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Israel | Geisel-Angehörige protestieren: Ihre Wut auf Netanjahu wächst


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Protestmarsch in Israel
Ihre Wut auf Netanjahu wächst


14.11.2023Lesedauer: 4 Min.
Angehörige und Freunde der Geiseln in Israel: Sie wollen mit Netanjahu sprechen.Vergrößern des Bildes
Angehörige und Freunde der Geiseln in Israel: Sie wollen mit Netanjahu sprechen. (Quelle: AMMAR AWAD/reuters)
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In Tel Aviv sind zahlreiche Angehörige und Freunde der Hamas-Geiseln zu einem Protestmarsch aufgebrochen. Benjamin Netanjahu steht unter Druck.

Demonstrationen, Installationen und täglich neue Interviews – trotz ihres Schmerzes versuchen die Angehörigen in Israel unermüdlich, die öffentliche Aufmerksamkeit für die von der Hamas verschleppten Geiseln wach zu halten. Am Dienstag starteten sie dazu einen Protestmarsch, der in der Küstenmetropole Tel Aviv beginnen und am Samstag im knapp 70 Kilometer entfernten Jerusalem vor dem Amtssitz von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gipfeln soll.

Dort, so die Organisation der Angehörigen, wollten sie Netanjahu treffen, denn ihre Wut auf "Bibi", wie die Israelis ihren Ministerpräsidenten nennen, wächst mit jedem Tag, an denen sie über den Verbleib ihrer Liebsten in Unwissenheit ausharren müssen. "Treffen Sie uns und erklären Sie, welche Bedingungen Israel für einen Austausch von Geiseln stellt", fordern sie Netanjahu in einer Pressemitteilung darum heraus. Alle Israelis seien aufgerufen, sich dem Marsch und der Forderung nach Freilassung der Verschleppten anzuschließen. Die israelische Regierung habe sie im Stich gelassen, so der Vorwurf.

"Ich habe das Gefühl, wir sind nicht in guten Händen. Wir haben das Gefühl, nicht genügend Informationen zu bekommen. Wir tappen in der Dunkelheit. Aber wir wollen Antworten", sagt Amit Zach, der Neffe der 72-jährigen Geisel Adina Moshe. Sie ist eine der mehr als 240 Geiseln, die die Terrororganisation Hamas bei ihrem Angriff auf Israel am 7. Oktober in den Gazastreifen verschleppt haben. Erst vier von ihnen wurden später freigelassen, eine befreit. Wie viele von den anderen noch am Leben sind, ist unklar.

Mutter fühlt sich im Stich gelassen

Auch Hadas Kalderon habe ihren "Albtraum" bereits "hundertfach" beschrieben, sagt die 56-Jährige am Rande der Demonstration in Tel Aviv. Sie selbst überlebte den Angriff der Hamas-Terroristen auf ihren Kibbuz Nir Oz. Ihre Mutter und ihre Nichte wurden von den Hamas jedoch getötet, auch entführten die Terroristen ihre beiden Kinder, den zwölf Jahre alten Erez und die 16-jährige Sahar, und ihren Ex-Mann Ofer.

Kalderon findet seither keinen Schlaf mehr. "Zwischen vier und fünf Uhr morgens breche ich dann vor Erschöpfung zusammen", sagt sie. Noch immer sei "nichts passiert", um ihre Kinder zu retten, sie habe das Gefühl "gegen Windmühlen zu kämpfen". Die israelische Regierung habe "die Pflicht, die Geiseln zurückzubringen", doch tatsächlich lasse sie die Familien im Stich, sagt Kalderon.

Eines der wenigen Dinge, die Kalderon tun kann, ist wieder und wieder von ihrem Schicksal zu erzählen. "Denken Sie, mir gefällt das? Ich leide! Ich versuche, nicht daran zu denken und muss ständig darüber reden", sagt die Mutter. Alle Gespräche führe sie wie "auf Autopilot, wie ein Roboter".

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"Die Empathie ist nicht mehr die gleiche"

In Israel wissen die Betroffenen die Bevölkerung an ihrer Seite, so Daniel Shek vom Forum der Familien von Geiseln und Verschwundenen und früherer israelischer Botschafter in Frankreich. "Seit zwei Wochen zeigen die Umfragen, dass die oberste Priorität der Israelis die Rückkehr der Geiseln ist" und nicht mehr, wie zu Beginn des Krieges, die Bekämpfung der Hamas, sagt Shek.

Im Ausland hingegen "bröckelt die allgemeine Empathie gegenüber Israel" angesichts der tausenden Zivilisten, die durch die israelischen Gegenangriffe in Gaza getötet werden. Auch darum reisen die Angehörigen der Geiseln regelmäßig in Delegationen ins Ausland, um auf ihr Leid aufmerksam zu machen.

"Die Empathie ist nicht mehr die gleiche" wie zu Beginn, sagt auch Kinneret Stern, deren Cousine Moran Stela Yanai entführt wurde. Das spüre die Familie in den drei bis vier Interviews, die sie täglich gibt. "Es ist sehr schwierig, weil wir nichts Neues zu erzählen haben." Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach am Sonntag zwar von einer möglichen Vereinbarung zur Freilassung von Geiseln. "Bis sie hier sind, sicher und wohlbehalten, hat das für uns keine Bedeutung", sagt Stern jedoch dazu.

"Wir haben keine Kraft mehr"

Shelley Shem Tov, deren 21-jähriger Sohn Omer nach Gaza entführt wurde, sieht das ähnlich. Auch sie drängt Netanjahu in einer Rede auf der Demonstration zum Handeln. Der Platz vor dem Hauptquartier des Kriegskabinetts in Tel Aviv ist zum Treffpunkt für die Unterstützer der Geiseln geworden. Eine große Sanduhr symbolisiert das schier endlose Warten, ein riesiger Tisch mit mehr als 200 Stühlen erinnert an die Verschleppten.

"Ich fordere Benjamin Netanjahu und das Kabinett auf, uns Antworten zu geben und Maßnahmen zu ergreifen. Wir haben keine Kraft mehr. Bringen Sie unsere Kinder, unsere Familien nach Hause!", zitiert sie die israelische Zeitung "The Times of Israel". "Neununddreißig Tage und Nächte, ohne Tag, ohne Nacht, ohne irgendetwas. Alles ist dunkel", ruft Shem Tov in die Menge.

Yuval Haran, ein Überlebender des Massakers im Kibbuz Be'eri, dessen sieben Familienangehörige in Gaza festgehalten werden, darunter drei Kinder, wendet sich laut "The Times of Israel" ebenfalls an die Menge. "Ich habe mein ganzes Leben im Kibbuz gelebt und war immer davon überzeugt, dass es ein sicherer Ort zum Leben ist, ruhig und idyllisch", sagte er. "Und vor 39 Tagen wurde dieser Traum zerplatzt. Vor 39 Tagen wurden unsere schlimmsten Albträume wahr", so Haran.

"Wie kommt es, dass unsere Leute nicht zu Hause sind?", fragt er, und ruft "das gesamte Volk Israels, die Knesset-Mitglieder, das Kriegskabinett, die Bürgermeister, die Jugendgruppen und Menschen aus allen Gesellschaftsschichten" dazu auf, ihrem Aufruf zu folgen. Bis zum Einbruch der Dunkelheit wollten die Demonstrierenden ihren ersten Halt in Be'er Yaakov erreichen, bevor sie am Mittwoch weitergehen.

Netanjahu unter Druck

Ob sich Netanjahu am Sonntag tatsächlich mit den Angehörigen treffen wird, ist unklar. Der Ministerpräsident äußerte sich bislang nicht zu der Demonstration. Netanjahu hatte den Angehörigen bereits kurz nach dem Massaker der Hamas versprochen, die Geiseln wohlbehalten zurückzuholen. Gleichzeitig hält er sich mit der Bekanntgabe von Informationen über mögliche Abkommen mit den Hamas zurück.

Die Terrororganisation erklärte am Montag, sie sei bereit, im Gegenzug für einen fünftägigen Waffenstillstand und die Freilassung von 275 palästinensischen Frauen und Kindern, die in israelischen Gefängnissen festgehalten werden, bis zu 70 Frauen und Kinder als Geiseln freizulassen. Netanjahu lehnte bisher jedoch jede Rede von einem Waffenstillstand ab und teilte NBC News am Sonntag mit, dass er nur bereit sei, die Kämpfe zu unterbrechen, wenn alle Geiseln freigelassen würden.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und AFP
  • thetimesofisrael.com: "Demanding answers, families of captives begin protest march from Tel Aviv to Knesset"
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