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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wachsendes Dilemma der Republikaner Trump gerät in Turbulenzen
In der Hochphase des US-Wahlkampfs bekommt Donald Trump immer größere Probleme. Nicht nur in wichtigen Umfragen steht er nun schlechter da als seine Gegnerin Kamala Harris. Auch in seiner Partei regt sich inzwischen Widerstand.
Aus Washington berichtet Bastian Brauns.
Was vor Wochen noch undenkbar schien, sucht jetzt ausgerechnet den Spitzenkandidaten der Republikaner heim. Plötzlich muss Donald Trump mit interner Kritik umgehen. Dabei galt er in der eigenen Partei seit Langem als unangefochten. Seine Herausforderer waren in den Vorwahlen gegen ihn chancenlos. Selbst Floridas mächtiger Gouverneur Ron DeSantis musste frühzeitig aufgeben. In der Partei hatte man sich damit abgefunden, hinter Trump wurde sich eingereiht.
Mit den auffällig stark steigenden Umfragewerten für seine demokratische Gegnerin Kamala Harris werden die Republikaner nun aber doch noch einmal zunehmend unruhig. Die Befürchtung: Der schon als sicher geglaubte Wahlsieg gegen den schwächelnden Joe Biden könnte sich ins Gegenteil verkehren. Die Befürchtung: Eine Aussage von Trumps früherer UN-Botschafterin Nikki Haley könnte vielleicht doch wahr werden.
Auch die 52-Jährige frühere Gouverneurin aus South Carolina musste sich im Vorwahlkampf Donald Trump geschlagen geben. Als sie noch im Rennen war, sagte Haley in einem Interview beim Fernsehsender CNN: "Jene Partei, die ihren 80-jährigen Kandidaten loswird, ist die Partei, die gewinnen wird." Und fuhr selbstbewusst fort: "Es wird eine Präsidentin der Vereinigten Staaten geben. Entweder ich oder Kamala Harris. Wenn die Republikaner Donald Trump nominieren, wird es Kamala Harris sein."
"Mit solchen Dingen gewinnt man nicht"
Nachdem Nikki Haley gegen ihn verloren hatte, entschied sie sich zwar zunächst doch dazu, Trump im Wahlkampf zu unterstützen. Doch mittlerweile wagt sich die Republikanerin, die bei den wichtigen Wechselwählern vielversprechende Chancen gehabt hätte, mit neuer Kritik an Donald Trump und an der eigenen Partei hervor. Beim konservativen Fernsehsender Fox News attackierte Haley jetzt ihren eigenen Spitzenkandidaten, indem sie Trumps bisherige Angriffstaktik infrage stellte. Damit dürfte sie inzwischen einigen Parteifreunden aus der Seele sprechen.
"Ich möchte, dass dieser Wahlkampf gewonnen wird. Aber er wird nicht gewonnen, wenn wir über die Größe der Menschenmengen reden", sagte Haley etwa. "Er wird nicht gewonnen, wenn wir darüber reden, zu welcher Ethnie Kamala Harris gehört. Und er auch nicht gewonnen, wenn wir darüber reden, ob sie dumm ist." Mit solchen Dingen könne man nicht gewinnen. "Das amerikanische Volk ist schlau. Behandeln wir es also auch so", so Haley. Die Republikaner müssten endlich aufhören, darüber zu jammern, dass Harris nun die Kandidatin der Demokraten sei. "Wir wussten, dass sie es werden würde", so Haley.
Tatsächlich beklagen sich Trump und seine Mitstreiter auch noch in der vierten Woche nach Bidens Ausscheiden darüber, dass die Demokraten ihm unrechtmäßig und undemokratisch die Kandidatur entzogen hätten. Ein Vorwurf, der zwar auch von einigen Demokraten erhoben wurde, der aber bei den Republikanern so wirkt, als wünsche man sich Joe Biden als Gegner zurück, weil man mit Kamala Harris nicht fertigwird.
Trumps Angriffe gegen Harris funktionieren nicht
Auch mit den anderen Vorwürfen spricht Nikki Haley aus, was im Trump-Lager immer mehr Leute zu denken scheinen. Das, was gegen Biden seit Jahren funktioniert hat, scheint bei Harris plötzlich nach hinten loszugehen. Insbesondere seine Lüge vom Wahlbetrug im Jahr 2020 wirkt gegen Harris inzwischen noch absurder als gegen Biden. Obwohl Trumps engste Berater ihn inständig darum gebeten haben sollen, die Wahllüge nicht mehr zu verbreiten, scheint ihn das nicht zu interessieren. Bei fast jedem seiner Auftritte bleibt die "gestohlene Wahl" Thema.
Hinzu kommen leicht widerlegbare Falschinformationen, die Trump immer wieder verbreitet. Tatsächlich lassen sie den republikanischen Spitzenkandidaten wie einen schlechten Verlierer aussehen. Etwa, wenn er Zweifel an der Echtheit von Fotos bei Kamala Harris' Wahlkampfveranstaltungen sät. So sei eine Menschenmenge in einem Flughangar nur mithilfe von Künstlicher Intelligenz erzeugt worden – eine Behauptung, die nachweislich falsch ist.
Oder als Trump sich Ende Juli ausgerechnet bei einer Veranstaltung von schwarzen Journalisten in einem Interview auf der Bühne darüber beschwert hatte, dass Kamala Harris ihre dunkle Hautfarbe erst kürzlich zum Thema gemacht und damit unzulässig politisch instrumentalisiert habe. Auch das ist nachweislich falsch und ein Vorwurf, der ihm umgehend Rassismusvorwürfe einhandelte.
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Bei Auftritten und Interviews beleidigt Trump seine Gegnerin nach wie vor regelmäßig als "nicht schlau" oder "dumm". Intern soll er sie laut Medienberichten sogar mehrfach eine "Schlampe" genannt haben. Sein Sprecher dementierte zwar umgehend, das sei "nicht Trumps Wortwahl". Glaubwürdig klingt das jedoch bei Trump, der bereits in der Vergangenheit mit Sätzen wie "Grab 'em by the pussy" öffentlich in der Kritik stand, kaum.
Zunehmend orientierungslos
Lange schienen sich die Republikaner mit dem Wahlkampfstil ihres Spitzenkandidaten abgefunden zu haben. Viele feiern Trump gerade dafür. Was einige in der Partei jetzt doch unruhig werden lässt: Anders als bei Joe Biden scheinen Trumps Attacken ihre Wirkung zu verfehlen. Im Gegenteil, sie schaden ihm jetzt sogar – und das messbar. Zwar haben sich seine eigenen Werte laut Umfragen kaum verschlechtert. Allerdings legt Kamala Harris mitunter so stark zu, dass sie inzwischen in fünf von sechs entscheidenden Bundesstaaten an ihm vorbeigezogen ist. Seit die 59-jährige Demokratin Trumps Hauptgegnerin ist, wirken er und sein Team orientierungslos. Auch entscheidende Spender sollen verschiedenen US-Medienberichten zufolge zunehmend besorgt sein.
Während Trump sich also über das Lachen seiner Gegnerin lustig macht ("Das Lachen einer Verrückten"), gaben Befragte zuletzt laut einer Erhebung der "Financial Times" beim Thema Wirtschaftskompetenz an, Kamala Harris mehr zu vertrauen als ihm. Sollte sich dieser Trend verstärken, wäre das ein Desaster für Trumps Wahlkampf. Vielleicht spielte der US-Republikaner das Thema Wirtschaft bei einem Wahlkampfauftritt in North Carolina am Mittwoch auch deshalb plötzlich herunter: "Sie sagen, es sei das wichtigste Thema. Ich bin mir nicht sicher, ob es das ist, aber sie sagen, es sei das wichtigste Thema", so Trump.
Selbst in den ihm geneigten Medien muss Trump derweil wieder vermehrt Kritik einstecken. Beim Sender Fox News führte die bekannte Moderatorin Megyn Kelly Donald Trumps "unzusammenhängenden" Auftritt bei seinem zweistündigen Gespräch mit Elon Musk am Dienstag auf dessen fortgeschrittenes Alter zurück. Trumps langwierige Tiraden hätten dazu geführt, dass das Publikum – und auch sie selbst – sich "gelangweilt" und "das Interesse verloren" hätten.
Tauscht Trump seinen Vizekandidaten aus?
Hinzu kommt, dass Trumps Gegnerin mit ihrem Vizekandidaten, dem Gouverneur Tim Walz aus dem Bundesstaat Minnesota, offenbar eine gute Entscheidung getroffen hat. Laut einer YouGov-Umfrage stehen 40 Prozent der Amerikaner Walz positiv gegenüber, 39 Prozent lehnen ihn ab. In derselben Umfrage steht Trumps Vizekandidat, der Senator James David Vance aus Ohio, deutlich schlechter da. Demnach bewerten ihn zwar immerhin 36 Prozent der Amerikaner positiv, aber deutliche 47 Prozent lehnen ihn ab.
Trumps Hoffnungsträger stürzt immer weiter ab. Im Wahlkampf gegen die Spitzenkandidatin Kamala Harris werden Aussagen von J. D. Vance zu Eigentoren. Weder seine harte Haltung zu Abtreibungsrechten noch seine verachtenden Aussagen über kinderlose Frauen dürften Donald Trump dabei helfen, wichtige Wählerinnen von der eigenen Agenda zu überzeugen. Wegen der schlechten Performance von J. D. Vance hält sich im politischen Washington darum auch hartnäckig das Gerücht, Donald Trump könnte seinen Vizekandidaten womöglich noch hinausschmeißen und ausgerechnet gegen seine scharfe parteiinterne Kritikerin Nikki Haley austauschen.
Solche Szenarios werden auch durch Interviews von zwei früheren engen Mitarbeitern von Trump befeuert. "Ich glaube, er spürt, dass ihm diese Wahl entgleitet. Man sieht, wie er langsam in eine Abwärtsspirale gerät", sagte etwa Trumps frühere Sprecherin Sarah Matthews beim Fernsehsender MSNBC. Trumps früherer Kommunikationschef Anthony Scaramucci behauptete im politischen Podcast "The Rest Is Politics", Trump sei inzwischen bereit, sich von Chris LaCivita und Susie Wiles, zwei seiner wichtigsten Wahlkampfmitarbeiter, zu trennen. "Er hat mit Leuten darüber gesprochen, Chris und Susie zu feuern", sagte Scaramucci.
Wie gut informiert Trumps Ex-Mitarbeiter heute noch sind, ist zwar fraglich. Aber schon dass sie sich auf diese Weise zu Wort melden, verstärkt das schlechte öffentliche Bild vom Wahlkampfzustand des Republikaners.
Ein Vorwurf könnte zum Problem für Harris werden
Nun ist es 80 Tage vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl am 5. November zwar noch viel zu früh für Gewissheiten über Sieg und Niederlage der Kandidaten. Das sogenannte Momentum aber liegt derzeit eindeutig bei den Demokraten. Mit ihrem Parteitag im Chicago dürften sie die Schlagzeilen auch in der kommenden Woche dominieren.
Und im Lager der Republikaner? Herrscht merkliche Unruhe. Trump versucht dennoch weiter die Flucht nach vorne. An diesem Donnerstag will er in seinem Golfclub in New Jersey eine Pressekonferenz geben. Und mit einem Vorwurf gegen Harris könnte Trump dort tatsächlich zunehmend punkten: Bislang hat sich die Vizepräsidentin und erklärte Spitzenkandidatin der Demokraten noch in keinem Interview gestellt. Auch Pressekonferenzen hat sie bislang noch nicht gegeben.
Es ist wohl eine Strategie, um Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Allerdings dürfte sie nach dem Parteitag kaum noch durchzuhalten sein. Spätestens am 10. September wird Kamala Harris Fragen beantworten müssen. Da findet die erste TV-Debatte zwischen ihr und Donald Trump statt. Vieles spricht dafür, dass dieser Abend zu einer ersten, wichtigen Entscheidungsschlacht wird. Bis dahin hätte Trump noch gut drei Wochen Zeit, seine Taktik und sein Team umzustellen.
- Eigene Recherchen
- nytimes.com: "Inside the Worst Three Weeks of Donald Trump’s 2024 Campaign" (Englisch)
- cookpoltical.com: "The Fight To Redefine the 2024 Race for President" (Englisch)
- msnbc.com: "Inside with Jen Psaki" (Englisch)