Kanzler auf Indien-Reise Scholz fordert klare Haltung – Modi bleibt neutral
Beim Besuch in Neu-Delhi treten die Differenzen zwischen Deutschland und Indien hervor. Kann eine Rüstungskooperation Modi zum Umdenken bewegen?
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die indische Regierung dazu aufgefordert, klare Haltung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beziehen. Die Verletzung des Grundsatzes, keine Grenzen mit Gewalt zu verschieben, müsse klar benannt werden, sagte Scholz am Samstag in Neu Delhi. Premierminister Narendra Modi betonte seinerseits die Konfliktlösung durch Diplomatie. Mit Blick auf eine angestrebte vertiefte Kooperation mit Deutschland hob er den Verteidigungsbereich hervor.
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Der Krieg sei auch "vor allem eine große Katastrophe", weil Russland den internationalen Grundsatz verletzt habe, "dass man nämlich nicht mit Gewalt Grenzen verschiebt", sagte Scholz nach einem Treffen mit Modi in der indischen Hauptstadt. "Und insofern ist es sehr wichtig, dass wir auch in den Vereinten Nationen immer wieder ganz klare Feststellungen zu diesem Thema gefunden haben."
Rüstungskooperation soll ausgebaut werden
Deutschland und Indien wollen nun ihre Zusammenarbeit im Rüstungsbereich ausbauen. Die "Qualität der deutschen Technik" sei auch in diesem Bereich bei den indischen Partnern hoch anerkannt, sagte Scholz. Man wolle die Zusammenarbeit "in ganz konkreten Arbeitsbeziehungen vertiefen und da weiter dran bleiben".
Modi betonte, dass die Zusammenarbeit mit Deutschland im Sicherheits- und Verteidigungsbereich für ihn ein wichtiger Teil der strategischen Partnerschaft sei. Hier gebe es noch "unerschlossenes Potenzial". Indiens Streitkräfte sind derzeit zu einem Großteil mit russischen Waffen ausgerüstet. "Dass das so bleibt, kann nicht in unserem Interesse sein", heißt es aus deutschen Regierungskreisen.
Der deutsche Botschafter in Indien, Philipp Ackermann, hatte nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg vor dem Besuch gesagt, ThyssenKrupp Marine Systems sei einer von zwei Anwärtern für den Bau von sechs U-Booten für die indische Marine. Der Auftrag hätte demnach einen Wert von rund fünf Milliarden Dollar (rund 4,7 Milliarden Euro). Scholz sagte in Neu-Delhi, dass auch über konkrete Projekte gesprochen worden sei, nannte aber keine Einzelheiten.
Neutrale Haltung zum Krieg gegen die Ukraine
Indien hat den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bisher nicht verurteilt. Am Donnerstag enthielt es sich erneut bei einer Abstimmung der UN-Vollversammlung über eine Resolution, die den Abzug der russischen Truppen forderte. 141 der 193 UN-Mitgliedstaaten stimmten für den Text.
Indiens Ziel sei seit Beginn des Ukraine-Konflikts, diesen "durch Dialog und Diplomatie zu lösen", sagte Modi bei einer gemeinsamen Erklärung vor der Presse. "Indien ist bereit, zu allen Friedensgesprächen beizutragen." Indien ist auch im Energiesektor von Russland abhängig.
Mit der Präsidentschaft der G20 großer Industrie- und Schwellenländer habe Indien dieses Jahr eine "sehr verantwortungsvolle Rolle in einer schwierigen Zeit" übernommen, sagte Scholz. Es müsse dafür gesorgt werden, dass der russische Angriffskrieg in Asien, Afrika oder Südamerika "nicht zu Preissteigerungen führt, zu Energieknappheit, zu Nahrungsmittelknappheit."
1.800 deutsche Unternehmen in Indien
Scholz war am Samstag mit einer elfköpfigen Wirtschaftsdelegation zu einem zweitägigen Besuch in Indien eingetroffen. Darunter sind unter anderem Vertreter der Unternehmen Siemens, ThyssenKrupp, SAP und Deutsche Post.
Der Kanzler verwies in Neu Delhi darauf, dass bereits 1.800 deutsche Unternehmen in Indien tätig seien. Er betonte das Potenzial bei der Zusammenarbeit im Bereich erneuerbare Energien und beim Austausch von Fachkräften. Scholz sagte dabei zu, sich für einen zügigen Abschluss des geplanten Freihandelsabkommens mit der EU einzusetzen.
Unterzeichnet wurden vier Absichtserklärungen. Dazu gehört ein Rahmenplan für gemeinsame Vorhaben im Bereich Innovation und Technologie, ein Pilotprojekt zum Austausch von Solarexperten, die Schaffung eines Wasserstoff-Forschungsinstituts in Indien mit Beteiligung der Fraunhofer-Gesellschaft sowie die Ausweitung bereits bestehender Produktion von Wasserstoff-Brennstoffzellen in Indien mit dem deutschen Unternehmen SFC Energy.
Am Sonntag reist Scholz ins südindische Bangalore weiter. Dort stehen unter anderem Besuche einer Niederlassung des deutschen Softwarespezialisten SAP und eines Herstellers von austauschbaren Batteriezellen für Kleintransporter auf dem Programm.
- Nachrichtenagenturen AFP und dpa