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Krimiautor Don Winslow: "Donald Trump weiß, dass er ein Mistkerl ist"


Krimiautor gegen Ex-Präsident
"Trump wird noch eine Menge Schaden anrichten"

InterviewVon Marc von Lüpke

Aktualisiert am 13.06.2022Lesedauer: 9 Min.
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Donald Trump und Mitch McConnell: Für Krimiautor Don Winslow sind die Republikaner Feiglinge.Vergrößern des Bildes
Donald Trump und Mitch McConnell: Für Krimiautor Don Winslow sind die Republikaner Feiglinge. (Quelle: Yuri Gripas/Reuters-bilder)

Donald Trump will wieder an die Macht, deswegen sollten die Demokraten die Samthandschuhe ausziehen. Das fordert Don Winslow, einer der bekanntesten US-Krimiautoren. Er warnt vor Trumps düsteren Plänen.

Davor fürchtet sich die Welt: 2024 will Donald Trump wieder ins Weiße Haus einziehen. Bereits jetzt allerdings formiert sich der Widerstand, unter anderem durch Don Winslow, einen der erfolgreichsten Krimiautoren der Vereinigten Staaten.

Winslow will nun sogar seine Karriere aufgeben, um Trump auf dessen ureigenstem Feld entgegenzutreten: den sozialen Medien. Warum Winslow die Republikanische Partei verachtet, wieso sich Wladimir Putin und Donald Trump sehr ähnlich sind und worum es im neuen Buch des Erfolgsautoren geht, erklärt der US-Amerikaner im Gespräch.

t-online: Herr Winslow, gibt es eigentlich einen Republikaner in den Vereinigten Staaten, den sie respektieren?

Don Winslow: Die Republikaner verdienen nichts als Verachtung – sie sind allesamt Feiglinge und Verräter. Ich respektiere keinen einzigen von ihnen. Donald Trump, Mitch McConnell und Ted Cruz sind eine Schande für unser Land. Von den anderen ganz zu schweigen.

Woher stammt Ihre Verachtung? Ist es der Sturm aufs US-Kapitol am 6. Januar 2021 durch einen Mob von Trump-Anhängern?

Der Sturm auf das Kapitol war nur der Höhepunkt einer langen Reihe des Versagens der Republikanischen Partei. Damals stand das Schicksal unseres Landes und unserer Demokratie auf dem Spiel. Und was haben die Republikaner getan? Nichts! Als dann alles vorbei war, haben sie nicht einmal ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump unterstützt. Wenn diese Partei kein Schandfleck für die Demokratie ist, dann weiß ich auch nicht weiter. Am besten wäre es, wenn die Republikaner einfach verschwinden würden.

Diesen Gefallen werden sie Ihnen nicht tun. Im Gegenteil, im Jahr 2024 wollen sie das Weiße Haus zurückerobern.

Und ich persönlich werde meinen Beitrag leisten, um es Ihnen so schwer wie möglich zu machen.

Don Winslow, Jahrgang 1953, ist ein weltweit bekannter Krimiautor. Vor seiner Karriere als Schriftsteller war Winslow unter anderem Privatdetektiv, mittlerweile hat er mehr als 20 internationale Bestseller veröffentlicht. Darunter mit "Tage der Toten", "Das Kartell" und "Jahre des Jägers" eine Trilogie über den mexikanischen Drogenkrieg. Der Roman "Zeit des Zorns" wurde 2012 von Oscar-Preisträger Oliver Stone verfilmt. Gerade erschien mit "City on Fire" Winslows neuestes Buch als Auftakt einer weiteren Trilogie.

Tatsächlich haben Sie bereits angekündigt, Ihre erfolgreiche Karriere als Schriftsteller endgültig aufzugeben – um fortan ausschließlich den Republikanern und insbesondere Donald Trump in den sozialen Medien Paroli zu bieten. Was motiviert Sie zu diesem Schritt?

Donald Trump ist schuld. Und die Republikanische Partei, die völlig verrückt geworden ist. Es geht doch um die grundsätzliche Frage, in was für einem Land wir Amerikaner leben wollen. Soll es ein Land sein, in dem Angst und Hass gedeihen? Das erscheint mir wenig erstrebenswert.

Tatsächlich sind Sie seit längerer Zeit nicht nur Krimiautor, sondern auch politischer Aktivist. Im Präsidentschaftswahlkampf 2020 haben Sie selbstproduzierte Videos gegen Donald Trump ins Internet gestellt.

Die auch sehr erfolgreich gewesen sind. Die Videos hatten auf YouTube mehr als 250 Millionen Aufrufe, für einen Spot hat Bruce Springsteen einen Song beigesteuert. Für den nächsten Wahlkampf habe ich auch schon ein paar Überraschungen parat. Donald Trump kann sich auf etwas gefasst machen. Auf Twitter und überall sonst. Falls er überhaupt wieder twittern darf.

Sie betonen immer wieder, dass die Demokratische Partei zu zahnlos in der politischen Auseinandersetzung mit Trump und den Republikanern agieren würde. Ist es denn sinnvoll, sich gewissermaßen auf deren Niveau zu begeben?

Der Kampf gegen Trump muss viel härter werden. Bei der nächsten Präsidentschaftswahl geht es um alles. Trump wird noch eine Menge Schaden anrichten, wenn er erneut ins Weiße Haus einziehen sollte. Glauben Sie mir. Man kann diesen Mann eben nicht nur mit wohlmeinenden Reden verhindern. Diese Erfahrung haben wir 2016 gemacht.

Nun hat die frühere First Lady, Michelle Obama, einmal die Losung ausgegeben: "When they go low, we go high". "Je tiefer sie sinken, desto besser werden wir uns benehmen", lautet die freie Übersetzung.

Ich habe den größten Respekt vor Michelle und Barack Obama; der Tag, an dem er zum US-Präsidenten gewählt worden ist, gehört zu den glücklichsten in meinem Leben. Und es wäre mir auch lieber, wenn wir in einer Welt leben würden, in der alle fair und freundlich miteinander umgehen. Aber so ist es gerade eben nicht der Fall. Donald Trump hat am 6. Januar 2021 versucht, unsere legitim gewählte Regierung mit einem Putsch zu beseitigen. Warum soll ich denn einen solchen Mann mit Samthandschuhen anfassen? Nein, ich werde Trump genauso behandeln, wie er es verdient. Auf Twitter oder sonst wo. Genau das war der Fehler der Demokraten in der Vergangenheit: Sie gingen mit Löffeln bewaffnet zu einer Messerstecherei.

Wie war Trumps Aufstieg ins Weiße Haus überhaupt möglich? Als er seine Kandidatur verkündete, nahm der amerikanische Politikbetrieb dies eher mit Belustigung auf.

Bevor Trump Politiker wurde, war er ein erfolgreicher Reality-TV-Star. Dort hat er gelernt, wie er Menschen für sich begeistern kann. Dazu zeichnen Trump mehrere Eigenschaften aus: Auf gewisse Weise ist er überaus ehrgeizig, dazu ohne jeden Skrupel. Trump ist ein Mann ohne Seele, ohne jede Grundüberzeugung. Macht ist das einzige, das ihn interessiert, er ist nichts weiter als ein lügnerischer Faschist und Möchtegerndiktator.

Beobachter beklagen immer wieder die gegenwärtige gesellschaftliche Spaltung in den Vereinigten Staaten. So neu ist dieses Phänomen allerdings nicht, das Trump sich heute zunutze macht.

Selbstverständlich ist es nicht neu. Zwischen 1861 und 1865 haben wir Amerikaner einen Bürgerkrieg geführt, in den Zwanzigerjahren hetzte der Ku-Klux-Klan gegen Einwanderer. Und auch heute wird die Migration gefürchtet. Viele Amerikaner sind verunsichert und fürchten um ihre Existenz. Donald Trump schürt diese Angst für seine Zwecke, er ist eine der verabscheuungswürdigsten Gestalten der amerikanischen Geschichte. Dabei ist er ein unverschämter Lügner. Denn jeder gute Ökonom weiß: Einwanderer schaffen Jobs, sie nehmen sie niemandem weg. In Donalds Trumps Welt sind diese Menschen aber ausschließlich eine Bedrohung.

Während Trump in Migranten eine Gefahr sieht, suchte er als US-Präsident die Freundschaft zu Wladimir Putin. Dem Mann, der heute die Ukraine bekriegt.

Donald Trump hat ein ziemliches schwaches Ego. Genau wie Wladimir Putin. Beide brauchen die ständige Bewunderung ihrer Umwelt. Trump will mit Liebe überschüttet werden, deswegen geht er auch keiner Kundgebung aus dem Weg. In seinem Inneren weiß Trump jedoch, dass er ein Mistkerl ist. Und auch Putin will vor allem geliebt werden. Dafür geht aber auch er einen sehr bizarren Weg.

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Was halten eigentlich Ihre Leser davon, dass Sie sich dem Kampf gegen Trump verschrieben haben?

Es gab ein paar Reaktionen, manche waren auch wütender Natur. Aber ich stehe zu meiner Entscheidung.

Sie verabschieden sich allerdings nicht sofort als Schriftsteller, gerade haben Sie mit "City on Fire" Ihren neuesten Krimi als Teil eins einer Trilogie veröffentlicht. Er spielt in Providence im US-Bundesstaat Rhode Island während der Achtzigerjahre fernab der sonstigen Schauplätze Ihrer Romane. Warum?

Das Buch ist eine Art Heimkehr für mich. Ich bin in Rhode Island aufgewachsen, gar nicht weit von Providence. Aber es gibt weitere Gründe für diese Wahl: Ich brauchte einen kleinen, intimen Ort, an dem alle Protagonisten des Buches glaubhaft miteinander bekannt und befreundet sein konnten. Im kleinen Rhode Island ist das wesentlich glaubwürdiger als in Chicago, Los Angeles oder New York City.

Nun geht es im Buch um den Krieg zwischen zwei Mafiafamilien, die eine irischer, die andere italienischer Herkunft. Bei Providence, Rhode Island, denkt man nicht unbedingt zuerst an die Organisierte Kriminalität.

Die Leute sind immer wieder überrascht, aber ja, es gab damals sehr viele Mafiosi dort. "City on Fire" spielt unter anderem auch in den Achtzigerjahren, weil damals die Zeiten härter wurden für die Mafia. In einer solchen Situation gibt es viel mehr Konfliktstoff als in den fetten Jahren.

Sie sagen, dass es sehr viele Mafiosi in Rhode Island gab. Kannten Sie welche?

Sagen wir, man wusste recht genau, wer zur Mafia gehörte oder Beziehungen zu ihr hatte. Bisweilen kam einem das Verbrechen auch relativ nah. Ungefähr mit 14 war ich einmal in einem Restaurant, und ein paar Stunden nachdem ich gegangen war, wurden dort zwei Typen erschossen.

Das Buch ist von der "Ilias" des antiken Dichters Homer inspiriert, der in der Schrift vom Krieg um Troja berichtet. Nun ist es ein weiter Weg von Kleinasien nach Rhode Island.

So weit ist er in der Gedankenwelt eines Schriftstellers auch wieder nicht. Aber ja, Homers "Ilias" war die Inspiration für dieses Buch. Jede Figur daraus hat ihre Entsprechung in "City on Fire".

Warum fiel Ihre Wahl auf Homers Werk?

Als ich die "Ilias", die "Odyssee" und andere Klassiker las, war ich beeindruckt von den Parallelen zwischen diesen Erzählungen und Ereignissen aus der Geschichte der Kriminalität in den Vereinigten Staaten. "City on Fire" ist der Versuch, diese beiden Welten zu einer modernen Kriminalgeschichte zu vereinen.

Nun ist es etwas deprimierend, dass heute noch genauso wie vor Jahrtausenden Gewalt ein derart zentraler Bestandteil der menschlichen Gesellschaft ist.

Das ist leider wahr. Aber Klassiker sind eben Klassiker, weil sie die ewig relevanten Themen der Menschheit ansprechen. Bleiben wir bei der Antike: Der Saga nach floh der trojanische Prinz Aeneas einst mit seinem Vater auf dem Rücken und dem Sohn an der Hand aus der dem Untergang geweihten Stadt. Wenn ich nun in der Gegenwart Bilder aus der Ukraine anschaue, ist der Unterschied gar nicht so groß. Leider.

Vor allem in Ihren Büchern über den mexikanischen Drogenkrieg schildern Sie Szenen extremer Gewalt. Wie schwer fällt es Ihnen?

Die Recherchen waren brutal. Es ist hart, sich immer wieder Fotos von Autopsien, Videos von Gräueltaten anzusehen oder Berichte darüber zu lesen. Aber warum sollte ich ein verfälschtes Bild zeichnen? Diese Gewalt ist real in Mexiko – und das soll auch jeder wissen.

Haben Sie diese Erfahrungen zum Misanthropen gemacht?

Nein, es ist aber etwas schwieriger geworden für mich, rundum positiv in die Zukunft zu blicken. Allerdings bin bei meinen Recherchen auch nicht nur auf negative Dinge gestoßen. Sondern zum Beispiel auch auf den Mut mexikanischer Frauen, die in ihrem Land etwas zum Besseren bewegen wollen. Und sich den Drogenkartellen und der Korruption entgegenstellen.

Neben Ihren Romanen sind Sie auch für Ihre kompromisslose Haltung in der Drogenpolitik bekannt: Sie befürworten eine komplette Freigabe aller Drogen.

Wir haben nun viele Jahre einen Krieg gegen die Drogen geführt, das Ergebnis ist mehr als fragwürdig. Überhaupt schon die Wortwahl: Immer wieder wird vom mexikanischen Drogenproblem gesprochen. Aber das ist es nicht, wir haben es mit einem amerikanischen und europäischen Drogenproblem zu tun. Hier in Europa und bei uns in den USA sitzen die Verbraucher, wir sind diejenigen, die Milliarden an gewalttätige Soziopathen in Mexiko senden. Entsprechend muss das Drogenproblem bei uns gelöst werden und nicht dort. Eine Entkriminalisierung wäre ein wichtiger Schritt dazu.

Sie waren Schriftsteller, nun konzentrieren Sie sich auf Ihre Tätigkeit als politischer Aktivist. Haben Sie Ihre Ziele als Autor überhaupt erreicht?

Ein Romanautor kann Dinge tun, die andere nicht tun können. Ich kann Charaktere erschaffen, ihr Innenleben gestalten, ihnen Gefühle und Gedanken mitgeben. Die Möglichkeit habe ich in meinen Büchern genutzt, um etwas zu bewegen, die Weltsicht meiner Leser zu erweitern. Ich bin jedenfalls ganz zufrieden.

Viele Ihrer Romanfiguren sind innerlich zerrissen, fühlen sich widerstreitenden Loyalitäten verpflichtet. Haben Sie einen Lieblingscharakter in "City on Fire"?

Danny Ryan, der Hauptprotagonist, ist mir sehr nahe. Wie ich kommt er aus einer kleinen Fischerstadt, hat den gleichen irisch-katholischen Hintergrund. Mit den widerstreitenden Loyalitäten ist es im Übrigen so eine Sache.

Wie meinen Sie das?

In meinen Büchern wie im echten Leben stehen bestimmte Handelnde bisweilen vor ganz anderen Fragen als die meisten normalen Leser. Nehmen wir den Fall Mexiko. Dort gibt es viele korrupte Polizisten, und es ist einfach, diese Leute zu verurteilen. Aber diese Gesetzeshüter haben nicht die Wahl zwischen Geld nehmen oder eben nicht. Die Drogenkartelle stellen sie vor Entscheidung "Nimm das Geld oder wir töten deine ganze Familie". Dafür ein Bewusstsein zu schaffen, war mir wichtig in meiner Trilogie über den mexikanischen Drogenkrieg.

Nun werden auch die USA immer wieder von Gewalttaten erschüttert, neulich erst tötete ein Amokläufer in Texas 19 Grundschulkinder. Wie lässt sich die Gewalt in den Vereinigten Staaten wieder eindämmen?

Das wird schwer, solange bösartige Mistkerle wie Mitch McConnell etwas zu sagen haben ...

... der Fraktionsvorsitzende der Republikaner im US-Senat.

Genau. McConnell hat zum Beispiel Gesetze für Hintergrundüberprüfungen blockiert, die es Waffenkäufern zumindest etwas schwerer machen sollten.

Ihre Wortwahl für McConnell ist recht drastisch.

Ich sage, was ich denke. Für nette Worte bin ich der falsche Ansprechpartner. Ich betone es noch einmal: McConnell ist ein Mistkerl, einer dieser alten, weißen Männer, die am besten bald verschwinden, anstatt sich weiter persönlich zu bereichern. Genau wie Ted Cruz.

Der ebenfalls für die Republikaner im US-Senat sitzt.

Leider. Da werden in seinem Heimatstaat 19 Kinder erschossen. Und was macht dieser Typ? Wettert gegen schärfere Waffengesetze.

Besteht die Möglichkeit, dass Sie gegen diesen Irrsinn noch einmal in Form eines Romans anstelle von Tweets antreten werden?

Ich bin mittlerweile 68 Jahre alt. Ich weiß, wann es besser ist, aufzuhören. Im Gegenteil zu manchen Rockstars und Politikern.

Herr Winslow, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Don Winslow via Videokonferenz
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