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Aus für INF-Vertrag: Das Comeback der Atomwaffen – Eine Analyse


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Aus für den Abrüstungsvertrag
Trumps INF-Schachzug gilt nicht nur Russland

Eine Analyse von Fabian Reinbold, Washington

Aktualisiert am 02.02.2019Lesedauer: 3 Min.
Donald Trump bei einer Sitzung im Weißen Haus: Neben Russland sind der US-Regierung auch die geostrategischen sowie militärischen Ambitionen Chinas ein Dorn im Auge.Vergrößern des Bildes
Donald Trump bei einer Sitzung im Weißen Haus: Neben Russland sind der US-Regierung auch die geostrategischen sowie militärischen Ambitionen Chinas ein Dorn im Auge. (Quelle: Evan Vucci/ap)

Die USA setzen mit dem Ausstieg aus dem INF-Vertrag einen strategischen Schwenk um: Atomwaffen und globale Konkurrenten werden wieder wichtiger – die Sorgen der Europäer zählen nicht viel.

Der amerikanische Außenminister braucht nur wenige Sätze, um einen der wichtigsten Abrüstungsverträge der Welt zu beerdigen. „Er benachteiligt uns im Militärischen“, sagt Mike Pompeo zum INF-Abkommen, denn Russland halte sich „schamlos“ nicht daran.

Pompeo erklärt nicht viel, als er am Freitag in Washington vor die Presse tritt, denn für ihn ist der Ausstieg aus dem Abkommen über nukleare Mittelstreckensysteme nur der Vollzug einer langen strategischen Umorientierung.

Zum einen schlagen die USA seit sechs Jahren, also bereits unter Präsident Barack Obama, Alarm, weil sie eine massive Verletzung des Vertrags durch Russland erkennen. Zum anderen sieht das Weiße Haus unter Donald Trump Atomwaffen wieder als Instrument der Stärke – ganz genau wie Russland unter Wladimir Putin. Das schafft neue Risiken für die Europäer.

Im Kern geht es beim Ende des historischen Abkommens um russische Raketen mit der Bezeichnung 9M729, die im Nato-Raum SSC-8 genannt werden. Laut der Nato haben diese Raketen eine größere Reichweite als erlaubt und bedrohen auch Städte wie Berlin.

Auch die USA haben das Interesse verloren

Wenn der Rückzug aus dem Abkommen in sechs Monaten wirksam wird, fallen die Beschränkungen für Russen und Amerikaner weg. Offiziell stehen Deutschland und die anderen Nato-Mitglieder hinter dem amerikanischen Schritt. Doch sie fürchten ein neues Wettrüsten auf europäischem Boden und sie fordern, die sechs Monate zu nutzen, um doch noch eine Verständigung zu erzielen.

Doch die Aussichten darauf sind schlecht: Russland hat klargemacht, dass es die Vorwürfe des Westens nicht annimmt und eine Vernichtung der fraglichen Sprengköpfe nicht in Frage kommt. Und die Amerikaner haben selbst das Interesse an der Abmachung aus Zeiten des Kalten Kriegs verloren.

Die Trump-Regierung ist schon aus anderen Vertragswerken ausgestiegen, wenn sie sich in ihren Optionen beschnitten sah. Diesmal sind die potentiellen Folgen jedoch besonders groß. Immerhin geht es um die strategische Verteidigungs- und Abschreckungspolitik mit Atomwaffen.

Die Entscheidung fällt in den geostrategischen Schwenk, den die USA derzeit vollziehen. Dabei behindert sie der bilaterale Vertrag, den sie im Kalten Krieg mit der Sowjetunion beschlossen haben. Damals fürchtete man einen Atomkrieg auf europäischem Boden. Seitdem hat sich die Welt verändert.

Jetzt sehen sich die Vereinigten Staaten allerdings nicht mehr einem Ostblock gegenüber, sondern wollen neben den geopolitischen Ambitionen Russlands zusätzlich vor allem jene Chinas abwehren. Außerdem besitzen längst auch Staaten wie Iran, Pakistan und Nordkorea Mittelstreckenraketen.

"Falls es zum Wettrüsten kommt, liegt das an Russland"

Also schaut Washington bei der Abwicklung des INF auch nach Asien, wo es Mittelstreckensysteme gegen die Volksrepublik China ins Spiel bringen könnte. Europa und dessen Sorgen vor einer Rüstungsspirale werden dabei unwichtiger. „Falls es zu einem Wettrüsten kommt, dann liegt das an Russland, das den Vertrag unterlaufen hat“, sagte ein ranghoher Regierungsbeamter am Freitag knapp.

China ist dem INF nicht unterworfen, kann also Mittelstrecken-Marschflugkörper aufbieten, wie es ihm liegt. Peking besitze „mehr als tausend solcher Raketen“, bemängelt der Beamte in Washington. Tatsächlich verspüren die Volksrepublik oder etwa der Iran kein Interesse, dem Abkommen beizutreten, das auch für nichtnukleare Mittelstreckensysteme gilt.

Offiziell stellen sich die Nato-Partner in Europa hinter die Entscheidung Washingtons. Doch die Sorgen nehmen zu: Viele Regierungen fürchten, die USA zögen weitere Mauern zwischen ihrer Sicherheit und der der Verbündeten. Andere fürchten eine neue Rüstungsspirale.

Stationieren die USA neue Waffen in Europa?

Stationieren die USA jetzt ihrerseits nukleare Mittelstreckensysteme in Europa? Die Polen, bei denen die Angst vor Russland besonders stark ausgeprägt ist, wünschen sich das bereits – die Bundesregierung in Berlin ist dagegen.

In Washington sind dazu laut Weißem Haus noch keinerlei Entscheidungen gefallen. Konkrete Vorbereitungsmaßnahmen seien auch noch nicht getroffen worden. Die USA könnten etwa konventionelle Mittelstreckenraketen in Osteuropa platzieren. Diskutiert wird auch, kleinere seegestützte Atomwaffen auf Schiffen auf europäischen Gewässern zu platzieren – das wäre allerdings auch im Rahmen des INF-Vertrags erlaubt gewesen.


Schließlich könnte sich der Austritt aus dem INF-Vertrag auch auf weitere Verhandlungen auswirken. In zwei Jahren läuft der geltende New-START-Vertrag zur Reduzierung strategischer Atomwaffen aus. Die USA und Russland müssten bald mit den Verhandlungen darüber beginnen. Als der ranghohe Regierungsbeamte in Washington nach dem Bekenntnis der Amerikaner zum START-Vertrag gefragt wurde, sagte er nur: „Im Augenblick betrachten wir unsere Optionen.“

Verwendete Quellen
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