Internationale Pressestimmen "Merkel ist die wichtigste Wahlkämpferin des linken Lagers"
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Welche Folgen hat Merz' Manöver zur Verschärfung der Asylpolitik? Ein entsprechender Gesetzentwurf ist am Freitag im Bundestag gescheitert. Internationale Medien kritisieren die Strategie des CDU-Chefs.
Friedrich Merz' Versuch, mit dem "Zustrombegrenzungsgesetz" ein schärferes Gesetz zur Migrationspolitik durchzubringen, ist an der fehlenden Zustimmung im Bundestag gescheitert (mehr dazu lesen Sie hier). Die meisten internationalen Medien sind sich einig: Die Strategie des CDU-Vorsitzenden hat sich als riskantes Manöver entpuppt, das sowohl ihm als auch seiner Partei geschadet hat.
Während einige Blätter die Ablehnung des Gesetzes durch SPD und Grüne kritisieren, stellen andere vor allem Merz' eigene Fehler in den Vordergrund. Eine Übersicht:
"NZZ": SPD und Grüne sind unglaubwürdig
Die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) nimmt die Regierungsparteien ins Visier: "Konkret haben SPD und Grüne dafür gesorgt, dass ein von der CDU, der FDP und auch der AfD befürwortetes Gesetz, das Zustrombegrenzungsgesetz, nicht verabschiedet wurde." Unterstützung habe es zudem von Abweichlern aus der FDP und CDU gegeben, ebenso von Ex-Kanzlerin Angela Merkel, die "mittlerweile als wichtigste Wahlkämpferin des linken Lagers gelten darf".
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich habe scharfe Worte gefunden, aber wenig zur eigentlichen Problematik beigetragen: "Die 'Lebensader der Demokratie' sei 'beschädigt', fauchte der SPD-Fraktionschef Mützenich, Merz habe 'das Tor zur Hölle' geöffnet. Nur über eines sprach Mützenich kaum: über das Gesetz, um das es ging."
Gleichzeitig bescheinigt die Zeitung dem Unionskanzlerkandidaten eine "starke Rede" und betont: "SPD und Grüne haben sich dagegen als Taktierer entblößt."
"de Volkskrant": Christdemokraten wollen härtere Migrationspolitik
Die niederländische Zeitung "de Volkskrant" hebt hervor, dass Migration für viele Deutsche als eines der größten Probleme wahrgenommen werde, auch "im Ergebnis erfolgreicher Kampagnen der AfD". Viele Christdemokraten drängten daher auf eine härtere Asylpolitik, und "ein größer werdender Teil von ihnen ist auch bereit, dabei mit der AfD zusammenzuarbeiten".
Die Zeitung stellt jedoch klar, dass Merz keine Koalition mit der AfD auf Bundesebene anstrebe. Dennoch warnt sie vor einer möglichen Normalisierung solcher Zusammenarbeit: "In deutschen Medien äußern Experten Befürchtungen, wonach eine Zusammenarbeit auf regionaler Ebene Schule machen könnte." Besonders in Ostdeutschland, wo die AfD stark sei, wachse "die Versuchung für die CDU immer größer."
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"La Stampa": Merz zahlt für eigene Fehler
Die italienische Zeitung "La Stampa" sieht das Debakel vor allem als Folge einer Fehleinschätzung von Friedrich Merz: "Es hätte der Tag sein sollen, an dem Merz eine Abstimmung nach Hause bringt, die den Wahlkampf entscheidend nach rechts verschiebt. (...) Stattdessen wurde es im Parlament ein Tag der Niederlage."
Besonders kritisch sieht das Blatt Merz’ Strategie im Umgang mit der sogenannten "Brandmauer" zur AfD: "Eine Entscheidung wie den Abriss der Brandmauer [...] lässt sich nicht improvisieren. Und er hat sie, das muss man klar sagen, improvisiert." Der CDU-Chef habe es zudem versäumt, seine eigenen Leute ins Boot zu holen: "Er hat sie nicht ausreichend mit den eigenen Leuten geteilt. Er hat sie rhetorisch nicht überzeugend artikuliert. Er hat sie nicht für die öffentliche Meinung vorbereitet."
"New York Times": Ein riskantes Glücksspiel – und eine krachende Niederlage
Die "New York Times" spricht von einem "außergewöhnlichen politischen Risiko" für Merz – einem, das nicht aufgegangen sei. "Der Mann, der lange als Favorit für das Amt des nächsten deutschen Kanzlers galt, ging in dieser Woche ein außergewöhnliches Risiko ein – sowohl für seine politische Zukunft als auch für die seit Langem bestehende Abgrenzung Deutschlands gegenüber politischem Extremismus. Es ging nicht so aus, wie er gehofft hatte."
Die Zeitung hebt hervor, dass Merz sich mit Unterstützung der AfD für eine härtere Migrationspolitik eingesetzt habe – ein Schritt mit gravierenden Folgen: "Am Freitag endete das Manöver in einer krachenden legislativen Niederlage für Herrn Merz, in Unstimmigkeiten innerhalb seiner eigenen Partei und in jubelnden Bekundungen neuer Legitimität seitens der AfD."
Damit sei nicht nur Merz’ Position als Spitzenkandidat gefährdet, sondern auch eine politische Grundregel in Deutschland: "Herr Merz' Bereitschaft, sich auf die Unterstützung der AfD zu verlassen, hat ein Tabu in der deutschen Politik gebrochen, das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Bestand hatte."
- The New York Times: "German Opposition Gambles With Far-Right on Immigration, and Loses"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Dieser Text wurde teilweise mit maschineller Unterstützung erstellt und redaktionell geprüft. Wir freuen uns über Hinweise an t-online@stroeer.de.