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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Obama-Berater "Merkel wusste von Anfang an, was für ein Präsident Trump sein würde"
Donald Trump attackiert Deutschland, wo er nur kann. Der enge Obama-Berater Ben Rhodes verrät, was sich unter einer Biden-Regierung ändern würde – und wie der Ex-Präsident mit der Immernoch-Kanzlerin Kontakt hält.
Die Amtszeit Donald Trumps hat das deutsch-amerikanische Verhältnis schwer beschädigt. Kaum ein Monat vergeht, in dem sich der US-Präsident nicht bitter über die deutschen Verteidigungsausgaben, die Gaspipeline Nord Stream 2 oder die Handelspolitik beschwert.
Unter einer von Joe Biden geführten US-Regierung würde sich das Verhältnis schlagartig verbessern, sagt Ben Rhodes, der enge Berater Barack Obamas im Interview mit t-online. Darin bezeichnet der frühere stellvertretende Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses den Dauerstreitpunkt um die deutschen Verteidigungsausgaben als "nicht einmal eines der zehn wichtigsten Themen zwischen den USA und Deutschland". Rhodes spricht im Interview auch über seine Sicht auf Angela Merkel, die er als moralische Anführerin der freien Welt bezeichnet und verrät, wie Obama und Merkel immer noch Kontakt halten.
t-online: Herr Rhodes, im November 2016, kurz nach der Wahl Donald Trumps, reisten Sie mit Barack Obama nach Berlin. Damals hoben Sie Ihr Glas auf Angela Merkel, oder wie Sie es formulierten: Auf die Anführerin der freien Welt! Ist die Kanzlerin Ihrer Erwartung gerecht geworden?
Rhodes: Ich denke ja. Ich war beeindruckt, dass sie damals schon ganz genau wusste, was für ein Präsident Donald Trump sein würde. Der französische Präsident Emmanuel Macron wollte Trump umgarnen, die damalige britische Premierministerin Theresa May wollte mit ihm Freundschaft schließen, aber Angela Merkel wusste es von Anfang an besser. Wer eigene Interessen und Werte verteidigen will, darf sich Trump nicht anbiedern, sondern muss für das einstehen, woran er glaubt. Sie ist für liberale Werte und die internationale Ordnung eingestanden, als es niemand sonst von ihrem Kaliber getan hat.
Das macht sie schon zur Anführerin der freien Welt?
Sie kann nicht die Rolle eines US-Präsidenten spielen, dafür ist Deutschland nicht groß genug. Aber wenn Sie mich fragen, wer die moralische Anführerin der freien Welt ist, dann war das in den vergangenen vier Jahren ohne Zweifel Angela Merkel.
Ben Rhodes, 42, ist einer der wichtigsten Ratgeber Barack Obamas. Er diente dem US-Präsidenten die gesamten acht Amtsjahre als stellvertretender Nationaler Sicherheitsberater. Rhodes schrieb zentrale außenpolitische Reden des Präsidenten und führte die Verhandlungen um eine Annäherung an Kuba. Nach dem Ausscheiden aus dem Weißen Haus gründete er eine NGO und arbeitet für Obamas Stiftung.
Wo hätten Sie sich denn eine stärkere Führungsrolle der "moralischen Anführerin der Welt" gewünscht?
Ich erwarte mehr Führung von Deutschland bei der Frage der Demokratie in Europa, wenn es um Viktor Orbán in Ungarn geht oder jetzt um die Lage in Belarus. Bei der EU geht es doch letztlich um Demokratie und nicht nur darum, ein Klub zu sein. Merkel betont zwar europäische Werte, doch sie hätte sicher mehr Druck auf Orbán oder in Belarus auf Lukaschenko ausüben können. Nur ein Beispiel: Orbán hat doch EU-Gelder für korrupte Zwecke missbraucht, da hätte es Druckmittel gegeben. Es würde ihr wohl leichter fallen, eine harte Haltung einzunehmen, wenn es einen US-Präsidenten gäbe, der ebenfalls auf die Erhaltung der Demokratie drängen würde.
Unter Trump hingegen ist Deutschland zur Zielscheibe der Kritik geworden: wegen zu geringer Verteidigungsausgaben, wegen Nord Stream 2 und ganz allgemein wegen der Handels- und Zollpolitik. Was ändert sich, falls Joe Biden die Wahl gewinnt?
Viele dieser Themen haben auch uns in der Obama-Regierung beschäftigt. Aber sie waren eher zweitrangig. Unter Trump haben sie das Verhältnis definiert. Trump ist eindeutig persönlich feindselig gegenüber Merkel eingestellt. Allein schon der Umstand, dass er Richard Grenell als Botschafter nach Berlin geschickt hat, der vor allem die Deutschen quälen sollte, spricht doch Bände. Dabei sind das gar nicht die wichtigen Themen. Natürlich wollen wir, dass alle Nato-Partner das Zwei-Prozent-Ziel erfüllen, aber davon hängt Deutschlands Bedeutung für Amerika und die Welt doch nicht ab. Das ist nicht einmal eines der zehn wichtigsten Themen zwischen den USA und Deutschland.
Was ist denn wichtiger?
Wir müssen zusammenarbeiten gegen den Klimawandel, wir müssen zusammenarbeiten, um die Demokratien der Welt zu stärken, wir müssen zusammenarbeiten, um die technologische Revolution zu regulieren. Wir müssen irgendeine Art von gemeinsamer Sicht auf China entwickeln. Die Verteidigungsausgaben sind dafür nicht wirklich relevant. Dieses Thema wird unter einem Präsidenten Biden nicht annähernd so wichtig sein.
In Bezug auf die Außenpolitik teilen doch viele Amerikaner die isolationistische Haltung Trumps. Sie finden es etwa gut, dass der Präsident Truppen aus Deutschland abzieht.
Ich denke, dass die Amerikaner vor allem die Nase von Kriegen voll haben. Seien wir ehrlich: Die letzten Kriege sind auf schreckliche Art und Weise gescheitert. Ich denke nicht, dass die Truppenpräsenz in Deutschland wichtig ist. Fragt man die Bürger, ob Soldaten nach Hause kommen sollen, sagen sie natürlich Ja. Aber wenn man sie fragt, ob sie starke Bündnisse wollen, sagen sie auch Ja. Es geht um die Kriege. Und ausgerechnet da hat Trump ironischerweise nicht viel vorzuweisen. Er redet viel darüber, aber er tut nichts, um die Kriege, die wir kämpfen, zu beenden. Deshalb zieht er lieber Truppen aus Deutschland ab.
Wird Amerika je als Supermacht zurückkehren?
Ich denke nicht, dass Amerika je wieder dieselbe Supermacht wird wie vor Trump. Das hat mit Trumps Erbe zu tun, aber auch damit, dass Amerikas Stellung zuletzt nach dem Ende des Kalten Kriegs etwas künstlich war. Die Vorstellung von einer Nation, die die Geschicke der Welt so dominiert, kann immer nur vorübergehend sein. Und mit dem Irakkrieg haben wir das Ende dieser Vorstellung noch beschleunigt. Ich hoffe, dass wir die einflussreichste Nation der Welt sind und dass wir für gemeinsames Handeln mobilisieren können.
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Das wäre etwa in der Corona-Pandemie nicht die schlechteste Idee.
Stellen Sie sich einmal die Pandemie mit einem gewöhnlichen US-Präsidenten vor, nicht einmal mit Barack Obama, sondern einfach mit einem normalen Präsidenten. Der hätte von Anfang an mit China zusammengearbeitet, aber auch mit wichtigen Ländern wie Deutschland, um Lösungen zu finden für die globalen Lieferketten, das weltweite Reisen, das Koordinieren von Lockdown-Maßnahmen. Das hätte nicht nur das Leben Zehntausender Amerikaner gerettet, sondern auch die Wirtschaftskrisen und Todeszahlen weltweit gemindert. Solch ein Amerika, das gemeinsames Handeln bei einer Pandemie oder beim Klimawandel ermöglicht oder weniger im Nahen Osten kämpft, ist doch immer noch im Interesse der Welt.
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Wie viel Kontakt hat Obama mit Merkel?
Sie telefonieren manchmal. Ich arrangiere die Gespräche. Er versucht immer, sich bei ihr zu melden, wenn eine Wahl stattgefunden hat oder sie Geburtstag hat. Sie schmieden keine Pläne, denn beide sind sich bewusst, dass sie noch im Amt ist und dass es einen anderen Präsidenten in den USA gibt. Er hat mit keinem anderen Regierungschef engeren Kontakt als mit Merkel und mit Justin Trudeau…
…dem kanadischen Premierminister. Worüber spricht Obama mit der Kanzlerin?
Ich erinnere mich noch an den letzten Kontakt. Im Frühjahr hat er mir einen Artikel darüber geschickt, wie Merkels Umgang mit Covid Erfolg zeige, und mir gesagt, er wollte dann mit ihr sprechen, um ihr seinen Respekt zu zollen und ihr zu sagen: Er sei nicht überrascht, dass eine Wissenschaftlerin gut mit der Pandemie umgehen könne. Das ist nur ein Beispiel für die Art, wie er zu Angela Merkel Kontakt hält.
Herr Rhodes, vielen Dank für das Gespräch.
Im ersten Teil des t-online-Interviews sprach Rhodes über die US-Präsidentenwahl und warum sowohl er als auch Obama sich um den Fortbestand der US-Demokratie fürchteten.
- Gespräch per Videokonferenz mit Ben Rhodes.