Internationale Pressestimmen Antrittsrede war "dystopisch und rachsüchtig"
Nach der Amtseinführung wird es ernst: Trump beginnt, die USA umzukrempeln. Seine Antrittsrede gibt den Kurs der kommenden vier Jahre vor. International sind die Reaktionen gemischt.
Zum zweiten Mal zieht Donald Trump ins Weiße Haus ein. Zur Antrittsrede des 47. US-Präsidenten produzierten internationale Medien zahlreiche Schlagzeilen. t-online zeigt eine Auswahl.
Der britische "Guardian" zeichnet ein düsteres Bild von Trumps zweiter Amtszeit: "Trumps Botschaft war unverblümt: Feinde im In- und Ausland, nehmt euch in Acht. Wo Roosevelt einst Hoffnung weckte, verbreitete Trump Angst." Trump versuche, sich als Visionär darzustellen, der eine neue Ära in den USA einläutet. "Doch niemand sollte sich von seiner Rede täuschen lassen."
Seine vorherige Amtszeit habe ihn als einen Politiker entlarvt, der "ein fragiles Ego dadurch verschleiert, dass er andere schikaniert". Dabei habe er die amerikanische Demokratie bereits an den Rand des Abgrunds gebracht.
"The Times" aus Großbritannien lobte die Klarheit von Trumps Rede. Er habe seine Amtseinführung genutzt, um klarzumachen, dass er sein weitreichendes Mandat zur Umgestaltung der USA voll ausschöpfen wolle. Die Zeitung führte aus: "Dies war kein technokratisches Machtprogramm, sondern eine uneingeschränkte 'America first'-Agenda eines gestärkten Präsidenten, der mit der Absicht ins Weiße Haus zurückkehrt, seine Macht umfassend zu nutzen."
"Gefühl, in einer Zeitschleife gefangen zu sein"
Die "Libération" aus Frankreich schreibt über die Sorgen beim Ansehen der Amtseinführung: "Viele von uns saßen vor dem Bildschirm und hatten das Gefühl, in einer Zeitschleife gefangen zu sein, und suchten verzweifelt nach dem Knopf, mit dem wir den Alptraum – denn um einen Alptraum handelt es sich hier – beenden konnten."
Weniger negativ gibt sich die russische "Iswestija". Es sei aber schwer zu verstehen, was es bedeute, wenn Trump vom Beginn des goldenen Zeitalters Amerikas spreche. Seine Rede stecke voller Widersprüche: "So will er als Friedensstifter in die Geschichte eingehen, verspricht aber, die 'stärkste Armee der Welt' aufzubauen."
Trump habe viele Themen gestreift, aber das Wichtigste vergessen, schreibt die Zeitung: "Die ganze Welt wartete auf Trumps Inaugurationsrede eher wegen seines Versprechens, den Konflikt in der Ukraine zu beenden, aber darüber redete der Präsident nicht."
"Faszinierend, lustig und beängstigend"
"Anschnallen. Der erste Tag von Donald Trumps zweiter Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten war abwechselnd faszinierend, lustig und beängstigend", schreibt der "Sydney Morning Herald" aus Australien. "Der führende politische Showman des 21. Jahrhunderts" habe einen guten Ausblick auf die nächsten vier Jahre gegeben.
"Er sprach davon, eine US-Flagge auf dem Mars zu hissen, verpasste es aber, seiner First Lady einen Kuss auf die Wange zu geben, weil der seltsam begräbnisartige Hut seiner Frau störte. Anschließend habe er stundenlang über seinen Weg zurück an die Macht schwadroniert und seine unmittelbaren Pläne, Amerika nach seinem eigenen Bild neu zu gestalten."
Die italienische Zeitung "La Stampa" hat die Antrittsrede von Trump als "dystopisch und rachsüchtig" beschrieben. Sie sei von "Drohungen und Beleidigungen" gegen Joe Biden geprägt gewesen, der nur wenige Meter entfernt saß. Zudem habe Trump ein Bild eines "fiktiven Amerikas als dekadenter Nation" gezeichnet und gleichzeitig versprochen, "jedes einzelne amerikanische Problem sofort zu lösen. Unverzüglich." Die Zeitung zog Parallelen zu seiner ersten Amtszeit 2017 und bezeichnete ihn als "düster" und voller "wütendem Getöse und Unwahrheiten". Sein Auftreten habe an einen "amerikanischen Orbán" erinnert.
"Gravierenste Auswirkungen auf Europa"
Die polnische "Gazeta Wyborcza" hat Trumps zweite Amtszeit als Chance für Europa beschrieben. "Am Ende könnte sich die Herrschaft von Donald Trump noch als Segen für Europa erweisen." Die Zeitung argumentierte, dass die EU in Krisenzeiten oft enger zusammengerückt sei und sich daher nicht, wie teils befürchtet, unter Trump auflösen werde. "Nein, Europa wird in den nächsten vier Jahren nicht auseinanderfallen, sondern sich noch mehr konsolidieren." Frühere Herausforderungen hätten gezeigt: "Unsere erschütterte und angeschlagene Gemeinschaft reagierte auf die Krisen und wurde stärker."
Für das US-amerikanische "Wall Street Journal" war die Rede "bemerkenswert, weil sie das Beste aus Amerikas Vergangenheit mit Ambitionen für die Zukunft verknüpfte". Diese Verbindung sei für eine Wiederbelebung Amerikas von entscheidender Bedeutung. "Es heißt in diesen Tagen, die US-Demokratie sei bedroht, aber wenn man nach dem Montag gehen darf, ist das vielleicht in geringerem Maße der Fall, als viele denken."
"Der Standard" aus Österreich sieht "die gravierendsten Auswirkungen" von Trump auf den Politikdiskurs in Europa. So fördere der neue US-Präsident antidemokratische Bewegungen und Parteien. Einladungen zur Vereidigung seien gezielt an populistische Parteienvertreter in Europa gegangen: "Die wiederum schmachten Trump geradezu als brillantes Vorbild an." Die Unverfrorenheit, die Trump und seine Ideologen an den Tag legen, inspiriere Populisten und Nationalisten in ganz Europa. "Und sie verschiebt die Maßstäbe dessen, was die Zivilbevölkerung aufregt."
"Biblischer Größenwahn mit persönlichem Groll"
Die belgische Zeitung "De Standaard" hat Donald Trumps jüngste Rede als Mischung aus "biblischem Größenwahn mit persönlichem Groll" beschrieben. Zwar habe er seine "revanchistische Ader im Zaum gehalten", dennoch seien seine Ankündigungen teils beunruhigend gewesen. Besonders scharf kritisiert das Blatt seine Haltung zu Migranten ohne gültige Papiere, die er für "vogelfrei erklärte". Zudem habe Trump mit der Ausrufung des Ausnahmezustands an der Grenze zu Mexiko die demokratische Kontrolle "auf besorgniserregende Weise ausgehebelt". Gleichzeitig habe er zu "grandiosen Ideen" aufgerufen, etwa mit der Forderung: "Auf zum Mars!"
Die niederländische Zeitung "de Volkskrant" widerspricht der Annahme, dass Joe Bidens Präsidentschaft ab 2021 eine "Rückkehr zur Normalität" gewesen sei. Trump und der Trumpismus seien "nicht von der Bildfläche verschwunden", sondern vielmehr weiterhin prägend. Die Zeitung betont: "Trump ist keine Anomalie. Der Trumpismus ist auch Amerika." Damit warnt sie davor, Trumps Einfluss als vorübergehendes Phänomen zu unterschätzen.
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- Nachrichtenagentur dpa