wirkliche Sieger aber, die wirklichen Gewinner dieses Abends sind die Zuschauerinnen und Zuschauer. Sie konnten sich, auch dank der ausgezeichneten Moderation von Maybrit Illner und Sandra Maischberger, ein einigermaßen präzises Bild machen von den Kandidaten und ihren Positionen, die bei Bürgergeld, Steuern, Nato-Beiträgen und Energiepolitik sehr trennscharf herausgearbeitet wurden.
Insofern: Ein guter Abend für die Debattenkultur in dieser Demokratie. An dessen Ende Olaf Scholz die Wende nicht herbeigeführt haben wird. Aber Friedrich Merz die Wahl auch noch nicht endgültig gewonnen hat.
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