Michael Cohen vor dem Kongress Ein Mann zerlegt das System Donald Trump
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.In einem bemerkenswerten Auftritt zeichnet Michael Cohen ein vernichtendes Bild von seinem früheren Chef Donald Trump. Für den Präsidenten ist das nicht nur peinlich, sondern auch gefährlich.
Der Mann, der Donald Trump die Maske abreißen will, war früher selbst dessen williger Vollstrecker für die dreckigen Aufgaben.
Wie oft er jemanden im Auftrage Trumps bedroht habe, fragt eine demokratische Abgeordnete den Zeugen Michael Cohen.
"50 Mal?", fragt sie. – "Öfter."
100 Mal? – Öfter.
200 Mal? – Öfter.
Cohen schätzt, dass er 500 Mal für Trump Menschen eingeschüchtert und bedroht habe.
Michael Cohen, 52 Jahre alt, war lange persönlicher Anwalt Trumps, sein "Fixer", sein Mann für schmutzige Angelegenheiten. Doch diese Zeit ist vorbei. Am Mittwoch bricht Cohen vor einem Kongressausschuss mit Trump auf spektakuläre Weise. Ja, er übt öffentlich Rache an seinem früheren Boss.
Er log für Trump – und muss dafür ins Gefängnis
Das hätte noch vor einem Jahr niemand für möglich gehalten. Doch nun hat Cohen mit dem Russland-Sonderermittler Robert Mueller und der Staatsanwaltschaft in New York kooperiert. Er geht bald ins Gefängnis für seine Lügen und Gesetzesbrüche, die er teilweise im Auftrag Trumps begangen haben will. Doch vorher will er mit einem, so würde er es darstellen, noch größeren Lügner und Gesetzesbrecher abrechnen: Donald J. Trump, Präsident der Vereinigten Staaten.
Cohen brandmarkt Trump vor dem Kongress und vor Millionen Zuschauern an den Bildschirmen als "Rassisten, Schwindler und Betrüger". Sein 29 Minuten langes Eingangsstatement gerät zur Generalabrechnung mit seinem früheren Boss. Er malt ein Bild Trumps, das diesen als durch und durch verkommenen Menschen darstellt. Als ungeeignet für das höchste Amt im Lande.
Cohen bleibt dabei ruhig und authentisch, trotz zahlreicher Angriffe der Republikaner im Ausschuss.
Arbeitsauftrag: Lügen verbreiten
Für Donald Trump ist Cohens Auftritt in erster Linie peinlich und in zweiter Linie gefährlich.
Er ist peinlich, weil noch nie jemand, der das System Trump von innen kennt, es so direkt und umfassend öffentlich zerlegt.
Jenes System wird vor allem durch Lügen zusammengehalten, das ist eine Aussage Cohens. Er sagt, wenn man morgens zur Arbeit kam in Trumps Firma, wusste man, dass man "heute für ihn bei irgendeiner Sache lügen" müsse. Cohen sagte, er selbst habe beispielsweise auch Trumps Ehefrau Melania über dessen Affäre mit Stormy Daniels anlügen müssen.
Cohen hat Dokumente dabei, die belegen sollen, wie Trump gegenüber der Deutschen Bank sein Vermögen künstlich aufgebläht hat. Dem Präsidenten ist bekanntlich nichts so heilig wie seine Finanzen.
Ausgiebig beschreibt er verschiedene Episoden aus dem System Trump, die den gemeinsamen Nenner Lügen und Täuschen haben. Darunter fällt jene Geschichte, wie er Hochschulleitungen unter Druck setzte, damit sie ja keine Noten des früheren – angeblich brillanten – Studenten Trump veröffentlichen. Oder die Bemerkung, Trump sei nur als Präsidentschaftskandidat angetreten, um den Wert seiner Marke weiter zu steigern.
Cohen liefert zahlreiche knackige Sätze, die wie gemacht sind, um im Fernsehen in Dauerschleife zu laufen. Es ist seine Abrechnung mit dem Boss.
Aussagen, die Trump in Bedrängnis bringen
Cohens Auftritt ist aber auch gefährlich, weil er zentralen Verteidigungslinien Trumps in seinen Affären widerspricht. Gerade bei der Affäre Stormy Daniels legt Cohen nach. Trump habe ihn als Präsident dazu gedrängt, über die Schweigegeldzahlung an den Pornostar zu lügen, sagt Cohen. Das ist heikel, weil es dabei nicht nur um eine schlüpfrige Affäre, sondern um illegale Wahlkampffinanzierung geht.
Cohen widerspricht auch Trump in der Russland-Untersuchung. So betont er etwa, Trump habe ganz genau gewusst, dass sein nun angeklagter Berater Roger Stone in Kontakt zu WikiLeaks-Gründer Julian Assange stehe, der die E-Mails aus dem Hillary-Clinton-Lager veröffentlichen würde.
Ebenso sagt Cohen, Trump habe die Unwahrheit über das Bauprojekt Trump Tower in Moskau gesagt und er habe ganz sicher von dem für die Russland-Ermittlungen zentralen Treffen im Trump Tower mit einer kremlnahen russischen Anwältin im Jahr 2016 gewusst – was dieser verneint hat.
Schaden für Trump: noch nicht abzuschätzen
Politisch entsteht durch all das neuer Schaden für Trump. Welche Folgen die Aussage für die Untersuchungen gegen Trump haben könnte, ist noch nicht abzuschätzen.
Zur Erinnerung: Bei alldem geht es nur um das, was Cohen in öffentlicher Aussage am Mittwoch angibt. Flankiert wird der Auftritt von zwei Aussagen vor den Geheimdienstausschüssen von Senat und Repräsentantenhaus, die finden hinter verschlossenen Türen statt.
Im öffentlichen Rahmen sagt Cohen: Er habe keine direkten Beweise, dass Trump oder sein Wahlkampfteam illegale Absprachen mit Russland getroffen habe. "Aber ich habe einen Verdacht."
Cohens besonderes Wissen über Trumps Gebaren stellt ihn plötzlich ins Zentrum der schrillen politischen Kämpfe um Trump. Als er den Saal im Repräsentantenhaus am Mittwochmorgen betritt, sagt ihm jemand aus dem Publikum: "Michael, du bist ein Held." Das hätte der sich wohl auch nicht träumen lassen. Für die eine Seite Amerikas ist der Schurke Cohen plötzlich fast schon ein Heiliger.
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Ganz anders die Republikaner im Ausschuss. Sie befragen Cohen gar nicht erst zu Trump oder dessen Verhältnis zu Cohen. Sie konzentrieren sich darauf, Cohens Glaubwürdigkeit im Kern zu zerstören. Immer wieder konfrontieren sie ihn mit seinen Vergehen. Sein Leben bietet dafür genügend Anlass.
Nach einer Stunde wird Cohen einmal patzig und sagt dem republikanischen Obmann im Ausschuss, dieser solle sich schämen. Das ist aber nur ein kurzer Moment, der aufhorchen lässt. Dann macht Cohen gefasst weiter und berichtet weitere Stunden lang über das Lügensystem des Donald Trump, dem er so lange diente.
- Eigene Beobachtungen vor Ort