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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Demoralisierte Diplomaten Wer erklärt Trump, wie Nordkorea tickt?
Handelsstreit mit EU und China, Eskalation zwischen Iran und Israel und nebenbei noch ein historischer Gipfel mit Kim Jong Un. Donald Trump riskiert in der Außenpolitik viel zur gleichen Zeit – sein Team ist überfordert.
Das Störfeuer aus Pjöngjang traf Washington offenbar unvorbereitet. Nachdem Nordkoreas Regime damit drohte, den Gipfel mit Donald Trump platzen zu lassen, und dessen Sicherheitsberater rügte, herrschte in der amerikanischen Hauptstadt seltsame Ruhe.
Das Außenministerium kalt erwischt, das Weiße Haus erst einmal nicht sprechfähig. Kein Tweet von Trump, später am Mittwoch nur ein knappes: "Wir werden sehen, was passiert." Für Nordkorea-Experten kamen die scharfen Äußerungen aus Pjöngjang zwar nicht überraschend, sie werten sie als Druckmittel. Doch hört Trump überhaupt auf Nordkorea-Experten?
Trump und sein Außenminister Mike Pompeo haben extrem hohe Erwartungen an den für den 12. Juni geplanten Gipfel mit Kim Jong Un geweckt. Sie selbst haben sich an den Fortschritten im Umgang mit Kim berauscht und in der amerikanischen Öffentlichkeit einen wahren Nordkorea-Hype ausgelöst, in dem die Drohungen aus Pjöngjang plötzlich stören.
Die Episode verdeutlicht die Probleme, die Trumps unkonventioneller Ansatz in der Außenpolitik mit sich bringt. Der US-Präsident hat enorm viel gleichzeitig angestoßen.
- Er hat in den vergangenen Wochen einen Handelsstreit mit den zwei größten Handelspartnern, der EU und China, angezettelt.
- Er versucht unter Androhung von Strafzöllen mit Mexiko und Kanada den Handelspakt Nafta neu zu verhandeln.
- Er hat mit der Botschaftseröffnung in Jerusalem und dem Rückzug aus dem Iran-Atomabkommen die Krisen in Nahost verschärft und Europa vor den Kopf gestoßen.
- Ach ja, und er will Geschichte schreiben mit seinem Gipfeltreffen mit Kim Jong Un.
Doch der Teufel steckt im Detail. Und da mangelt es Trump an Kenntnissen über die Fallstricke sowie an Experten in seinen Reihen. Trump versucht nämlich, mit einer kleinen Kerntruppe die Welt umzubauen – und dabei geschehen Fehler.
Agenten statt Diplomaten
Bei der historisch einmaligen Nordkorea-Offensive geben er, Pompeo und der Sicherheitsberater John Bolton den Ton an. Das klingt dann so:
- Trump lobt Diktator Kim als ehrenhaft und spricht bereits von einem Beitrag zum Weltfrieden, den die beiden leisten könnten.
- Pompeo, der Kim bereits zweimal traf, malte ein rosiges Bild: Wenn Kim bereit sei, die Waffen aufzugeben, könnten die USA helfen, sein Land wohlhabend wie den Süden zu machen.
- Hardliner Bolton hingegen nennt immer wieder den Atomdeal mit Libyen aus dem Jahr 2003 als Vorbild für Nordkorea. Weil man in Pjöngjang natürlich auch weiß, dass anschließend Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi mit US-Hilfe gestürzt und schließlich getötet wurde, wird dies als Bedrohung aufgefasst – und war Anlass für das scharfe Kommunique, das Pjöngjangs "Abscheu" über Bolton übermittelte.
Pompeo und Bolton, beide erst seit wenigen Wochen im Amt, führen mit Trump die heikle Nordkorea-Mission bislang ohne sichtbaren Rückgriff auf erfahrene Diplomaten durch.
Schon die Annäherung geschah nicht über die Kanäle des Außenministeriums, sondern jenen des Auslandsgeheimdienstes CIA, dessen Direktor bis zum April Pompeo war. Der Ansatz hat für einen spektakulären Durchbruch gesorgt. Doch jetzt, wo langsam um Inhalte gefeilscht werden sollte, müssten die Diplomaten wieder ins Zentrum rücken – eigentlich.
Ausgedünnt, demoralisiert
Doch die relevanten Teams sind neu zusammengewürfelt, ausgedünnt, demoralisiert. Im Februar trat der Nordkorea-Beauftragte im Außenministerium, Joseph Yun, ab – er fühlte sich missachtet. Der Botschafterposten in Seoul, eine entscheidende Schnittstelle zur Koordination mit den Südkoreanern, ist seit Trumps Amtsantritt unbesetzt. Vergangene Woche nahm auch noch der führende Atomexperte im Außenamt seinen Hut – offenbar aus Groll gegen Trumps Iran-Entscheidung.
Auch in den anderen Bereichen herrscht ein desolates Bild: Rund 60 Prozent der leitenden Beamten im Außenministerium sind nach Trumps Amtsantritt gegangen, viele Stellen nach wie vor unbesetzt.
Trump muss nicht zwingend aufs Außenamt zurückgreifen, doch auch sein eigener Sicherheitsstab im Weißen Haus leidet unter Überforderung. Das Weiße Haus kämpft mit Personalchaos, der Verwaltung zahlreicher Affären und etwa der höchst komplexen Umsetzung von Trumps Ideen in den Handelskonflikten, um nur einige Beispiele zu nennen.
"Wir sind sehr schlecht vorbereitet"
Als vergangene Woche Korea-Experten beim Center for Strategic and International Studies in Washington zusammenkamen, herrschte Erstaunen über die Fortschritte, aber auch große Skepsis über den Gipfel Trump – Kim. Bridget Coggins, Sicherheitsforscherin von der University of California in Santa Barbara, sagte: "Ich fürchte, wir sind sehr schlecht vorbereitet. Es gibt keine Erfahrung in Trumps Mannschaft."
Denn allen Experten ist klar, dass Nordkorea kein Interesse daran hat, einseitig seine Atomwaffen aufzugeben, mögen Trump und Pompeo das auch noch so oft nahelegen. Der Ex-Nordkorea-Beauftragte Yun sagte: "Denuklearisierung heißt nicht Ja oder Nein. Es gibt sehr viel Spielraum, um diesen Begriff mit Leben zu füllen."
Trump ist es aus seinem Geschäftsleben gewöhnt, alle Fragen im ganz engen Kreis zu klären. Doch seine jetzigen Projekte sind doch etwas komplexer. Und zahlreiche Beobachter fürchten, dass er sich um der großen Show willen auf faule Kompromisse einlassen könnte.
Die frühere Außenministerin Condoleezza Rice gab Trump für das geplante Gipfeltreffen schon einmal einen Rat mit auf den Weg: "Ich weiß, Sie sind ein großer Dealmaker, aber machen Sie keinen Deal mit Kim Jong Un", sagte Rice bei einem Auftritt an der Uni Stanford.
Trump solle die schönen Bilder, die der Gipfel liefere, gern einheimsen, aber dann bitte schön an die Fachleute übergeben. "Erklären Sie Frieden", so Rice, "und lassen Sie den dann jemand anderen verhandeln."
- eigene Recherchen
- "National Public Radio"-Bericht mit den Äußerungen von Rice