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USA – Krieg in Afghanistan: "Das Volk wurde andauernd belogen"


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Enthüllungen zu Amerikas längstem Krieg
"Das Volk wurde andauernd belogen"


Aktualisiert am 10.12.2019Lesedauer: 4 Min.
Donald Trump bei Truppenbesuch in Bagram: Auch der aktuelle Präsident erhöhte die Zahl der Soldaten.Vergrößern des Bildes
Donald Trump bei Truppenbesuch in Bagram: Auch der aktuelle Präsident erhöhte die Zahl der Soldaten. (Quelle: Tom Brenner/reuters)

Verschwiegen, übertrieben, Gelder verprasst: Ein Bericht enthüllt, wie die US-Regierungen den Krieg in Afghanistan schönfärben. Kann Donald Trump ihn wirklich beenden?

Amerikas längster Krieg ist auch Amerikas vergessener Krieg. Noch immer sind 13.000 Soldaten in Afghanistan stationiert, doch Schlagzeilen macht der Konflikt 18 Jahre nach dem Einmarsch nur noch selten.

Das ist in dieser Woche dank der "Washington Post" anders. Die Zeitung hat einen umfassenden Enthüllungsbericht zum Afghanistan-Krieg vorgelegt, der vor allem eines zeigt: Die Entscheidungsträger in Politik und Militär hätten das Unterfangen völlig falsch eingeschätzt – und das eigene Volk über Jahre getäuscht, in dem sie über angebliche Fortschritte berichtet hätten, die es vor Ort nicht gegeben habe.

Die Veröffentlichung bezieht sich auf einen Regierungsbericht, für den Hunderte frühere Entscheidungsträger in den Jahren 2014 bis 2018 interviewt wurden. Sie rechneten nicht damit, dass die Aussagen öffentlich werden könnten. Dementsprechend deutlich fallen die Urteile aus: "Wir waren frei von grundlegendem Verständnis für Afghanistan – wir wussten nicht, was wir taten", sagte demnach Douglas Lute, ein früherer Drei-Sterne-General, der für die Regierungen von George W. Bush und Barack Obama den Krieg beaufsichtigte. "Wir hatten nicht einmal die nebligste Vorstellung von dem, was wir unternehmen."

"Volk andauernd belogen"

John Sopko, der die Untersuchung für das Büro des Generalinspekteurs für den Wiederaufbau in Afghanistan durchführte, zog aus den Befragungen der Militärs und Beamten dieses Fazit: "Das amerikanische Volk wurde andauernd belogen."

Die Zitate sind bemerkenswert, wenn man sich vergegenwärtigt, was für einen Aufwand die Amerikaner am Hindukusch betrieben haben. Allein für die Militäroperationen gaben die USA mehr als eine Billion US-Dollar aus. Für den Wiederaufbau hat Washington mehr als 133 Milliarden Dollar ausgegeben – eine Summe, die selbst um die Inflation bereinigt höher liegt als alles, was im Rahmen des Marshall-Plans für den Wiederaufbau Westeuropas ausgegeben wurde.

Laut den Zahlen des Pentagons kamen bei dem Einsatz 2.300 US-Soldaten ums Leben. Mehr als 20.000 wurden verletzt. Rund 38.000 Zivilisten starben auf afghanischer Seite.

Zweifel an Aufgabe für Bundeswehr

Auch tauchen große Zweifel an der Ausbildung afghanischer Streitkräfte auf – also jener Aufgabe, für die auch noch immer 1.300 Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan stationiert sind. Laut der "Washington Post" bezeichneten US-Militärausbilder die afghanischen Truppen als inkompetent, unmotiviert und von Deserteuren durchzogen. Keiner der Befragten habe angegeben, dass die Kämpfer in die Lage versetzt werden könnten, die Taliban abzuwehren.

Eine Aussage, die in der Veröffentlichung immer wieder auftaucht: Es sei üblich gewesen, dass sowohl das Militärhauptquartier in Kabul als auch das Weiße Haus Statistiken verzerrt hätten, um den Eindruck zu erwecken, dass die USA den Krieg gewännen.

Ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrates sagt darin etwa, dass die Obama-Regierung Druck gemacht hätte, Zahlen zu veröffentlichen, die belegen sollten, dass die von Obama angekündigte Aufstockung der Truppen Wirkung zeige. "Es war unmöglich, positive Metriken zu zeigen", sagte dieser Beamte in seinem Interview im Jahr 2016. "Die Metriken wurden stets manipuliert während der Dauer des Krieges."

Vergleich mit "Pentagon Papers"

In dieser Hinsicht erinnern die von der "Washington Post" "Afghanistan Papers" genannten Berichte an die "Pentagon Papers" aus der Zeit des Vietnamkriegs. Die im Jahr 1971 von "New York Times" und "Washington Post" veröffentlichten Geheimdokumente zeigten der amerikanischen Öffentlichkeit, dass die US-Administrationen über Ziele, Operationen und Fortschritte im Vietnamkrieg Kongress und Bevölkerung in die Irre geführt hatten.

Der Hintergrund der "Afghanistan-Papiere" ist allerdings ein anderer. Aus den Interviews wurde bereits ein Bericht mit dem Titel "Lessons learned" veröffentlicht (zu Deutsch: Gelernte Lektionen), in dem jedoch nur wenige Namen und Zitate von Befragten vorkommen.

Die "Washington Post" wollte aber an dieses Rohmaterial kommen und stritt seit 2016 um Einsicht in die Berichte. Die Behörde verweigerte die Freigabe. Vor Gericht steht eine letzte Entscheidung noch aus. Doch das Blatt veröffentlichte die ihm bereits vorliegenden Berichte jetzt, denn es wolle die "Öffentlichkeit informieren, während die Trump-Regierung mit den Taliban verhandle" und in Erwägung ziehe, die 13.000 US-Soldaten abzuziehen, die noch in Afghanistan seien.

Trump und die Taliban

Für viele Amerikaner dürften die Berichte indes nicht überraschend kommen: Laut Umfragen glaubt nur jeder dritte US-Bürger, dass der Krieg in Afghanistan ein Erfolg gewesen sei.

Die USA und die Taliban haben am Wochenende eine neue Runde an Friedensverhandlungen in Katar begonnen, wo die islamistische Miliz ein Vertretungsbüro hat.

Auch Donald Trump hat es zu seinem Ziel erklärt, den Krieg zu beenden. Im September hatte der US-Präsident eine Taliban-Delegation offenbar für Gespräche auf amerikanischen Boden eingeladen. Bekannt wurde dies nur, als Trump die bislang unbekannte Einladung öffentlich absagte, nachdem ein US-Soldat bei einem Selbstmordanschlag in Kabul ums Leben kam.

Vor zwei Wochen besuchte Trump anlässlich des Thanksgiving-Feiertags erstmals in Afghanistan stationierte Truppen. Doch auch unter Trump, der nach eigenen Angaben "Amerikas endlose Kriege" beenden will, wurde die Zahl der US-Soldaten in Afghanistan zunächst wieder erhöht.

Verwendete Quellen
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