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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die Folgen der Chaoswahl Amerikaner flehen: "Ich möchte, dass es endlich vorbei ist"
Das Wahlchaos ist Gift für die USA. Die Bevölkerung muss weiter auf eine Entscheidung in der Präsidentschaftswahl warten. Stimmen aus der republikanischen Hochburg Missouri machen den Konflikt deutlich.
"Ich bin sehr besorgt", erzählt der 20-jährige Dani aus Franklin County, einem republikanisch geprägten Vorort in St. Louis. Der Student hat bei den US-Wahlen am 3. November für Joe Biden gestimmt, inzwischen will er nur noch wissen, wer gewonnen hat. "Diese ganzen Werbebanner, Flaggen, Wahlaufrufe, die noch überall zu sehen sind, machen mich müde – ich möchte, dass es endlich vorbei ist."
Im Mittleren Westen der USA dominieren traditionell die Republikaner. Auch dieses Jahr kann Donald Trump voraussichtlich acht der zwölf Staaten für sich verbuchen. Darunter: Missouri. Ein Staat mit gut sechs Millionen Einwohnern, der zehn Wahlmänner- oder frauen entsenden wird.
Demokraten haben in republikanischen Hochburgen das Nachsehen
Wie in so vielen Regionen haben auch in diesem Bundesstaat vor allem die Menschen vom Land den amtierenden US-Präsidenten gewählt, die Menschen aus Großstädten wie St. Louis, Kansas City oder Columbia den demokratischen Kandidaten Joe Biden. Speziell bei Studenten sorgt das für Frust, weil ihr Bundesstaat außerhalb ihrer Universitätsstadt knallrot auf der Landkarte aufleuchtet – und am Ende alle Wahlmänner Donald Trump zugesprochen werden.
Dass Trump sich noch während der laufenden Auszählungen zum Sieger kürte, macht Dani wütend: "Er ist übermütig, arrogant und nur auf sich selbst bezogen." Das Land und die Menschen seien dem Präsidenten dabei vollkommen egal. Ihm gehe es nur darum, nicht zu verlieren.
Doch die Unsicherheiten, die der Präsident mit seinen völlig unbegründeten Mutmaßungen über "Wahlbetrug" in der Bevölkerung schürt, verfangen auch bei jungen Menschen. Der 22-jährige Will Cytron erzählt t-online: "Ich mache mir Sorgen, dass nicht alle Stimmen gezählt werden oder falsch gezählt wird. In Amerika scheint es fast immer Grund zu der Annahme zu geben, dass eine Präsidentschaftswahl manipuliert wird."
Das Gift der Manipulation, Verschwörungen über Unregelmäßigkeiten – sie sind längst in alle Teile der Gesellschaft gesickert. In Arizona haben sich am Donnerstag bewaffnete Gruppen vor den Wahllokalen versammelt, weil Gerüchte in den sozialen Medien gestreut wurden, wonach republikanische Wähler Filzstifte erhielten, mit denen ihre Stimmen nicht mehr erkennbar gewesen seien. Will studiert den Wirtschaftsstudiengang Accounting, spielt im College-Fußballteam von St. Louis. Er meint: "Es wurde viel über die Fälschung der Wahlen gesprochen, dieses Jahr gibt es Kontroversen wegen der Briefwahlzettel. Ich glaube, dass die Wahlergebnisse noch lange umstritten sein werden."
"Wir müssen den Wahlbetrug überprüfen"
Die 20-jährige Jordan Owens hat Donald Trump gewählt. "Wir müssen alle aufgetretenen Unstimmigkeiten beseitigen und den Wahlbetrug überprüfen", schreibt sie t-online und erklärt auf Nachfrage nicht genauer, welche "Unstimmigkeiten" sie meint. Nur dass die Auszählungen sich viel zu lange hinziehen, sorge ihrer Ansicht nach für Unruhe, so die Studentin aus Missouri. Mit Blick auf die komplizierte Lage in der Corona-Pandemie und über 90 Millionen Briefwähler waren Verzögerungen allerdings erwartet worden. Dass es zu Nachzählungen kommen wird, stimmt sie optimistisch: "Ich stimme dem Präsidenten zu 100 Prozent zu. Er hat das Recht, Nachlässigkeiten zu überprüfen und eine Nachzählung zu fordern in den Staaten, die einige rote Fahnen gehisst haben."
In den Gesprächen, die t-online mit sechs weiteren Studenten aus der republikanischen Hochburg Missouri telefonisch oder über Kurznachrichtendienste geführt hat, fällt oft ein Wort: Spaltung. Das Wahlchaos würde nur dafür sorgen, dass die Kluft zwischen Republikanern und Demokraten größer wird. Ein Student meint: "Ich glaube schon, dass es hier zu größeren Auseinandersetzungen kommen kann."
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Jordan Owens hat eine ganz eigene Sicht auf mögliche Ausschreitungen ob der angespannten Lage im Land: "Ich habe nicht so viel Angst vor Unruhen, wenn Trump verliert. Ich mache mir mehr Sorgen über Unruhen, wenn er gewinnt."
Ob eine Änderung des Wahlsystems diese Bedenken ausräumen könnte, wissen sie nicht. Aber Will erklärt seine Idealvorstellung so: "Ich wünschte, die Gesamtzahl der Stimmen würde den Sieger bestimmen und nicht das Electoral College." Auch in diesem Jahr, wie schon 2016, haben die Demokraten insgesamt wieder deutlich mehr Menschen für sich begeistern können. Nach aktuellem Stand kommt Joe Biden auf 70,32 Millionen, Donald Trump auf 67,52 Millionen Stimmen. Ein Schlaglicht auf die Studenten in Missouri zeigt: Eine gespaltene Nation sehnt sich nach Wegen, das eigene Land zu befrieden.
- Eigene Recherchen