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Colin Powell: Er hätte der erste nicht weiße Präsident sein können


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Zum Tod von Colin Powell
Ein guter Soldat, aber eine tragische Figur

MeinungEin Nachruf von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 18.10.2021Lesedauer: 4 Min.
Colin Powell im Jahr 2003: Nach dem Golfkrieg 1991 war er bekannt und beliebt wie kein General seit Dwight Eisenhower.Vergrößern des Bildes
Colin Powell im Jahr 2003: Nach dem Golfkrieg 1991 war er bekannt und beliebt wie kein General seit Dwight Eisenhower. (Quelle: Zuma Wire/imago-images-bilder)
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Als General genoss Colin Powell einen Ruf wie Donnerhall und wurde zu America's Darling. Dann ließ er sich 2003 breitschlagen, den Irakkrieg zu begründen und zerstörte damit seinen Ruf.

Er war der Sohn jamaikanischer Eltern und wuchs auf in der South Bronx. Er hätte sicherlich Grund gehabt, darüber zu reden, was es für einen dunkelhäutigen Jungen, 1937 geboren, bedeutet hat, in dieser durchaus rassistisch geprägten Welt aufzuwachsen – vor allem in der weiß bestimmten Welt des Militärs. Es war eine gewaltige Leistung, dass er es zum Vier-Sterne-General brachte. Vermutlich auch eine große Entsagung.

Wie jeder gute General war er nicht wild darauf, seine Truppen in den Krieg zu schicken – womöglich leichtfertig, womöglich einfach so, aus politischen Gründen, die nicht durchdacht waren. Seine Generation machte im Vietnamkrieg die Erfahrung, dass da Generäle waren, die immer mehr Soldaten zum Sterben in einen aussichtslosen Krieg jagten, der zu Hause massiv unbeliebt war. Und dass da ein Präsident war, der alles mitmachte, was die Generäle verlangten.

Was ihr einnehmt, gehört euch dann auch

Daraus entwickelte er das, was später die Powell-Doktrin hieß: Jeder Krieg muss politisch so wohlbegründet sein, dass er die Zustimmung der Amerikaner findet und vor allem soll bedacht sein, was danach kommt. Das Militärische ist ja nur das eine, das Politische ist mindestens genauso wichtig – der gezielte Aufbau des eroberten Landes. Was ihr einnehmt, gehört euch dann auch, pflegte er den drei Präsidenten zu sagen, die er beriet.

Der Irak war sein Schicksal. Als Saddam Hussein im Jahr 1990 Kuweit überfiel und die USA dagegen in den Krieg zogen, war Colin Powell der Architekt dieser Operation mit 500.000 Soldaten und Soldatinnen, die Saddam Hussein in die Schranken wies, aber auf die Einnahme Bagdads verzichtete.

Diese Selbstbeschränkung war weise. Saddam durfte bleiben, was er war: ein menschenverachtender Diktator, der Gift einsetzte, gegen Feinde außerhalb des Landes aber auch innerhalb. Eine üble Figur in einer Weltgegend voller übler Figuren. Colin Powell war fürs Missionieren nicht zu haben.

Demokraten wie Republikaner rissen sich um Powell

1991 war seine beste Zeit. Als er das Militär zwei Jahre später verließ, war er bekannt und beliebt wie kein General vor ihm seit Dwight Eisenhower. Demokraten wie Republikaner umgarnten ihn, damit er für sie als Präsidentschaftskandidat antrat. Er hätte der erste nicht weiße Präsident werden können, so sah es aus, das traute Amerika ihm zu, als es noch nicht so tief gespalten war wie heute.

Powell spielte mit dem Gedanken. Er kokettierte öffentlich damit. Er schien zu wollen und dann wieder nicht. Niemand nahm es ihm übel, dass er sich nicht entscheiden konnte oder wollte. So verstrich die historische Chance, die sich lange vor Barack Obama für ihn eröffnete.

Anstatt selbst Präsident zu werden, diente er einem, der als leicht unterbelichtet galt: George W. Bush. Powell ließ sich 2001 breitschlagen, Außenminister zu werden. Das traute er sich zu, zumal er aus seiner Zeit als General immer noch einen Ruf wie Donnerhall genoss. Das Gegengewicht sollte er bilden gegen die Nationalisten um Donald Rumsfeld, den Verteidigungsminister, und Richard Cheney, den Vizepräsidenten.

Gedemütigt von Cheney und Rumsfeld

Dann kam 9/11, dann kam die Idee auf, von Rumsfeld/Cheney aufs Schärfste vertreten, dass der Sohn vollenden sollte, was sein Vater 1991 aus gutem Grund nicht vollendet hatte. Und ausgerechnet dem netten, sympathischen, hoch angesehenen Colin Powell blieb es überlassen, in der Uno die fingierten Beweise vorzulegen, nach denen Saddam Hussein über Massenvernichtungswaffen verfügte, zum Beispiel über chemische Waffen in mobilen Laboren.

Nichts davon stimmte. Cheney und Rumsfeld, die den General gering schätzten, die ihn für einen Zauderer hielten, die ihn, immerhin jetzt Außenminister, ständig ausmanövrierten und für schlechte Presse sorgten, hatten ihn gedemütigt, nicht unbedingt wissentlich, weil sie glaubten, was sie glauben wollten. Ihnen war es egal, zynisch wie sie waren. Im Jahr 2003 bekamen sie ihren Krieg, diesmal voll und ganz.

Am Ende zogen sie Saddam Hussein aus einem Erdloch. Sie radierten alles aus, die Regierung, die Armee, die Sicherheitsdienste. Damit war getan, was sie tun wollten. Exit-Strategie? Nichts davon. Kein Gedanke daran. Um Rache ging es. Rache ist kein guter Ratgeber.

Colin Powell war eine tragische Figur

Rumsfeld/Cheney sorgten für das große Vakuum, das heute noch in dieser Weltgegend herrscht. Ohne Irak kein Syrien. Ohne die USA keine Ordnungsmacht mehr im Nahen Osten. Frieden? Mit Russland, der Türkei und Iran samt Hisbollah und Hamas kein Interesse daran.

Am Ende war Colin Powell eine tragische Figur. Er zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Er hatte sich benutzen lassen. Wie ein guter Soldat ließ er sich auf eine vergiftete Aufgabe ein. Er hätte nein sagen können, er sagte es nicht. Hatte er die Beweise nicht prüfen lassen, die er in der Uno vortrug? Hatte ihn keiner seiner Vertrauten gewarnt? Und warum trat er hinterher nicht sofort zurück?

Was ihm auch immer damals durch den Kopf ging, hat Colin Powell allein mit sich ausgemacht. Vielleicht hinterlässt er Tagebücher, aus denen hervorgeht, was er wusste oder ahnte und was er hinterher mit Rumsfeld und Cheney und Bush austrug.

Er muss gewollt haben, dass er als anständiger Mensch und untadeliger Soldat im Gedächtnis der Welt bleibt. Wie schade, dass es ihm nicht vergönnt war.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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