Trumps Widersacher im Kreuzverhör Diese Aussagen haben es in sich
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Zu seinem Prozess darf Donald Trump nichts sagen. Dafür bringt er jetzt seine vielen Helfer in Stellung, sogar im Gerichtssaal. Ihr Auftrag lautet: Einschüchtern und Einpeitschen.
Bastian Brauns berichtet aus New York
Vor wenigen Tagen drohte der New Yorker Richter Juan Merchan damit, Donald Trump kurzerhand ins Gefängnis zu stecken. Denn der frühere Präsident verstieß immer wieder gegen die Auflage, sich öffentlich nicht zu den Beteiligten des laufenden Strafverfahrens gegen ihn zu äußern. Trump war das egal. Er wetterte weiter.
Der Richter hatte Trump deswegen bereits Tausende Dollar an Bußgeld aufgebrummt. Für den Multimilliardär war es ein billiger Spaß. Bis Merchan ihm noch einmal klarmachte, dass das Gefängnis die nächste Option sei. Seitdem hält sich der lärmende Angeklagte zurück. Doch Trump und seine Mitstreiter haben eine neue Strategie, mit der sie das Verfahren und das Vertrauen in die amerikanische Justiz aushöhlen wollen.
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Plötzlich wirkt die Szenerie im Gerichtssaal im 15. Stock wie in einem Mafia-Film. Oder wie bei einem Prozess in Berlin wegen Clan-Kriminalität. Ganz so, als habe Donald Trump seine starken Brüder mitgebracht, sitzen in der Bank direkt hinter ihm eine ganze Handvoll landesweit bekannter Politiker der Republikaner. Alles Männer, die Trump ihre Treue geschworen haben. Anders als er müssen sie nicht schweigen. An seiner Statt verbreiten sie ihre Propaganda zum Prozess parallel zur laufenden Verhandlung.
Einschüchterungsversuche von der Hinterbank
Es ist Dienstag in New York und diese Aktion ist keine zufällige Machtdemonstration. An diesem Prozesstag soll es Trumps schlimmstem Widersacher an den Kragen gehen: Michael Cohen, sein einst engster Berater und Anwalt, hat sich längst gegen seinen alten Boss gestellt. Seine Aussagen könnten zu Trumps Verurteilung führen und den Ex-Präsidenten sogar ins Gefängnis bringen. Die Präsenz der Trumpisten ist daher auch eine Pose der Einschüchterung.
Da sitzt der für seine unerbittliche Hetze bekannte Vivek Ramaswamy. Noch bei den Vorwahlen trat er zunächst gegen Donald Trump an. Schnell aber räumte er das Feld und schielt seither auf eine mögliche Vizepräsidentschaft. "Dieses Verfahren ist eine Schande", schrieb er schon vor der Verhandlung auf dem Nachrichtenkanal X. In einer Prozesspause baut sich der 38-Jährige vor Reportern vor dem Gerichtsgebäude auf und wettert minutenlang gegen den Richter in die Fernsehkameras.
"Die wirkliche Buchführung, die wir brauchen, ist die von einem Familienmitglied von Richter Merchan", sagt Ramaswamy. Er spielt auf die Tochter des Richters an. Die würde als Aktivistin Millionen von Dollar einsammeln. Der Prozess gegen Trump sei nichts "als ein Geldbeschaffungstrick, der den Demokraten nutzt", so Ramaswamy.
In Wahrheit sei dieses Verfahren eine Wahlmanipulation, weil der Ruf des Kandidaten der Republikaner beschädigt werden solle. Es sind Aussagen, die Trump später als Zitate auf seinem eigenen sozialen Netzwerk "Truth Social" verbreitet. So reizt er die ihm auferlegten Grenzen des Schweigens maximal aus.
Trumps Anhänger lauschen Cohens heikler Aussage
Zurück im Gerichtssaal. Neben Ramaswamy in der Bank hinter Trump hat ebenfalls ein ehemaliger Kandidat für die Präsidentschaftskandidatur Platz genommen. Noch vor wenigen Monaten hatte Doug Burgum als Gouverneur von North Dakota zumindest leise Kritik an Trump geübt. Jetzt ergibt auch er sich dem Anführer der Republikaner.
Daneben sitzen Byron Donalds und Cory Mills, zwei Kongressabgeordnete aus dem Lager der Trumpisten. Sie alle tragen offenbar ganz bewusst Trumps Uniform – weißes Hemd, rote Krawatte und einen dunkelblauen Anzug, dazu noch eine US-Flagge am Revers.
Gleich dahinter beobachtet auch noch Trumps Schwiegertochter Lara Trump, neben ihrem Ehemann Eric, den Prozess. Donald Trump hat sie erst kürzlich zur Parteivorsitzenden der Republikanischen Partei gemacht. In dieser Funktion kann sie Spenden eintreiben, verwalten und ausgeben, wie es ihr passt. Zum Beispiel für die horrenden Anwaltskosten ihres Schwiegervaters.
Doch trotz der zahlreichen Trumpisten im Publikum wirkt der Kronzeuge Michael Cohen ruhig. Auf die Fragen der Staatsanwaltschaft antwortet der 57-Jährige überdeutlich. In wessen Auftrag Michael Cohen das Schweigegeld von 130.000 Dollar an die Pornodarstellerin Stormy Daniels bezahlt habe? Cohens Antwort: "Im Namen von Herrn Trump."
Der heimliche Deal sei "auf Anweisung von Donald J. Trump" und "zum Nutzen von Donald J. Trump" zustande gekommen, so Cohen. Sein Boss habe alles mit eingefädelt. Trump habe über alles Bescheid gewusst, bis hin zu den mutmaßlich manipulierten und verdeckten Rückzahlungen an ihn.
Diese Aussagen haben es in sich. Denn sie könnten nicht nur die zwölf anwesenden Jury-Mitglieder, sondern auch Teile der amerikanischen Öffentlichkeit von der Version der Staatsanwaltschaft überzeugen: An seinem Lügengebäude hat Donald Trump über Jahrzehnte gebaut, mit Hilfe vieler seiner Schergen.
Attacken gegen das Justizsystem von höchster Stelle
Um gegen diese Erzählung vorzugehen, ist noch ein weiterer Mann nach New York gekommen. Es ist Mike Johnson, rechtskonservativer Republikaner und Sprecher des Repräsentantenhauses. Er ist der drittmächtigste Politiker der Vereinigten Staaten. In der Rangfolge kommt er gleich hinter dem Präsidenten und der Vize-Präsidentin. Während sich Joe Biden und Kamala Harris ganz bewusst mit Äußerungen zu diesem Verfahren gegen Donald Trump zurückhalten, kennt Mike Johnson keine Grenzen.
Der 52-jährige Republikaner steht vor dem Gerichtsgebäude und kommt später ebenfalls in den Saal. Auch ihm sind die vielen Kameras der anwesenden Fernsehsender sicher. Das Ziel seiner ungewöhnlichen Reise: Der Sprecher des Repräsentantenhauses will die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen Michael Cohen diskreditieren.
"Er ist jemand, der in der Vergangenheit Meineid begangen hat und dafür bekannt ist, zu lügen", sagt Johnson. Niemand sollte diesem Mann heute auch nur ein Wort glauben. "Er hat den Kongress, die Steuerbehörde IRS und Bundeswahlbeamte belogen."
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Mike Johnson hat hier zwar einen Punkt. Als Michael Cohen noch zu Trump stand, hatte er bewusst gelogen. Er selbst sagt darüber aber heute: Er tat es, weil er Trump vor Strafverfolgung beschützen wollte. Cohen gab diese Lügen längst zu, wanderte dafür ins Gefängnis. Dann wollte er nach eigenen Angaben ein neues Leben beginnen – ohne Donald Trump. Seitdem befindet er sich auf einer Art Feldzug gegen seinen früheren Boss. Offen gibt er zu: "Ich will Trump hinter Gittern sehen".
Aber der Sprecher des Repräsentantenhauses geht weit über seine Kritik am Zeugen hinaus. Vor dem Strafgericht streut er wie Donald Trump und wie Vivek Ramaswamy Zweifel an der Rechtschaffenheit der US-Justiz. Er sei einer von "Hunderten Millionen" in Amerika, die angesichts dieses Prozesses gegen den Kandidaten der Republikaner "zutiefst besorgt" seien.
Im Gericht beginnt das Gefecht
Während die Republikaner draußen vor dem Gerichtsgebäude und in den sozialen Netzwerken die Justiz attackieren, geht drinnen Trumps Anwalt Todd Blanche ebenfalls zum Angriff über. Das lang erwartete und berüchtigte Kreuzverhör gegen Michael Cohen hat begonnen. Es ist vorerst die wichtigste Chance, die Geschworenen von der Gegenversion zu überzeugen.
Gleich das erste Wortgefecht zwischen dem Trump-Verteidiger und dem Zeugen Michael Cohen hat es in sich.
Todd Blanche fragt: "Sie wissen, wer ich bin?"
Michael Cohen antwortet: "Das tue ich."
Todd Blanche weiter: "Sie haben mich auf TikTok als 'heulenden Scheißer' bezeichnet, richtig?"
Michael Cohen daraufhin: "Das klingt wie etwas, das ich sagen würde, ja."
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Mit diesen ersten Worten ist der Ton des Kreuzverhörs gesetzt. Michael Cohen gibt offen zu, welche Beschimpfungen und Verwünschungen er auch über Trump seit Jahren ausstößt. Er gibt zu, ihn als "Waschlappen-Diktator" bezeichnet zu haben, als "ungehobelten Frauenfeind" und als "mit orangefarbenem Chipspulver bestäubten Bösewicht". Auch einen "Mango Mussolini" hat Cohen Donald Trump schon genannt.
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Ein Motiv aus Rache oder Überzeugung?
Michael Cohen macht kein Hehl daraus, dass er helfen will, Donald Trump ins Gefängnis zu bringen. Diese Ehrlichkeit könnte ihm Punkte bei der Jury bringen. Aber Trumps Verteidigung baut darauf, ihm Rachsucht, Geldgier und damit Unglaubwürdigkeit nachzuweisen.
Das Kalkül von Todd Blanche und dem Anwalts-Team: Mindestens ein Jury-Mitglied soll glauben, dass Michael Cohen maßlos übertreibt mit seinen Anschuldigungen gegen Trump. Vielleicht habe er sogar alles erfunden. In Wahrheit würde da ein frustrierter, instabiler Charakter einen Kreuzzug gegen sein einstiges Idol führen, um sich selbst wichtigzumachen. Todd Blanche baut darauf, Michael Cohen eine niedere Motivlage zu unterstellen.
Die Version von Michael Cohen lautet anders. Gegen Trump habe er sich schließlich gestellt, als er sich selbst 2018 als schuldig bekannt habe. Es sei seine Familie gewesen, die ihn davon überzeugt habe, endlich mit Trump zu brechen. "Ich wollte Loyalität gegenüber meiner Frau, meiner Tochter, meinem Sohn und dem Land zeigen", sagt Cohen. Gewandt an die Geschworenen sagt er: "Ich habe die Entscheidung getroffen, nicht länger für Präsident Trump zu lügen."
Es muss ein schwerer Schritt gewesen sein. Immer wieder beschreibt Michael Cohen, wie sehr Trump, dessen Kinder und all die Mitarbeiter der "Trump Organisation" für ihn zu einer "Ersatzfamilie" geworden waren, für die er bereit war, alles zu geben. Er habe damals "knietief in dem Kult um Donald Trump gesteckt" und darum auch die "Make America Great Again"-Botschaften (kurz MAGA) von seinem Heilsbringer verbreitet.
Der Trump-Clan sucht sich neue Söhne und Töchter
Heute ist Michael Cohen ein verlorener Sohn für die Trump-Familie. Und so gut wie sicher wird er auch nicht zurückkommen. Doch um den MAGA-Clan haben sich schnell viele neue Mitglieder geschart. Ein Teil von ihnen sitzt heute auf den Zuschauerbänken hinter Trump. Wie einst Michael Cohen hoffen heute auch sie auf seine Gunst, um ein wenig von seiner Macht abzubekommen. Trump züchtet sich neue Fanatiker heran.
Wie Trump diese Macht sichert, darin bekommen die Zuschauer in New York derzeit tiefe Einblicke. Wer Teil des MAGA-Zirkels wird, darf die Sekte nicht verlassen. Selbst als das FBI einst die Wohnung von Michael Cohen durchwühlte, hielt er noch zu seinem früheren Boss, der da längst im Oval Office als Präsident saß und sich immer weniger für seinen Zögling interessierte.
Der von den Strafbehörden bedrängten Michael Cohen hielt Trump bis zum Schluss hin. Gleich nachdem das FBI Cohens Wohnung 2018 durchsucht, seine Handys und zahlreiche Unterlagen beschlagnahmt hatte, rief Michael Cohen noch einmal bei Donald Trump an. Der sagte zu ihm laut Cohen: "Mach dir keine Sorgen. Ich bin der Präsident der Vereinigten Staaten [...] Dir kann nichts geschehen." Der Subtext dieser Worte aber lautete: "Bleib loyal! Stell dich nicht gegen mich! Sprich nicht und kooperiere nicht mit den Behörden."
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Michael Cohen hat sich anders entschieden. Dafür hat er einen hohen Preis bezahlt. Darum wäre es für ihn wohl eine unbezahlbare Genugtuung, wenn Trump ihm mit einem eigenen Gefängnisaufenthalt nachfolgen müsste.
- Eigene Beobachtungen und Recherchen vor Ort