Vor Gesprächen in London Trump stellt Mays Brexit-Pläne in Frage
Beim Nato-Treffen war Deutschland der Lieblingsgegner von US-Präsident Donald Trump. Nun ist der weiter nach London gereist: Nun bekommt die May-Regierung seine Kritik ab.
US-Präsident Donald Trump hat Zweifel am Brexit-Kurs der britischen Regierung geäußert und damit den Widerspruch seiner Gastgeber provoziert. Er sei sich nicht sicher, ob die Brexit-Pläne von Premierministerin Theresa May dem Votum der Briten beim Referendum vor zwei Jahren gerecht würden, sagte Trump kurz vor seiner Reise nach London. May wies die Kritik umgehend zurück.
"Ich weiß nicht, ob es das ist, wofür sie gestimmt haben", sagte Trump mit Blick auf die Teilnehmer des britischen Brexit-Referendums. "Das Volk hat für einen Bruch gestimmt", die britische Regierung aber werde "vielleicht einen etwas anderen Kurs einschlagen". May verwahrte sich gegen den Vorwurf, den Willen der Wähler zu missachten. "Wir setzen das Votum des britischen Volkes um", sagte sie mit direktem Bezug zu Trumps Äußerung. Dies bleibe das Ziel ihres neuen Brexit-Plans.
Kritik an Innenpolitik unüblich
Der US-Präsident traf am frühen Donnerstagnachmittag in London ein. Dass sich ein Staatsgast wie Trump derart deutlich zu einer innenpolitischen Debatte des Gastlands äußert, gilt in der Diplomatie als sehr unüblich.
May strebt nach dem Austritt ihres Landes weiterhin enge wirtschaftliche und regulatorische Bindungen an die EU an. Einen harten Schnitt will sie vermeiden. Aus Protest gegen diesen Kurs sind in den vergangenen Tagen zwei Minister und andere hochrangige Politiker zurückgetreten.
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Im Mittelpunkt von Trumps Antrittsbesuchs sollte nicht der Brexit-Kurs stehen, sondern ein Handelsabkommen, das nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU den Handel mit den USA ankurbeln soll. May strebe ein "ehrgeiziges Abkommen" an, sagte eine britische Regierungssprecherin.
Trump: Brexit ist eine einmalige Chance
Auch Trump wolle "so schnell wie möglich" ein bilaterales Handelsabkommen, sagte der US-Botschafter in London, Woody Johnson. Der Brexit sei "eine einmalige Chance für Großbritannien, den Kurs zu ändern".
Seinen Aufenthalt in der Hauptstadt London, wo am Freitag Großdemonstrationen geplant sind, beschränkt der US-Präsident auf ein Mindestmaß. An dem festlichen Abendessen in Blenheim Palace nahe Oxford nahmen auch zahlreiche Wirtschaftsvertreter teil. Trump reiste per Hubschrauber aus London an und wurde mit großem Zeremoniell im Hof des Schlosses von einer Kapelle rotuniformierter Gardesoldaten in Empfang genommen. Danach verbringen Trump und seine Ehefrau Melania die Nacht in der Residenz des US-Botschafters in London.
Am Freitag wird Trump dann von Mays auf dem Landsitz Chequers bei London empfangen. Danach ist ein Besuch der Trumps bei Königin Elizabeth II. auf Schloss Windsor geplant. Von Freitagabend bis Sonntag werden die Trumps dann in Schottland sein – vermutlich in Trumps Luxus-Golfclub Turnberry.
Große Proteste gegen Trump erwartet
Eine britische Regierungssprecherin hatte vergangene Woche bestritten, dass Trump einen Bogen um London mache, um den erwarteten Demonstrationen auszuweichen. Die Orte für die Unterredungen außerhalb der Hauptstadt seien gewählt worden, um die Gespräche in informeller Atmosphäre abhalten zu können.
May sagte vor dem Besuch: "Es gibt kein stärkeres Bündnis als unsere besondere Beziehung zu den USA, und es wird in den kommenden Jahren kein wichtigeres Bündnis geben."
Die berühmte "special relationship" zwischen Washington und London hat seit dem Amtsantritt Trumps im Januar 2017 allerdings eine Reihe von Irritationen durchlebt. Unter anderem war London verärgert, weil Trump ein islamfeindliches Video der rechtsextremen Gruppe Britain First im Kurzbotschaftendienst Twitter weitergeleitet hatte.
Mehr als 1,9 Millionen Briten unterzeichneten eine Online-Petition, in der sie sich gegen einen Staatsbesuch des US-Präsidenten aussprachen und stattdessen einen Arbeitsbesuch forderten. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov haben rund 77 Prozent der Briten keine gute Meinung von Trump.
- afp