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Joe Biden: Das verrät Joe Bidens Biograf über den neuen Präsidenten


Biden-Biograf
"Er ist von Trump abgestoßen"

InterviewVon Fabian Reinbold

Aktualisiert am 16.11.2020Lesedauer: 5 Min.
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Der gewählte Präsident Joe Biden: Laut seinem Biografen will der 77-Jährige Teile von Trumps Politik umkehren.Vergrößern des Bildes
Der gewählte Präsident Joe Biden: Laut seinem Biografen will der 77-Jährige Teile von Trumps Politik umkehren. (Quelle: ap)

Was für ein Präsident wird Biden sein? Sein Biograf spricht im t-online-Interview über den Menschen und Politiker Biden – und verrät, welche Rolle Deutschland bei dessen Plänen spielt.

Joe Biden steht vor einer schweren Aufgabe: Er verspricht, eine gespaltene Nation zu einen – und das Ansehen seines Landes in der Welt wiederherzustellen. "Biden will, im Inneren wie in der Außenpolitik, vor allem Dinge reparieren", sagt der US-amerikanische Journalist Evan Osnos im Interview mit t-online.

Der Autor einer im Oktober veröffentlichten inoffiziellen Biografie sprach für sein Buch mehrfach mit Biden, aber etwa auch mit Ex-Präsident Barack Obama. Im Gespräch verrät er, wie er auf den Gesundheitszustand Bidens blickt, welche Art von US-Präsident der Demokrat sein wird und was Biden – abseits der bekannten öffentlichen Äußerungen – über Donald Trump denkt.

t-online: Herr Osnos, was für ein Präsident wird Joe Biden sein?

Osnos: Er wird ein Präsident sein, der an die grundlegende Tugend des Regierens glaubt, was einen radikalen Bruch zur gegenwärtigen politischen Führung darstellt. Er folgt auf einen Präsidenten, der systematisch die Funktion und die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Staatsführung unterminiert hat. Das Niveau ist so gesunken, dass es Bidens grundlegendes Projekt sein kann, die elementare Funktionsweise der Regierung wiederherzustellen. Alles darüber hinaus wird schon eingeschränkt durch die politischen Umstände in den USA.

Evan Osnos, 43, ist ein preisgekrönter US-Journalist und Autor. Seit 2008 schreibt er für das linksliberale Magazin "New Yorker", dessen China-Korrespondent er bis 2013 war. Im Oktober erschien seine Biden-Biografie parallel zur Veröffentlichung in den USA auch in Deutschland. Osnos lebt mit seiner Familie in Washington.

In der Außenpolitik hat er wohl größere Spielräume als in der Innenpolitik. Eines seiner ersten Gespräche nach der Wahl war mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wie blickt Biden auf sie?

Sie ist ganz klar seine längste tiefe Beziehung nach Europa. Ich wäre nicht überrascht, wenn ihn seine erste Auslandsreise nach Deutschland führen würde, was die Briten alarmieren würde. Er hat eine viel kompliziertere Beziehung zu Boris Johnson als zu Merkel. Er könnte damit seinen Glauben an Deutschland, an Europa und die westliche liberale Weltordnung signalisieren, deshalb könnte er stark in die Beziehung zu Merkel investieren.

Wenn Biden im Wahlkampf über Außenpolitik spricht, geht es meist um ein Zurück. Zurück ins Pariser Klimaabkommen, zurück in eine Art von Iran-Deal. Glaubt er wirklich, dass er die Zeit zurückdrehen kann?

In gewissem Maße: Ja. Wir werden recht bald sehen, ob er dabei mit einer veränderten Realität Schritt halten kann. Biden glaubt, dass wir dem Rest der Welt signalisieren müssen, dass Trump nur eine Verirrung und keine Neuausrichtung der USA war. Das ist die Botschaft hinter seinem Bestreben, in bestimmte Abkommen zurückzukehren. Biden will, im Inneren wie in der Außenpolitik, vor allem Dinge reparieren.

Einmal abgesehen von seinen öffentlichen Aussagen über Donald Trump: Was hat Ihnen Joe Biden darüber erzählt, was er in Trump sieht?

Tatsächlich gibt es da etwas, das ich nicht in mein Buch geschrieben habe. Es waren eher Bemerkungen am Rande, aber sie enthüllen wohl seine wahren Gefühle. Ich denke, er ist von Trump abgestoßen.

Wie hat er das ausgedrückt?

Am Schluss eines Interviews, das wir geführt hatten, ging es um Wladimir Putin und dass Biden sich ihm gegenüber niemals wie Trump verhalten würde. Er stand bereits auf und sagte dann noch etwas. "Ich bin kein Verschwörungstheoretiker, aber was ist das eigentlich mit Trump und Putin? Jetzt mal im Ernst, was ist da los?" Mir gefiel das, weil er in diesem Moment kein vorsichtiger Politiker war, der sich von den ganzen Theorien zu Trump und Russland fernhält…

…mit denen sich die linke US-Öffentlichkeit jahrelang beschäftigt hat, ohne zu Erkenntnissen zu gelangen.

Richtig. Er sagte in dem Moment, dass er bis heute Donald Trumps Unterwürfigkeit nicht verstehe. Und weil Biden oft moralisch argumentiert, verstört ihn das zutiefst. Er blickt auf Trumps persönliches und politisches Verhalten und findet es abstoßend.

Jetzt blockiert Trump die Machtübertragung an seinen gewählten Nachfolger. Hat Biden damit gerechnet?

Biden hat von Anfang an gesagt, dass der Prozess sehr, sehr hässlich werden könnte. Dass Trump in die Stimmenauszählung und das Wahlergebnis pfuschen könnte. Das ahnte er bereits in einem Gespräch im Juli. Wenn wir über Trump sprachen, nahm das Gespräch eine Wendung und Biden wurde humorlos und düster.

Sein Versprechen lautet, die gespaltene Nation zu einen. Ist er da ein bisschen naiv?

Ich denke, seine Hoffnung, die Spaltung reparieren zu können, ermöglicht ihm, die Augen vor ihrer Tiefe zu verschließen. Biden ist politisch wie psychologisch in einer Zeit geprägt worden, in der der Graben in Amerika nicht so tief war. Das hat er verinnerlicht.

Er wurde vor 48 Jahren in den Senat gewählt eine halbe Ewigkeit.

Ja, und damals funktionierte der Senat tatsächlich noch. Als ich Barack Obama in diesem Sommer für das Buch interviewte, sagte er: "Es war wirklich schmerzhaft für Joe, sich damit abzufinden, wie kaputt der demokratische Prozess in diesem Land ist."

Ist Bidens Optimismus, beide Seiten zusammenbringen zu können, also etwas gespielt?

Biden sucht einen Mittelweg zwischen der Beschreibung des Problems und dem Zustand, den das Land anstreben sollte. Er ist der Ansicht, dass etwas in Bewegung geraten kann. Er sieht, dass Trumps bösartiges Charisma viele Akteure fesselt. Aber er glaubt, dass, sobald man Trump aus der Gleichung entfernt, einzelne Senatoren ihre Interessen ganz neu definieren.

Interessieren Sie sich für die US-Politik? Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Biden feiert nun seinen 78. Geburtstag. Er wäre am Ende seiner ersten Amtszeit 82 Jahre alt. Ist das nicht zu alt für einen der stressigsten Jobs auf Erden?

Als wir über sein Alter und das Altern generell gesprochen haben, erzählte er mir, er habe einen Fehler gemacht, als er seinen Vater zum Eintritt in die Frührente ermutigt hat. Sein Vater verstarb schon bald darauf. Auch deshalb glaubt Biden, dass man weitermachen sollte, solange man einen Job gut erfüllen kann. Einer seiner Berater sagte es so: Er hat Angst, dass er ein bisschen wie ein Hai ist, der stirbt, sobald er aufhört zu schwimmen.

Leidet Biden, wie ihm aus dem Lager Donald Trumps unterstellt wird, unter Demenz?

Soweit ich es beurteilen kann: Nein. Seine Ärzte attestierten ihm kürzlich, ein gesunder kräftiger Mann für sein Alter zu sein. Gewiss, seine Stimme ist heiserer, er bewegt sich auf der Bühne vorsichtiger als einst. Aber sein Geist ist derselbe geblieben. Ich kann natürlich nicht in die Zukunft sehen.

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Was ist eine falsche Vorstellung über Joe Biden, die Ihnen immer wieder begegnet?

Die Vorstellung, dass er keine Ideologie hätte. Er folgt sehr wohl einer Ideologie, und zwar dem Zentrismus. Er glaubt, dass sich die Politik wandelt und dass ein Politiker diesen Wandel in der Gesellschaft widerspiegeln muss.

In Washington munkeln viele, seine Vizepräsidentin Kamala Harris könnte ihm im Weißen Haus die Show stehlen.

Sie wird eine ganz andere Vizepräsidentin sein, als er es für Obama war. Biden selbst hatte als Obamas Vize Erfahrung in der Außenpolitik sowie Verbindungen in den Kongress eingebracht. Sie hingegen verkörpert eine lebendigere demokratische Partei als er. Deswegen werden wir viel von ihr sehen. Doch er erwartet von ihr Loyalität. Biden ist stolz darauf, dass er in seiner Zeit als Vize Obama nicht hinterging, indem er selbst aus dem Weißen Haus heimlich eine Kampagne in eigener Sache fuhr. Er wäre ganz und gar nicht glücklich, falls es so aussähe, als nutze Kamala Harris ihre Vizepräsidentschaft vor allem als Startrampe für ihre eigenen Ambitionen auf die Präsidentschaft.

Herr Osnos, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Evan Osnos in Washington.
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