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Trumps Abschiebungen: Deutscher sitzt in Abschiebehaft im US-Gefängnis


Zwischen Willkür und Verzweiflung
Der mysteriöse Abschiebe-Fall von Fabian Schmidt


18.03.2025 - 09:23 UhrLesedauer: 9 Min.
Fabian Schmidt (34) und seine Mutter Astrid Senior (60).Vergrößern des Bildes
Fabian Schmidt (34) und seine Mutter Astrid Senior (60). (Quelle: privat)
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Nach mehr als 17 Jahren in den USA wird der Deutsche Fabian Schmidt nach einer Rückreise plötzlich festgenommen. Seither sitzt er in Abschiebehaft – und seine Mutter kämpft gegen Behörden, Hass und die Angst, selbst abgeschoben zu werden.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

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Wie es dem Deutschen Fabian Schmidt gesundheitlich geht, davon dringt aktuell nur wenig nach draußen. Mit einer Grippe sitzt der 34-Jährige seit gut einer Woche in der Donald W. Wyatt Detention Facility, einer amerikanischen Haftanstalt im Bundesstaat Rhode Island. Nicht zu Hause in New Hampshire, sondern dort im Gefängnis, rund eine Autostunde von Boston, Massachusetts, entfernt, ist er gelandet.

Nach einem Kurztrip nach Europa ist er in Boston am Flughafen an seiner Wiedereinreise in die USA gehindert und dann verhaftet worden. Kalt soll es in dem Gefängnis sein, wärmere Kleidung als die Standard-Sträflingskleidung gibt es für ihn nicht. So berichtet es seine Mutter, die zusammen mit Fabians achtjähriger Tochter, seiner Verlobten und der ganzen Familie um ihn bangt.

Telefonieren darf Fabian Schmidt nach Informationen von t-online nur über das Gefängnistelefon. Mit insgesamt vier Personen, darunter sein Anwalt David Keller und seine Mutter Astrid Senior. Diese Gespräche werden aufgezeichnet. So steht es auch in den Richtlinien des Gefängnis-Handbuches. Wirklich offen reden kann er also nicht. Im Gespräch mit t-online sagt Astrid Senior: "Ich kenne meinen Sohn, und ich kann an seiner Stimme hören, dass gar nichts okay ist."

Doch alles, was ihr Sohn jetzt am Telefon sagt, könnte leicht gegen ihn verwendet werden. Und auch Astrid Senior will und muss jetzt vorsichtig sein. "Ich fühle mich so unfassbar hilflos", sagt sie. Ihr langes, gemeinsames Leben in den USA, ein Traum, scheint plötzlich in Gefahr.

Angst vor neuer US-Willkür

Astrid Senior lebt heute wie ihr Sohn im Bundesstaat New Hampshire. 2007 waren die beiden einst in die USA gezogen. Seit 2008 besitzen sie eine sogenannte Greencard und damit eine legale, dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung. Doch es ist kein Freifahrtschein. Dass sie sich 17 Jahre später in purer Verzweiflung um ihren Sohn an die amerikanische und deutsche Presse wenden würde, an Politiker und Behörden beider Länder, das hätte sie niemals für möglich gehalten. Aber was sich seit mehr als einer Woche in ihrer eigentlich längst selbstverständlich gewordenen amerikanischen Heimat abspielt, gleicht einem Albtraum.

Astrid Senior befürchtet, dass ihr Sohn unter der aktuellen Trump-Regierung und den drastisch verschärften Abschiebemaßnahmen behördlicher Willkür ausgesetzt sein könnte. Schnell galt Fabians Fall darum auch vielen anderen als Beleg dafür, dass unter US-Präsident Donald Trump die Uhren für Ausländer anders gehen – nicht nur für illegale Einwanderer. Manche sprechen inzwischen von einer notwendigen Reisewarnung für Deutsche. Auch die Bundesregierung wirkt alarmiert und tauscht sich mit ihren europäischen Partnern aus. Denn es gibt mehrere ähnliche Fälle. Ob es Einzelfälle sind oder dahinter System steckt, soll geklärt werden.

Was aber steckt hinter dem Fall von Fabian Schmidt?

Mutter spricht von brutaler Behandlung ihres Sohnes

Seit Tagen wendet sich Astrid Senior an eine breite Öffentlichkeit, um auf die Vorgänge um ihren Sohn in amerikanischer Abschiebehaft aufmerksam zu machen. Mit zunehmendem Erfolg – immer mehr Medien in Deutschland und erst recht in den USA greifen den Fall von Fabian Schmidt auf. Selbst große Fernsehsender wie NBC berichten. Astrid Seniors Erzählung nach hat sich Folgendes zugetragen:

Nach einem kurzen Besuch in Europa wurde ihr Sohn nach seinem Rückflug aus Luxemburg am 7. März 2025 an seinem Heimatflughafen in Boston kurzerhand verhaftet. Nach Angaben der Mutter musste Fabian Schmidt dann nicht nur seine Greencard, sondern auch sein Mobiltelefon abgeben. Er soll angebrüllt worden sein, habe sich komplett ausziehen müssen und soll per Schlauch mit kaltem Wasser abgespritzt worden sein.

Weiterhin soll er später kollabiert und schließlich in das Massachusetts General Hospital gebracht worden sein, wo auch seine Grippeerkrankung festgestellt wurde. Dort habe man ihn an sein Bett gefesselt und später ins Wyatt-Gefängnis nach Rhode Island gebracht. Es sind Angaben, die sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht alle überprüfen lassen. Klar ist: Die für seine Verhaftung verantwortliche US-Abschiebebehörde "Immigration and Customs Enforcement" (ICE) arbeitet vertraglich mit dem privat betriebenen Gefängnis in der Stadt Providence zusammen. Über die Zustände dort gab es schon häufig Diskussionen. 2019 musste deshalb die Zusammenarbeit mit ICE zwischenzeitlich sogar eingestellt werden.

Ein schwerer Vorwurf

Von der Verhaftung ihres Sohnes bekam Astrid Senior nur deswegen mit, weil Fabian Schmidts amerikanische Verlobte nach Stunden des vergeblichen Wartens auf ihn am Flughafen schließlich die Behörden einschaltete und dann auch seine Mutter informierte. Ihr Sohn durfte sich da schon nicht mehr selbst mitteilen.

Infolge der späteren Schilderungen gab Astrid Senior in Interviews nach dem ersten Schock an, ihr Sohn sei von den US-Behörden "gefoltert" worden. Ein Vorwurf, der viel Wirbel machte, und den sie so inzwischen auf keinen Fall wiederholen möchte. Es waren Äußerungen im Angesicht der offenbar groben Behandlungen gegen ihren Sohn nach dessen Festnahme. Sie wisse jetzt, dass der Begriff Folter "nicht gut gewählt" war, wie sie t-online sagt. Furchtbar sollen die Bedingungen trotzdem sein.

Die US-Behörde "Customs and Border Patrol" (CBP) hat ein Fehlverhalten der Beamten zurückgewiesen. "Diese Behauptungen über das CBP sind offenkundig falsch", sagte eine Pressesprecherin am Montag. Welche konkreten Behauptungen sie abstreitet, sagt sie jedoch nicht. Der Vorfall könne möglicherweise mit früheren Drogendelikten in Zusammenhang stehen. "Wenn eine Person wegen Drogendelikten angeklagt ist und versucht, wieder ins Land einzureisen, ergreifen die Beamten entsprechende Maßnahmen", so die Sprecherin weiter.

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Ein altes Vergehen und ein verpasster Gerichtstermin

Dabei scheinen die akuten Gründe für die plötzliche Verhaftung des Deutschen, der seit fast 20 Jahren legal in den USA lebte, nach jetzigem Stand noch weitgehend unklar zu sein. Von einer Anklage weiß bislang offiziell niemand. In dem Verhör ihres Sohnes soll es aber immer wieder um Vorgänge aus seiner Vergangenheit gegangen sein. Etwas Schriftliches liegt der Familie nach eigenen Angaben bislang nicht vor.

Die Greencard von Fabian Schmidt wurde aber offenkundig von den US-Behörden im eigenen System markiert, weil wohl aus deren Sicht ein rechtliches Problem vorliegt. Die Mutter des 34-Jährigen kann sich das nur so erklären:

Ihr Sohn habe im Jahr 2015 eine Ordnungswidrigkeit begangen, weil er mit Marihuana im Auto kontrolliert wurde. Astrid Senior sagt allerdings, der Fall sei längst eingestellt worden, nachdem das kalifornische Gesetz zum erlaubten Marihuanabesitz geändert wurde. In Kalifornien ist inzwischen der Besitz von bis zu 28,5 Gramm erlaubt. Schmidt verpasste in diesem Zusammenhang aber offenbar im Jahr 2022 eine Anhörung zu seinem Fall, also im Jahr seines Umzugs nach New Hampshire. Um diesen Gerichtstermin soll es bei der Vernehmung ihres Sohnes wohl gegangen sein, sagt sie.

Schmidts Mutter sagte inzwischen mehrfach, ihr Sohn habe aber nie von der richterlichen Vorladung erfahren, weil diese wohl nie an seine neue Adresse in New Hampshire weitergeleitet worden sei. In den USA gibt es keine Meldepflicht, wie etwa in Deutschland. "Er hatte vielleicht eine schwere Zeit, aber das ist längst Vergangenheit", sagt sie zu t-online.

Was die Familie bis zum jetzigen Tag nicht begreift: Fabian Schmidt hatte sein "Greencard"-Dokument irgendwann im Jahr 2022 verloren und darum neu beantragt. "Die neue Greencard wurde dann ohne jegliche Beanstandung im Jahr 2024 wieder bewilligt", sagt Astrid Senior. Hätte es ein Problem gegeben, hätte das schon zu diesem Zeitpunkt auffallen müssen, meint sie. Das war aber, bevor Donald Trump Präsident wurde.

Mobbing und Morddrohungen als Folge

Was seine Mutter über ihren Sohn erzählt, wirkt wie eine Geschichte, die in vielen Familien vorkommen kann. Der 34-jährige Fabian Schmidt arbeitet heute als Elektroinstallateur, verdient offenbar gut. Verlobt ist er inzwischen mit seiner amerikanischen Partnerin, einer Kardiologin aus der Stadt Nashua, in New Hampshire. Wenn er zu Besuch ist, bekocht Fabian die ganze Familie. "Am liebsten macht er Steak", sagt sie. Außerdem hat ihr Sohn eine achtjährige Tochter aus einer früheren Beziehung, die nach wie vor bei ihrer Mutter in Kalifornien lebt. Sie ist qua Geburt in den USA amerikanische Staatsbürgerin. Ihr Vater sitzt nun in Abschiebehaft.

Wenn Astrid Senior davon erzählt, was ihre Enkeltochter in der Schule derzeit durchmachen würde, klingt sie noch niedergeschlagener. "Die anderen Kinder konfrontieren sie, weil ihr Vater jetzt im Gefängnis sitzt – und wir wissen bis heute nicht warum", sagt sie. Ganz nach dem Motto: Wenn der im Gefängnis sitze, dann werde schon auch was dran sein. Astrid Senior nimmt eine zunehmende Feindlichkeit aus dem Lager der MAGA-Republikaner wahr. Seit Berichterstattung über ihren Sohn leiden er und die Familie nicht nur unter der ungeklärten Haftsituation, sondern auch unter einer Vorverurteilung.

Seitdem Astrid Senior an die Öffentlichkeit gegangen ist, um für die Freiheit und den Ruf ihres Sohnes zu kämpfen, hat sie nicht nur Sorge um ihren eigenen Aufenthaltstitel. Sie erhält auch Morddrohungen. "Wir haben uns hier in New Hampshire ein schönes Häuschen gebaut. Plötzlich fühle ich mich in meinem eigenen Zuhause nicht mehr sicher", sagt sie. Als sie zuerst in einer lokalen Facebook-Gruppe um Hilfe bat, habe sie anonyme Nachrichten erhalten, in denen Leute Dinge schrieben wie: "Gut so, wir brauchen euch hier nicht." Andere wurden deutlicher, sagt sie und erinnert sich an eine Botschaft mit den Worten: "Wenn wir dir den Kopf abhacken, können wir uns das Rückflugticket für dich sparen."

"Ich kann es nicht fassen, dass es hier Leute gibt, die so etwas schreiben. Das müssen ja Leute aus der direkten Nachbarschaft sein", sagt Astrid Senior. Wenn sie jetzt zum Einkaufen fährt, fragt sie sich beim Blick in die Gesichter anderer Kunden: "Ob der mir wohl so eine Nachricht geschrieben hat?" Ihr Profil bei Facebook hat sie inzwischen stillgelegt, zu heftig seien die Anfeindungen gegen sie und ihre Familie geworden. Stattdessen versucht Astrid Senior nun, Spenden über die Plattform Gofundme für ihren Sohn zu sammeln. Zusammengekommen sind bislang immerhin rund 4.500 Dollar.

Die Kosten für den Anwalt sind hoch. Weil Fabian Schmidt im Gefängnis sitzt, kann er auch nicht arbeiten und hat Verdienstausfälle. Seine Rechnungen muss er trotzdem bezahlen. Wie lange er noch in Haft sitzen muss, ist unklar – auch, ob er schließlich nach Deutschland abgeschoben wird oder doch noch einreisen darf. Schmidts erster Anhörungstermin ist erst in rund drei Monaten, für den 2. Juni 2025, angesetzt. Ob er womöglich vorher auf Kaution freikommt, ist ebenso unklar.

Sich rechtlich zu wehren, wird in den USA immer schwieriger

Hilfe bekommen Fabian Schmidt und seine Familie inzwischen auch durch das deutsche Konsulat in New York. Astrid Senior steht in Kontakt mit demokratischen US-Politikern aus Massachusetts, Rhode Island und New Hampshire. Menschenrechtsorganisationen interessieren sich für den Fall. Darunter auch die Nicht-Regierungsorganisation "Institute for Justice" in Arlington, Virginia. Im Gespräch mit t-online sagt deren Anwalt Patrick Jaicomo: "Durch verschiedene Entscheidungen des Supreme Courts ist es in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden, rechtlich gegen das Verhalten von Bundesbeamten vorzugehen."

Im Klartext bedeute dies, dass US-Behörden schon gegen die eigenen Staatsbürger äußerst rabiat vorgehen können, ohne dass sie sich dagegen zur Wehr setzen können. Als Beispiel nennt Patrick Jaicomo etwa brutale Polizeieinsätze von taktischen Spezialeinheiten, den sogenannten SWAT-Teams. Wen es versehentlich erwische, dem bleibe oftmals nichts, außer mit diesem Trauma zu leben. Entschädigungen gibt es nicht. "Geht es um Ausländer und Einwanderungsangelegenheiten, ist der Korridor für rechtliche Beschwerden sogar so gut wie gar nicht mehr vorhanden", sagt Patrick Jaicomo.

Warnung vor den USA?

Es sind Entwicklungen, die wohl den wenigsten Amerikanern und auch vielen Ausländern kaum bekannt sind. Sollten darum auch deutsche Staatsbürger besser gewarnt werden?

Dem Auswärtigen Amt sind nach eigenen Angaben "in letzter Zeit drei Fälle bekannt geworden, in denen deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger nicht in die USA einreisen konnten und bei ihrer Einreise in Abschiebehaft genommen worden sind". Das sagte ein Außenamtssprecher am Montag in Berlin. Zwei Betroffene seien bereits nach Deutschland zurückgekehrt. Im dritten Fall, bei dem es sich um Fabian Schmidt handelt, stehe das Auswärtige Amt in Kontakt mit den lokalen Behörden und setze sich für eine zügige Ausreise ein.

Die Bundesregierung stehe auch im Austausch mit den EU-Partnern, "um zu sehen, ob das eine Veränderung der amerikanischen Einwanderungspolitik ist oder ob das Einzelfälle sind", so der Sprecher weiter. Angesichts der Unklarheiten sei es zu früh, deutsche USA-Reisende zu warnen. Wenn man zu einem klaren Bild gekommen sei, müsse man aber gegebenenfalls "die Reise- und Sicherheitshinweise anpassen".

Und dann folgte ein ungewöhnlicher Aufruf des Außenamtssprechers an ein befreundetes Land, in Fällen von Abschiebehaft die internationalen Standards zu wahren: "Klar ist natürlich, dass wir von unseren Partnern genauso wie von allen anderen Staaten auf der Welt erwarten, dass Haftbedingungen internationalen Menschenrechtsstandards entsprechen und Inhaftierte auch entsprechend behandelt werden."

Amerikanische Institutionen sind schon einen Schritt weiter. In einer am Sonntag verschickten E-Mail warnte die renommierte Bostoner Brown University alle ihre internationalen Studierenden und Mitarbeiter vor etwaigen Auslandsreisen. Zu groß sei die Gefahr, nicht mehr hereinzukommen. "Aus Vorsicht" sollten darum Personen, die keine US-Staatsbürger sind, – einschließlich Personen mit Visum oder Greencard –, private Auslandsreisen derzeit besser verschieben oder verzögern.

Diese Warnung erging, nachdem zuletzt ein Professor der Universität trotz gültigen Arbeitsvisums nach einer Heimreise in den Libanon kurzerhand am Bostoner Flughafen verhaftet und abgeschoben worden war. Der 34-jährige Fabian Schmidt kann derzeit nirgendwo hin – weder nach Hause zu seiner Verlobten, seiner Mutter oder seiner Tochter, noch zurück nach Deutschland, das er einst mit 17 Jahren verlassen hat.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Telefon-Interview mit Astrid Senior

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