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US-Wahlen – Medien über Trump: "Er will alle mit in den Abgrund reißen"


US-Medien haben genug von Trump
"Er will alle mit in den Abgrund reißen"

dpa, Jürgen Bätz

Aktualisiert am 07.11.2020Lesedauer: 4 Min.
Denkwürdiges Pressestatement: Donald Trump beendet am Donnerstag eine Erklärung im Presseraum des Weißen Hauses.Vergrößern des Bildes
Denkwürdiges Pressestatement: Donald Trump beendet am Donnerstag eine Erklärung im Presseraum des Weißen Hauses. (Quelle: Evan Vucci/ap-bilder)

Etwas verändert sich. Präsident Trump wütet, aber die US-Medien wollen das nicht mehr unkommentiert transportieren. Seine Betrugsvorwürfe nach der Wahl gehen vielen zu weit. Es stellt sich ein neuer Ton ein.

"Twitter ist außer Kontrolle" – so klingt der wütende US-Präsident am Freitag. Der mächtigste Mann der westlichen Welt kann Atomsprengköpfe abfeuern lassen, aber er darf auf Twitter nicht mehr unkontrolliert jede falsche oder irreführende Behauptung äußern. Und damit nicht genug: Bei Präsident Donald Trumps Auftritt am Donnerstag unterbrachen mehrere US-Medien ihre Live-Übertragungen, weil seine Vorwürfe zum angeblichem Wahlbetrug so scharf wie unbelegt waren.

Drei Tage nach der Wahl deuten sich klare Trends an: Der Demokrat Joe Biden scheint die Wahl gewonnen zu haben, Trump schlägt daher umso mehr um sich, aber US-Medien wollen das – ehrwürdiges Präsidentenamt hin oder her – nicht unkritisch transportieren.

Sendepause für den Präsidenten

Die nicht als besonders Trump-kritisch bekannte Zeitung "USA Today" etwa stoppte ihren Live-Stream von Trumps Pressekonferenz und löschte das Video von allen Plattformen. "Unser Job ist es, die Wahrheit zu verbreiten – nicht unbegründete Verschwörungstheorien", erklärte Chefredakteurin Nicole Carroll die Entscheidung des Medienhauses. "Präsident Trump hat ohne Beweise behauptet, die Präsidentenwahl war korrupt und von Betrug gekennzeichnet", schrieb Carroll.

Statements und Pressekonferenzen des Präsidenten werden von den großen US-Sendern in der Regel in voller Länge übertragen – unabhängig von der politischen Tendenz der Medien. Doch sein Auftritt am Donnerstagabend (Ortszeit) überschritt eine Grenze: Die Sender ABC, CBS, CNBC, NBC und MSNBC kappten ihr unkommentiertes Live-Signal während Trumps Rede. "Hier sind wir wieder in der ungewöhnlichen Situation, den Präsident der Vereinigten Staaten nicht nur zu unterbrechen, sondern den Präsidenten der Vereinigten Staaten auch zu korrigieren", sagte etwa MSNBC-Moderator Brian Williams.

Trump versuche nur, die gute Sendezeit am Abend dafür zu nutzen, während der laufenden Stimmauszählung seine kruden Thesen zum angeblich gestohlenen Wahlsieg zu verbreiten, sagte ABC-Moderator David Muir. "Wir sind heute Abend nicht Zeugen, dass irgendjemand irgendetwas stiehlt. Das ist Demokratie, und wir haben die Menschen in Amerika gebeten, sich zu gedulden", sagte Muir.

Trump, die "fette Schildkröte"

Der Trump-kritische Sender CNN und Trumps Haussender Fox News übertrugen den Auftritt in voller Länger live. Doch im Anschluss wirkte es bei den – immer kritischen – Moderatoren bei CNN fast so, als hätte der Kaiser aus ihrer Sicht nun endgültig keine Kleider mehr. "Das ist der Präsident der Vereinigten Staaten, das ist die mächtigste Person der Welt. Und wir sehen ihn wie eine fette Schildkröte, die in der heißen Sonne auf dem Rücken liegt und um sich schlägt, weil er realisiert, dass seine Zeit vorbei ist", sagte Anderson Cooper. "Aber er hat es nicht akzeptiert, und jetzt will er alle mit in den Abgrund reißen, inklusive dieses Land", sagte Cooper.

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Auch beim recht neutralen Wirtschaftssender CNBC schien sich angesichts von Trumps rund 16 Minuten langem Auftritt Ratlosigkeit breit zu machen. Der Moderator Shepard Smith, der früher bei Fox News arbeitete, sagte zur Abschaltung des Live-Signals: "In meiner 30-jährigen Karriere habe ich niemals einen Präsidenten der Vereinigten Staaten unterbrochen. Wir haben uns immer wieder davor gescheut, auch als es andere getan haben. Aber wenn irgendein anderer Mensch unsere Plattform nutzen würde, um unsere Zuschauer anzulügen, dann würden wir ihn stoppen. Und ehrlich gesagt: Es reicht."

Fox News: Trump sucht alternativen Weg zum Sieg

Selbst bei dem Trump nahe stehenden Sender Fox News sagte ein Moderator nach der Übertragung, man habe noch keine Beweise für Trumps Vorwürfe gesehen. Der normalerweise auch von Trump geschätzte Korrespondent des Senders im Weißen Haus, John Roberts, sagte, dem Präsidenten werde angesichts des Stands der Stimmauszählung wohl seine Niederlage bewusst. Deswegen versuche er über Klagen und Prozesse, "einen alternativen Weg zu finden, das Weiße Haus zu behalten."

Interessieren Sie sich für die US-Politik? Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Selbst Trumps Lieblingsmedium, der Kurznachrichtendienst Twitter, wo er 88 Millionen Follower hat, schien dem Präsidenten immer weniger Freude zu bereiten. Sein Profil dort sieht seit der Wahl wie eine Sammlung von Warnhinweisen aus. "Einige oder alle der Inhalte in diesem Tweet sind umstritten und könnten irreführend sein in Bezug auf eine Wahl oder einen gesellschaftlichen Prozess", hieß es in Warnhinweisen, die Trumps Nachrichten vorgeschaltet waren. Twitter schränkte damit auch die Möglichkeit der Weiterverbreitung der Tweets ein. Trump sah darin Zensur einer liberalen Elite. "Twitter ist außer Kontrolle", zürnte er am Freitagmorgen – in einem Tweet.

Der Konflikt dürfte sich in den nächsten Wochen noch weiter zuspitzen, falls sich Bidens absehbarer Wahlsieg bestätigen sollte. Trump ist bis zum 20. Januar weiter der rechtmäßige Präsident – und er hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er bis zur letzten Klage um einen Sieg kämpfen wird. Es scheint aber so, als würden US-Medien seine teils grundlosen Behauptungen nicht mehr reflexartig transportieren wollen. Anders als die Atombomben kann Trump, der Oberbefehlshaber des US-Militärs, die Medien nicht kontrollieren.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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