Zum Tod von George H. W. Bush Der Anständige
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.George H. W. Bush war ein umsichtiger US-Präsident, der von seinem Volk vom Hof gejagt wurde. Deutschland hat ihm viel zu verdanken.
Er war ein ungewöhnlicher Präsident. George Herbert Walker Bush strahlte keine Wärme aus wie sein Vorgänger Ronald Reagan, nichts Kumpelhaftes wie sein Sohn George W. Er verkörperte keinen Aufbruch wie sein Nachfolger Bill Clinton oder später Barack Obama. Und mit dem enthemmten Selbstdarsteller Donald Trump hatte der stets korrekte Bush erst recht nichts gemeinsam.
Der 41. Präsident der USA geriet neben diesen schillernden Figuren zwischenzeitlich ein bisschen ins Vergessen. Nach nur einer Amtszeit wurde er abgewählt, auch das ist die Ausnahme.
Die Welt geschickt durch die Zeitenwende gebracht
Dabei brachte Bush von 1989 bis 1993 sein Land, ja die Welt, äußerst geschickt durch die Zeitenwende, die mit dem Ende des Kalten Krieges einsetzte. Nach dem Fall der Mauer wurde Bush zum größten Fürsprecher einer deutschen Wiedervereinigung. Er bremste den Widerstand Frankreichs und Großbritanniens und brachte im Frühjahr 1990 François Mitterrand und Maggie Thatcher dazu, ihre Alliierten-Rechte aufzugeben.
Mit der zerfallenden Sowjetunion schloss er ein Abrüstungsabkommen, das Michail Gorbatschow dabei half, die deutsche Einheit in der Heimat durchzusetzen. So wusste Helmut Kohl, was er an Bush hatte: Er attestierte ihm, mehr von Europa zu verstehen als Reagan.
Für Diplomatie hatte Bush, der in den Siebzigerjahren während der vorsichtigen Annäherung an China als US-Gesandter in Peking gedient hatte, ein Händchen. Und das war immer wieder gefragt.
Oberbefehlshaber des ersten Echtzeitkrieges im TV
Während in Deutschland noch die letzten Details zur Einheit geklärt wurden, überfiel in der Golfregion der Irak das benachbarte Kuwait. Bush war zum Erstaunen seiner Berater von Anfang an entschlossen, den Einmarsch zu vergelten. Ihm gelang es, eine Koalition von 34 Staaten zu versammeln, die mit Uno-Mandat aus der Luft und später mit Bodentruppen Saddam Husseins Armee angriffen. Die Offensive, als erster Echtzeitkrieg Tag für Tag im Fernsehen übertragen, führte schneller zum Erfolg, als es seine Generäle geglaubt hatten.
Mit dem Golfkrieg erreichte Oberbefehlshaber Bush den Zenit seiner Präsidentschaft. Seine Beliebtheitswerte schossen auf 90 Prozent. Doch Bush scheiterte gewissermaßen gerade an seinen Erfolgen in der Welt. Denn über sein Krisenmanagement in Europa und Nahost vergaß er die Probleme daheim. Das waren bis dato unbekannte Schuldenberge und ein wirtschaftlicher Abschwung, der der heimischen Mittelschicht Abstiegsängste einjagte. Diese prägten den Wahlkampf 1992.
Bush hatte weder Rezept noch Vision, während aus dem Wahlkampfteam seines Herausforderers Bill Clinton ein Slogan um die Welt ging: "It’s the economy, stupid!" – also: Wahlentscheidend ist die Wirtschaft, Dummkopf!
Mehr Staatsdiener als Polit-Nahkämpfer
Bush war ohnehin mehr Staatsdiener als Polit-Nahkämpfer und neben dem jugendlichen Clinton wirkte er blass, alt, von gestern. Hinzu kam ein Drittkandidat, der Selfmade-Milliardär Ross Perot aus Texas, der gegen die Bush-Schuldenberge wetterte und damit 19 Prozent der Wählerstimmen holte. Bush verlor deutlich gegen Clinton.
Ironischerweise besiegelte Bushs Ende also die Auswirkungen eben jener abenteuerlichen ausgabengetriebenen Wirtschafts- und Finanzpolitik Reagans, die Bush im republikanischen Vorwahlkampf 1980 selbst noch als "voodoo economics" verspottet hatte, als er mit Reagan um die Nominierung stritt.
Es ist eines von wenigen Zitaten Bushs, die den Amerikanern in Erinnerung geblieben sind. Ein anderes, das Wahlkampfversprechen von 1988 "Read my lips: No new taxes", wurde zum Bumerang, als er im Zuge der Schuldenkrise doch die Steuern erhöhen musste.
In der eigenen Partei galt er einer neuen Bewegung von Konservativen unter anderem deshalb als Verräter. Sie fand Bush zu moderat, zu lasch, zu vorsichtig in der Außenpolitik. Sie wollten einen anderen, aggressiveren Präsidenten – und bekamen ihn dann erst acht Jahre später, mit Bushs eigenem Sohn.
Die neue Politikdynastie
Amerikas neue Politikdynastie war geboren. Schon Bush senior war als Sohn eines US-Senators und Investmentsbankers in elitären Verhältnissen aufgewachsen. Bush studierte, wie es Familientradition war, in Yale. Im Zweiten Weltkrieg diente er als Pilot und wurde von den Japanern über dem Pazifik abgeschossen. Stundenlang harrte der damals 20-Jährige auf offenem Meer aus, bis ihn ein U-Boot einsammelte. Nach der Rückkehr aus dem Krieg heiratete er seine Jugendliebe Barbara, die Ehe sollte 73 Jahre lang halten.
Die ersten Versuche, in der Politik Schritt zu fassen, schlugen fehl. Zweimal scheiterte er mit einer Kandidatur für den Senat, ehe er ins Repräsentantenhaus gewählt wurde. Karriere machte Bush eher im Apparat als im politischen Wettstreit. Unter Richard Nixon wurde er Uno-Botschafter, anschließend CIA-Direktor. In den acht Jahren als Vizepräsident des beliebten Reagan bekam auch der eher dröge Bush genug Glanz ab, um 1988 selbst ins Weiße Haus einzuziehen.
Im Rückblick erscheint Bush als anständiger Präsident, sein Weißes Haus war eines ohne große Skandale. Den Umbruch in der Welt meisterte er, doch auf den kulturellen Umbruch bei seinen Republikanern, der die Partei bis heute prägt, hatte er keine Antwort.
Aus Bush wird "41"
2001, mit dem Amtsantritt seines Sohnes, wurde aus George Bush dann plötzlich George H. W. Bush oder George Bush senior. Freunde nannten ihn "41", um ihm von seinem Sohn, dem 43. US-Präsidenten zu unterscheiden. Im Privaten suchte der Sohn oft den Rat des Vaters und dieser vermied öffentliche Kritik, auch wenn er sich insgeheim an der aggressiven Rhetorik ("Achse des Bösen") störte, wie er es seinem Biografen später sagte.
Nach Ende seiner Amtszeit zog sich Bush schnell wieder nach Texas zurück und veröffentlichte, anders als üblich, keine Autobiografie. Er engagierte sich für Hochwasseropfer in den US-Südstaaten und für jene des Tsunami in Südostasien, gemeinsam mit Clinton, zu dem er Jahre nach dem für ihn so bitteren Wahlkampf eine Art von Freundschaft aufbauen konnte.
- Ex-US-Präsident: George H. W. Bush ist tot
Im Alter erkrankte Bush an einer Form der Parkinson-Krankheit. Seit 2012 konnte er sich nur noch im Rollstuhl fortbewegen. Für Aufsehen sorgte immer wieder seine Auswahl bunter Socken. Eine solche Spur von Extravaganz hatte er sich als Präsident nicht gegönnt.
Seine Ehefrau Barbara starb im April 2018. George H.W. Bush ist ihr jetzt im Alter von 94 Jahren gefolgt.