Emotionale Reaktionen nach Schulmassaker "Sie erleben einen Schmerz, den niemand ertragen sollte"
Entsetzen, Trauer und Wut in den USA: In Texas tötete ein 18-Jähriger mindestens 21 Menschen, fast alle waren Kinder. Der Überblick über die Reaktionen auf die Tat.
Innerhalb weniger Tage wurden die USA von zwei Massenmorden erschüttert: In Buffalo (Bundesstaat New York) tötete ein Teenager am 15. Mai mehrere Menschen bei einem Schusswaffenangriff in einem Supermarkt. Nun hat sich die nächste Tragödie ereignet: An einer Grundschule in Uvalde im Bundesstaat Texas eröffnete ein 18-Jähriger das Feuer – und tötete 19 Kinder und zwei Erwachsene. Eine 66-Jährige und ein zehnjähriges Kind befinden sich noch immer in einem kritischen Zustand. Das Land ist erstarrt.
In den sozialen Netzwerken sprachen zahlreiche Menschen des öffentlichen Lebens ihre Trauer über das Massaker aus. Zudem wurden erneut Rufe nach verschärften Waffengesetzen im Land laut.
"Als würde einem ein Stück seiner Seele herausgerissen"
US-Präsident Joe Biden zeigte sich in seiner Ansprache am Dienstagabend höchst emotional. "Ein Kind zu verlieren ist, als würde einem ein Stück seiner Seele herausgerissen." Der Demokrat forderte zudem schärfere Waffengesetze: "Als Nation müssen wir uns fragen, wann in Gottes Namen wir der Waffenlobby die Stirn bieten werden." Die Vorstellung, dass ein 18-jähriger Junge in ein Waffengeschäft gehen und zwei Sturmgewehre kaufen kann, sei einfach falsch.
- Überblick: Das ist in Uvalde passiert
Auch US-Vizepräsidentin Kamala Harris forderte nach dem Massaker neue politische Maßnahmen. "Genug ist genug", sagte Harris am Dienstagabend (Ortszeit) in Washington. "Als Nation müssen wir den Mut haben, zu handeln." Es müssten Maßnahmen ergriffen werden, die sicherstellen, dass derartige Verbrechen nicht mehr geschehen, sagte Harris – ohne konkret zu werden. "Unsere Herzen werden immer wieder gebrochen."
"Ich habe keine Worte"
Emily Haber, die neue US-Botschafterin in Deutschland, schrieb auf Twitter kurz und knapp: "Ich habe keine Worte." Die ehemalige Außenministerin Hillary Clinton twitterte: "Sorgen und Gebete sind nicht genug. Nach Jahren nichts anderem werden wir zu einer Nation von qualvollen Schreien. Wir brauchen einfach Gesetzgeber, die bereit sind, die Geißel der Waffengewalt in Amerika zu stoppen, die unsere Kinder ermordet."
Der frühere US-Präsident Barack Obama sprach den Angehörigen sein Beileid aus und äußerte ebenso Wut über die Waffenlobby. "Michelle und ich trauern mit den Familien in Uvalde", schrieb Obama am Dienstagabend (Ortszeit) auf Twitter. "Sie erleben einen Schmerz, den niemand ertragen sollte." Er und seine Frau seien auch wütend, fügte der US-Demokrat hinzu und kritisierte in diesem Zusammenhang die oppositionellen US-Republikaner.
"Unser Land ist gelähmt, nicht durch Angst, sondern durch eine Waffenlobby und eine politische Partei, die keine Bereitschaft gezeigt haben, in irgendeiner Weise zu handeln, um diese Tragödien zu verhindern", so Obama. Er erinnerte an ein Massaker an der Grundschule Sandy Hook im Jahr 2012 und an die Tat in Buffalo. Es sei längst an der Zeit, zu handeln, schrieb der Ex-US-Präsident. Dass Familien noch auf konkrete Maßnahmen warten müssten, sei eine weitere Tragödie. Michelle Obama teilte den Post auf ihrem eigenen Twitter-Profil.
Der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, hatte nach dem Massaker der Polizei gedankt. "Die Realität ist, so schrecklich wie das, was passiert ist, es hätte schlimmer sein können", sagte Abbott am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. "Sie haben unglaublichen Mut bewiesen, indem sie in die Schüsse liefen, nur um Leben zu retten", sagte er über die Einsatzkräfte. "Es ist eine Tatsache, dass sie durch ihre schnelle Reaktion vor Ort in der Lage waren, auf den Bewaffneten zu reagieren und ihn auszuschalten. Sie waren in der Lage, Leben zu retten." Leider seien es nicht genug Leben gewesen. Abbott argumentierte auch am Mittwoch, strengere Gesetze seien nicht die Lösung, um Amokläufe wie den jüngsten in Uvalde in Texas zu verhindern.
"Sie tun nichts"
Überschattet wurde die Konferenz durch den Auftritt Demokraten Beto O'Rourke, der die Veranstaltung unterbrach und Abbott verbal scharf kritisierte. O'Rourke, der im November bei der nächsten Gouverneurswahl in Texas als Herausforderer gegen Abbott antreten will, warf dem Republikaner vor, nichts gegen die grassierende Waffengewalt in den USA zu unternehmen. "Sie tun nichts", kritisierte O'Rourke.
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Abbott reagierte auf die Vorwürfe nicht, während andere Offizielle O'Rourke zur Ordnung riefen und ihn dazu aufforderten, den Saal zu verlassen. Ein Mann rief O'Rourke zu: "Sie fallen aus dem Rahmen, und Sie sind peinlich." Ein anderer Mann beschimpfte den Demokraten wüst und sagte: "Ich kann nicht fassen, dass Sie ein kranker Bastard sind, der aus einer Sache wie dieser ein politisches Thema machen will." O'Rourke verließ nach der verbalen Auseinandersetzung den Raum.
Scholz und Steinmeier bringen Mitgefühl zum Ausdruck
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz drückte seine Trauer aus. "Schreckliche Nachrichten erreichen uns heute Morgen aus einer Schule in Uvalde, Texas. Unsere Gedanken sind bei den Verletzten und Hinterbliebenen der Opfer dieses unfassbaren Massakers, für das kaum Worte zu finden sind", hieß es auf dem Twitter-Profil des SPD-Politikers.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schrieb nach Angaben des Bundespräsidialamtes an US-Präsident Biden, der "grausame Tod wehrloser Kinder, die voller Neugier und Lebensfreude am Anfang ihres Lebens standen, macht mich fassungslos". Angesichts solchen Leids gebe es "keine passenden, heilenden Worte", dennoch wolle er "Ihnen und dem amerikanischen Volk, auch im Namen meiner Landsleute, mein tief empfundenes Beileid aussprechen".
Den Angehörigen der Opfer gelte "unser ganzes Mitgefühl", fügte Steinmeier hinzu. "Den Verletzten wünsche ich eine rasche Genesung. Und der amerikanischen Demokratie, der wir Deutsche so vieles zu verdanken haben, wünsche ich die Kraft und den Zusammenhalt, um das Problem der Waffengewalt an der Wurzel zu packen."
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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kritisierte die Macht der Waffenlobby: "Es ist entsetzlich, dass so viele Kinder und eine Lehrerin getötet wurden. Und es ist schlimm, wie mächtig die Waffenlobby in den USA noch immer ist – trotz so vieler schrecklicher Verbrechen", schrieb die SPD-Politikerin am Mittwoch auf Twitter.
Faeser schrieb, in Deutschland gelte ein striktes Waffenrecht, das die Waffenbehörden entschieden und mit aller Wachsamkeit durchsetzen müssten. "Vor allem müssen wir Extremisten sehr konsequent entwaffnen. Dort, wo es notwendig ist, werden wir das Waffenrecht weiter verschärfen."
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kondolierte ebenfalls und beklagte, dass auch "in Friedenszeiten" Menschen erschossen würden.
Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach den Menschen in den USA sein Mitgefühl aus. "19 der Opfer waren jünger als zehn Jahre alt", schrieb Macron auf Twitter. Die Kinder und ihre Lehrer seien "feige ermordet" worden. "Wir teilen den Schock und die Trauer der amerikanischen Bevölkerung und die Wut aller, die sich dafür einsetzen, die Gewalt zu beenden."
Papst Franziskus sagte nach einer Generalaudienz im Vatikan, er sei "untröstlich" angesichts der Ereignisse in Texas. "Ich bete für die getöteten Kinder und Erwachsenen und ihre Familien", sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche und forderte, den "unkontrollierten" Waffenhandel einzudämmen.
"Wann werden wir etwas tun?"
Die US-Popsängerin Taylor Swift wandte sich ebenso mit bewegenden Worten an ihre Fans. "Ich bin erfüllt von Wut und Trauer und so gebrochen durch die Morde in Uvalde. Durch Buffalo, Laguna Woods und so viele andere. Durch die Art und Weise, wie wir als Nation auf unfassbaren und unerträglichen Kummer konditioniert wurden", schrieb der Superstar auf Twitter. Dazu teilte Swift ein Video des Basketball-Meistertrainers Steve Kerr von den Golden State Warriors.
Kerr zeigte sich höchst emotional: "Wann werden wir etwas tun?", schrie er in einer Pressekonferenz vor der Playoff-Partie bei den Dallas Mavericks am Dienstagabend (Ortszeit). "Ich habe es satt, ich habe genug!"
Kerr, als Spieler an der Seite von Michael Jordan Meister mit den Chicago Bulls, wollte deshalb nicht über Basketball reden. Sichtlich bewegt und zitternd, sagte der 56-Jährige: "Ich bin es leid. Ich bin es so leid, hier aufzustehen und den zerstörten Familien da draußen mein Beileid auszusprechen." Immer wieder stockte Kerr die Stimme, mit der Hand schlug er mehrfach auf den Tisch.
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Kerr forderte eine strengere Waffenkontrolle in den USA und richtete sich an 50 Senatoren, die das bislang verhindern würden. Der insgesamt achtmalige NBA-Champion spricht sich bereits seit Längerem gegen Waffengewalt aus. Sein Vater war 1984 bei einem Terroranschlag in Beirut im Libanon erschossen worden.
"Bringen Kinder in der Schule immer wieder in Gefahr"
Auch andere Sportlerinnen und Sportler äußerten sich zu der Tat: Der US-Basketballer LeBron James etwa drückte auf Twitter seine Wut und Trauer aus: Seine Gedanken und Gebete gingen an die Familien, die ihre Angehörigen verloren haben oder deren geliebte Menschen verletzt wurden. "Wann ist genug genug?", fragte James. "Das sind Kinder und wir bringen sie in der Schule immer wieder in Gefahr."
Auch Hollywoodstar Matthew McConaughey forderte mehr Einsatz im Kampf gegen Waffengewalt. "Dies ist eine Epidemie, die wir in den Griff bekommen können, und unabhängig davon, auf welcher parteipolitischen Seite wir stehen, wissen wir alle, dass wir es besser machen können. Wir müssen es besser machen", schrieb der Oscar-Preisträger von 2014 ("Dallas Buyers Club") am späten Dienstagabend (Ortszeit) auf Twitter. Man müsse Maßnahmen ergreifen, damit niemand das erleben müsse, was die Eltern in Uvalde und andere Angehörige davor durchgemacht hätten.
"Was machen wir?"
US-Senator Chris Murphy reagierte entsetzt und richtete bewegende Worte an seine Senatskollegen. "Was machen wir?", fragte der Demokrat am Dienstagnachmittag (Ortszeit) im US-Kongress. "Warum verbringen Sie so viel Zeit damit, für den Senat der Vereinigten Staaten zu kandidieren? Warum machen Sie sich die Mühe, diesen Job zu bekommen (...), wenn Ihre Antwort lautet, dass wir nichts tun, während diese Metzelei zunimmt und unsere Kinder um ihr Leben rennen?", fragte er sichtlich um Fassung ringend. "Warum sind wir hier?"
Murphy kommt aus dem Bundesstaat, in dem 2012 im Ort Sandy Hook bei einem Massaker in einer Grundschule 20 kleine Kinder getötet worden waren. Solche Massaker seien nicht unvermeidlich. "So etwas passiert nur in diesem Land. Und nirgendwo sonst", sagte Murphy. "Nirgendwo sonst gehen kleine Kinder mit dem Gedanken zur Schule, dass sie an diesem Tag erschossen werden könnten." Murphy fügte hinzu: "Es ist unsere Entscheidung, ob das weitergeht."
"Arbeiten Sie mit uns zusammen, um einen Weg zu finden, Gesetze zu verabschieden, die dies weniger wahrscheinlich machen", forderte der Demokrat weiter. "Ich weiß, dass meine republikanischen Kollegen nicht mit allem einverstanden sein werden, was ich befürworte, aber wir können einen gemeinsamen Nenner finden."
Der republikanische Senator Ted Cruz, der Texas im Senat vertritt, warf den Demokraten aber umgehend vor, die Attacke in Uvalde zu "politisieren", um das Recht auf Waffenbesitz einzuschränken.
Für eine Verschärfung der Waffengesetze ist in den USA der Kongress zuständig. Viele Republikaner lehnen einen solchen Schritt ab. Die Waffenlobby ist in den USA sehr mächtig.
- Nachrichtenagentur dpa
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