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Biden und Scholz wollen Tomahawk-Stationierung: Protest von Politikern


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"Höchst problematisch"
Deutsche Politiker sehen Stationierung von US-Waffen kritisch


12.07.2024Lesedauer: 5 Min.
Bundeskanzler Olaf Scholz und Joe Biden: Beim Nato-Gipfel in Washington wird auch wieder die Debatte um den Gesundheitszustand des US-Präsidenten im Mittelpunkt stehen.Vergrößern des Bildes
Bundeskanzler Olaf Scholz und Joe Biden: Beim Nato-Gipfel gaben Deutschland und die USA bekannt, dass Waffensysteme der Nato in Deutschland stationiert werden sollen. (Quelle: Ludovic Marin/dpa)
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Biden und Scholz sind sich einig: US-Langstreckenwaffen in Deutschland dienen der Abschreckung gegenüber Putin. Doch aus gleich mehreren Parteien kommt Protest.

Eine der weitreichendsten Entscheidungen des Nato-Gipfels in Washington wurde nur am Rande verkündet: Die USA werden ab 2026 wieder Langstreckenwaffen in Deutschland stationieren. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warb in den USA für diese aus seiner Sicht "sehr gute Entscheidung", doch die Kritik in Deutschland ließ nicht lange auf sich warten.

Besonders lautstark meldete sich BSW-Chefin Sahra Wagenknecht zu Wort. Doch auch aus den Reihen der Ampel gab es Kritik.

t-online gibt einen Überblick über die Planungen und die politische Debatte zur Waffenstationierung.

Was genau wurde beschlossen?

Wegen der Bedrohung durch Russland werden die USA in Deutschland von 2026 an wieder Waffensysteme stationieren, die theoretisch auch Russland treffen könnten. Darunter sollen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk sein, die technisch gesehen auch nuklear bestückt sein können, Luftabwehrraketen vom Typ SM-6 und neu entwickelte Hyperschallwaffen, die insgesamt weiter reichen sollen als bislang stationierte Landsysteme. Mehr zu den Waffen lesen Sie hier.

Die Entscheidung haben Deutschland und die USA gemeinsam getroffen und auf dem Nato-Gipfel in Washington verkündet. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Vize Robert Habeck (Grüne) sehen in der Aufrüstung ebenfalls eine Notwendigkeit. "Wir wissen, dass es eine unglaubliche Aufrüstung in Russland gegeben hat, mit Waffen, die europäisches Territorium bedrohen", sagte Scholz beim Gipfel zum 75-jährigen Bestehen der Nato.

Habeck sagte der Zeitung "Neue Westfälische" am Freitag, die russische Aufrüstung bedrohe "offensichtlich auch die Nato-Ostflanke". "Russland ist also kein Friedenspartner im Moment."

Was bedeutet das für Deutschland?

Unmittelbar ändert die Entscheidung nichts. Die Waffen sollen laut der Ankündigung ab 2026 in Deutschland stationiert werden.

Eine solche Stationierung sei bereits vor einem Jahr in der ersten Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesrepublik festgeschrieben worden, so Scholz. "Deshalb passt die Entscheidung der Vereinigten Staaten genau in diese Strategie, die wir öffentlich diskutieren seit langer Zeit."

Es wird dann das erste Mal seit dem Kalten Krieg sein, dass die USA wieder Waffensysteme in Deutschland stationieren, die bis nach Russland reichen. Genau das löst bereits jetzt Diskussionen aus und lässt bei vielen Deutschen die Erinnerung an die 80er-Jahre und die damaligen Proteste gegen den Nato-Doppelbeschluss wach werden. Dieser Beschluss hatte damals die Stationierung von Mittelstreckenraketen vorgesehen und war auf breite Kritik aus der Bevölkerung gestoßen. Selbst Olaf Scholz ging als junger Sozialdemokrat dagegen auf die Straße.

 
 
 
 
 
 
 

Warum gibt es daran Kritik?

In Deutschland ist die Angst relativ weit verbreitet, durch angebliche Provokationen selbst zum Ziel russischer Waffen zu werden und in eine Blockkonfrontation wie im Kalten Krieg zurückzufallen. Besonders Politiker von AfD, BSW und der Linken äußern diese Befürchtungen regelmäßig. Aber auch innerhalb der SPD gibt es Vertreter dieses Standpunkts, wie etwa die Debatten um die Lieferung bestimmter Waffensysteme wie den Marschflugkörper Taurus an die Ukraine zeigen.

So sagte die BSW-Chefin Sahra Wagenknecht dem Nachrichtenmagazin "Spiegel": "Die Stationierung zusätzlicher Angriffsraketen auf deutschem Boden verbessert unsere Sicherheit nicht, sondern erhöht im Gegenteil die Gefahr, dass Deutschland selbst zum Kriegsschauplatz wird, mit furchtbaren Folgen für alle hier lebenden Menschen."

AfD-Co-Chef Tino Chrupalla befürchtet gar, dass die Stationierung der weitreichenden US-Waffen Deutschland "zur Zielscheibe" mache. Dietmar Bartsch, verteidigungspolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, erklärte der "Rheinischen Post", dass er die Entscheidung "höchst problematisch" finde, "weil die Aufrüstungsspirale unter der Überschrift Abschreckung weitergedreht wird".

Auch der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, dass die Entscheidung zu einem "Wettrüsten" führe. "Die Welt wird davon nicht sicherer. Im Gegenteil: Wir kommen in eine Spirale, in der die Welt immer gefährlicher wird", so Stegner.

Wie schätzen Experten die Entscheidung ein?

Das Gros der Sicherheits- und Militärexperten sieht in der Stationierung weitreichender US-Waffen in Deutschland hingegen ein wichtiges Signal der Abschreckung an Russland. Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) sagte dem ZDF, dass es bei der Entscheidung darum gehe, die "Möglichkeiten Russlands zu reduzieren, einen erfolgreichen Angriff durchzuführen". Dass Deutschland dadurch zur Zielscheibe werde, hält der Experte für ein "sehr geringes Risiko". Vielmehr würden entsprechende Sorgen von Bürgern derzeit "instrumentalisiert", so Mölling. "Es geht darum, handlungsfähig zu werden, nicht erpressbar zu sein."

Die Sicherheitsexpertin Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sprach in der ZDF-Polittalkshow "Maybrit Illner" von einer "Fähigkeitslücke" des deutschen Militärs. Die Stationierung weitreichender Waffen sei auch notwendig, weil Russland den INF-Vertrag gebrochen habe. Das Abkommen zwischen den USA und der Sowjetunion – später Russland – sah die Abrüstung und Vernichtung von bodengestützten Nuklearraketen mit kürzerer und mittlerer Reichweite vor.

Russland habe zudem 2022 Kinschal-Hyperschallraketen in Kaliningrad stationiert und habe dort nuklearfähige Iskander-Raketen, stellte Major bei "Maybrit Illner" fest. Darüber hinaus habe Russland im vergangenen Jahr angekündigt, taktische Atomwaffen in Belarus zu stationieren. "Auf diese Bedrohung muss die Nato reagieren", erklärte die Sicherheitsexpertin. "Wenn wir diesen Schutz nicht haben, passiert genau das, was wir gerade in der Ukraine sehen, dass nämlich systematisch zivile Ziele zerstört werden", fuhr Major fort. Wenn die US-Waffen in Deutschland stationiert werden, könne Russland nicht mehr so effektiv drohen und ein Angriffskrieg würde deutlich schwieriger. Mehr zur Sendung lesen Sie hier.

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Ähnlich argumentiert der Sicherheitsexperte Frank Sauer von der Universität der Bundeswehr in München: "Im Licht der russischen Aggression bleibt aktuell nichts anderes, als bestimmte Fähigkeitslücken in Europa zu füllen, um für den Ernstfall vorbereitet zu sein", so Sauer im ZDF. Eine dauerhafte Lösung dürfe die Stationierung jedoch nicht sein: "Perspektivisch muss man das alles irgendwann wieder wegverhandeln." Für die Sicherheitslage in Europa sei das alles aber "sehr, sehr schlecht", fügte er auf dem Kurznachrichtendienst X hinzu. Sauer befürwortet eine Wiedereinsetzung des INF-Vertrags.

Waren schon einmal weitreichende US-Waffen in Deutschland stationiert?

Im Rahmen des Nato-Doppelbeschlusses vom 12. Dezember 1979 beschloss das Verteidigungsbündnis die Stationierung von insgesamt 198 Mittelstreckenraketen vom Typ Pershing II sowie von 464 Marschflugkörpern des Typs Tomahawk. Beide Waffensysteme sind mit Atomsprengköpfen bestückbar. Besonders in Deutschland führte der Beschluss zu Massenprotesten gegen die Stationierung.

Dennoch stimmte der Bundestag 1983 der Stationierung von 108 Pershing-II-Raketen zu, die nur wenige Tage später umgesetzt wurde. Die Nato reagierte damit auf die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen in den Sowjetrepubliken Russland, Belarus und der Ukraine.

1987 einigten sich dann die USA und die Sowjetunion auf den INF-Vertrag. Binnen dreier Jahre sollten alle bodengestützten Flugkörper mit mittlerer und kürzerer Reichweite vernichtet werden. Ein Jahr später wurden die ersten Pershings aus Deutschland abtransportiert.

Ab der Jahrtausendwende aber warfen sich beide Seiten immer wieder Vertragsbrüche vor. Ende 2018 meldete die Nato dann, dass Russland Marschflugkörper entwickelt und stationiert habe, die mit Atomsprengköpfen bestückt werden können. Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump stellte Russland daraufhin ein Ultimatum für eine Zusage zur Zerstörung dieser Waffensysteme, was Moskau zurückwies. Im Februar 2019 erklärten die USA den Ausstieg aus dem Vertrag, seit dem 2. August 2019 ist er offiziell außer Kraft gesetzt.

Verwendete Quellen
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